Der schwierige Weg zur Universität - Frauen und Studium in Guatemala
Fijáte 338 vom 6. Juli 2005, Artikel 3, Seite 2
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Der schwierige Weg zur Universität - Frauen und Studium in Guatemala
Guatemalas Bildungsdaten sind nach wie vor erschreckend, trotz der Fortschritte, die in den letzten zwanzig Jahren erzielt wurden. Jede dritte Frau und jeder vierte Mann kann nach wie vor nicht lesen und schreiben. Durch die strukturelle Diskriminierung und Marginalisierung der indigenen Bevölkerung bestehen weiterhin enorme Bildungsunterschiede. Ein österreichisches Projekt versucht, speziell indigenen Frauen aus dem ländlichen Raum den Zugang zu universitärer Bildung zu ermöglichen. Eine der Hauptursachen für die Probleme des guatemaltekischen Bildungssystems sind die viel zu niedrigen Bildungsausgaben, die zu den geringsten in Lateinamerika zählen. Sie liegen zwischen nur 2,4% und 2,7% des Bruttoinlandsprodukts, während vergleichsweise Costa Rica 4,4% des BIP aufwendet und Kuba sich gar 8,5% leistet. Die Bildungspolitik basiert seit Jahren auf neoliberalen Grundsätzen und hat im Rahmen der Privatisierung des Bildungssystems bereits viele Funktionen den Gemeinden, den Eltern und Privatunternehmern übertragen. Auf diese Weise wurde insbesondere für den ländlichen Raum ein Bildungssystem zweiter Klasse geschaffen, fern von Qualitätskontrollen und der Einhaltung der Arbeitsrechte der LehrerInnen. Die Bildungsqualität ist im allgemeinen äusserst gering. Bei einer im letzten Jahr durchgeführten Evaluierung durch das guatemaltekische Unterrichtsministerium haben nur 17% der SchülerInnen die Prüfungen bestanden und bei den Zulassungsprüfungen zur staatlichen Universität USAC fallen bis zu 75% der KandidatenInnen durch. Nachholbedarf für Frauen Es unter diesen Umständen gar bis zur Universität zu schaffen, ist äusserst schwierig, ganz besonders für indigene Frauen, die im Durchschnitt nur bis zur 3. Klasse Volksschule gelangen. Nur 1,4% der erwachsenen indigenen Frauen auf dem Land hat die Mittelschule ,,secundaria" besucht und gar nur 0,3% haben Zugang zur Universität. Im städtischen Bereich haben zumindest 14,2% Zugang zur Mittelschule und 2,1% zur Universität, aber immer noch um vieles weniger als nicht-indigene urbane Frauen, von denen 35,7% die Mittelschule abschliessen und 11% an der Universität studieren. Ein sehr positiver Trend der letzten Jahre ist, dass die Unterschiede zwischen der Einschulung von Buben und Mädchen zurückgehen, was einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft aufzeigt, nicht mehr so selbstverständlich der Ausbildung von Buben den Vorrang zu geben. An der staatlichen Universität USAC haben sich 2003 zum ersten Mal mehr Studentinnen als Studenten eingeschrieben. Auch das ist ein enormer Fortschritt, wenn man bedenkt, dass 1974 der Frauenanteil der USAC lediglich 26% betrug. Das universitäre System hat in den letzten Jahren insgesamt eine sowohl quantitative, wie auch geografische Expansion erfahren. Im Jahr 1981 gab es nur 44,681 Studenten und 19,789 Studentinnen, während im Jahr 2002 die USAC und eine Reihe von neu gegründeten privaten Universitäten bereits 181,084 Studenten und 141,049 Studentinnen zählten. Der lange Weg zur/durch die Universität Ein wichtiger Umstand für den Zugang der indigenen Bevölkerung zur Universität ist, dass die meisten Universitäten eine ganze Reihe von Aussenstellen eröffnet haben, wodurch man heute in allen Hauptstädten der Departements und sogar in 13 Bezirkshauptstädten studieren kann. Viele dieser ,,Mini-Unis" funktionieren allerdings nur am Wochenende in gemieteten öffentlichen