Der Prozess - Die dunkle Seite des CAFTA
Fijáte 341 vom 17. Aug. 2005, Artikel 3, Seite 3
Original-PDF 341 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Der Prozess - Die dunkle Seite des CAFTA
In der Nacht vom 28. Juli, einige Tage, bevor er sich auf seine texanische Ranch zurückziehen wollte, fehlte wenig, dass der Urlaubsmonat von US-Präsident Bush von einer Katastrophe überschattet worden wäre, die in dem Scheitern des Freihandelsvertrags CAFTA im US-RepräsentantInnenhaus bestanden hätte. Der knappe Sieg des Implementationsgesetzes des CAFTA stützte sich auf eine lange und aggressive Überredungskampagne der Regierung Bush, deren Ausgang bis zum Ende unsicher blieb. Dabei war der Billigungsprozess im RepräsentantInnenhaus nicht frei von Unregelmässigkeiten. Neben nicht beachteten Vereinbarungen in Bezug auf die Diskussionsdauer versicherte der Abgeordnete Charles Taylor, dass seine Stimme gegen den CAFTA aufgrund eines mysteriösen technischen Fehlers nicht gezählt worden sei, seine Kongress kollegin Jo Ann Davis, die ebenfalls dagegen stimme wollte, bedauerte, dass ein Gewitter Grund für ihre Verspätung zur Abstimmung gewesen sei. Derweil wurden die 15 Minuten der regelgerechten Abstimmung, nach denen das ,,Nein" mit 5 Stimmen im Vorteil lag, mal eben bis nach Mitternacht verlängert, um schliesslich die Billigung zu erreichen. Über diese gewohnten Manipulationen von Legislativprozessen hinaus, war es dem Weissen Haus gelungen, mittels zahlreicher Verhandlungen unter dem Tisch und Versprechungen, die dem Kauf von Stimmen ähneln, die Ablehnung des CAFTA von einigen Kongressmitgliedern ins Gegenteil zu wandeln. So wurden beispielsweise dem Senator vom Bundesstaat Montana etliche Wasserkraftwerksprojekte im Mississipi im Gegenzug für seine Ja-Stimme angeboten. Der demokratische Repräsentant von Harlem, der für seine Positionen zu Gunsten der Sozialjustiz und der Verteidigung der Minderheitenrechte bekannt ist, liess sich derweil zu einem Ja überreden unter dem Versprechen des Präsidenten, jährlich 40 Mio. US$ für die Arbeitsrechte und den Umweltschutz in Zentralamerika zu investieren. Problematischer sind derweil die Versprechungen, die den SenatorInnen und RepräsentantInnen derjenigen Staaten gemacht wurden, in denen Zucker und Textilien produziert werden, da sie den Inhalt des CAFTA konkret betreffen. Um die Stimmen von Abgeordneten wie Norm Coleman aus Minnesota zu gewinnen, sagte die Bush-Regierung zu, die Effekte der im CAFTA vorgesehenen Quotenerhöhung des Zuckers zu begrenzen, indem die zentralamerikanischen Zutaten, die für die Transformation in Ethanol erlaubt sind, aufgekauft würden und die ProduzentInnen des Isthmus bezahlt würden, damit sie nicht darüber hinaus exportieren. Im Zweifel soll massenweise US-Zukker an die ,,Abkommenspartner" geschickt werden, sollten sie sich dieser Einschränkung widersetzen. Währenddessen brachte eine Zusicherung Bushs, die CAFTABestimmungen in Sachen Textilproduktion noch einmal neu zu verhandeln, die Repräsentantin von North Carolina, Robbin Hayes, die in der ersten Abstimmungsrunde mit ,,Nein" gestimmt hatte, in letzter Minute dazu, ihre Meinung zu ändern. Eine Woche vorher hatte sich Hayes noch als ,,komplett, horizontal, 100%ig gegen den CAFTA" deklariert. Bedauerlich für die Kongressmitglieder, die sich vom Gesang der Sirenen überreden liessen, stellte eine Studie der Nichtregierungsorganisation Public Citizen kürzlich fest, dass 80% der ,,Kompensationsversprechen", die 1993 gegeben wurden, um die Gegenstimmen hartnäckiger VolksvertreterInnen in Bezug auf Freihandelsabkommen zu gewinnen, nie erfüllt wurden. Da sie nicht