Schulgebäuden und haben nur ein beschränktes Angebot an Studienrichtungen. Auch die Studienqualität ist durchschnittlich um einiges geringer als in der Hauptstadt und manche der privaten Universitäten verlangen für ihre Aussenstellen, ganz im Gegensatz zu ihrem zentralen Campus, keine Aufnahmeprüfungen. Was studieren guatemaltekische Frauen? An erster Stelle stehen die Rechtswissenschaften, die 15,1% aller Studentinnen der USAC im heurigen Jahr stellen, gefolgt von Wirtschaftswissenschaften mit 14,4%, Pädagogik und Lehramtstudium mit 6,2%, Psychologie mit 5,9%, Kommunikationswissenschaften mit 5,5% und Medizin mit 4,8%. Me- Nach oben |
dizin studieren bereits mehr Frauen als Männer und auch das Studium der Rechte scheint zur Frauensache zu werden, während die technischen Studienrichtungen nach wie vor eine Männerdomäne sind. Die durchschnittliche Studiendauer ist extrem lang und so brauchen beispielsweise ein Anwalt oder eine Anwältin an der USAC 15,5 Jahre, eine Sozialarbeiterin 12,5 Jahre für den Studienabschluss. Sehr viele Studierende legen zwar alle Prüfungen der erforderlichen Lehrveranstaltungen ab, schaffen es aber nicht ihre Diplomarbeiten und Diplomprüfungen zu absolvieren und können so ihr Studium nicht formell mit dem akademischen Grad abschliessen. Studienförderung ist rar Es gibt nur wenige Stipendienprogramme, die universitäre Bildung finanzieren. Ein sehr erfolgreiches Projekt war das von der US-AID unterstützte Projekt EDUMAYA, das zwischen 1998 und 2004 gezielt die Ausbildung von über 1'000 AkademikerInnen der Mayabevölkerung finanziert hat. Leider wurde das Projekt nicht verlängert. Die USAC vergibt jährlich 500 Stipendien für eine Anzahl von knapp 110.000 Studierenden, von denen zum Beispiel im Jahr 1998 nur ein Drittel an Frauen vergeben wurden und davon nur 69 an Frauen aus dem Landesinneren. Das aus Mitteln der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und privaten Spenden finanzierte Projekt MIRIAM ist das einzige Stipendienprogramm in Guatemala, das sich ausschliesslich auf die universitäre Förderung von Frauen konzentriert. MIRIAM unterstützt dreissig Frauen mit einem monatlichen Stipendium zwischen 70 und 100 US-Dollar und 16 Studentinnen bekommen im Rahmen eines speziellen Programms Unterstützung für ihren Studienabschluss. Eine besondere Priorität stellt die Unterstützung für Frauen aus dem vorwiegend indigenen Hochland dar. Von den aktuellen Stipendiatinnen sind 85% Mayas aus den Völkern der Kiché, Kaqchikel, Mam, Tzutujil, Achí, Chuj und Poqomam. Es ist eine weitverbreitete Fehleinschätzung zu erwarten, dass sich eine Frau automatisch für andere Frauen ein- setzt, nur weil sie selbst auch eine Frau ist. Daher ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit, die Stipendiatinnen mit monatlichen Treffen zu begleiten, wo gezielt zu Genderthemen gearbeitet wird. MIRIAM verfolgt den Ansatz, dass es nicht genügt, einfach nur Akademikerinnen auszubilden, sondern dass es unabdingbar ist, gleichzeitig auch Genderbewusstsein und Solidarität zu stärken. Soziales Engagement ist eines der wichtigsten Kriterien für eine Unterstützung mit einem Stipendium von MIRIAM und die Stipendiatinnen sind in einer Vielzahl von Organisationen der Frauen-, Menschenrechts-, Bauern- und Sozialbewegung und in lokalen Entwicklungskomitees aktiv. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Stipendium nicht nur der wirtschaftlichen und sozialen Besserstellung einer einzelnen Person dient, sondern einer grossen Anzahl von Menschen und insbesondere Frauen zugute kommt. Mehr Information über MIRIAM www.miriam-projekt.org |
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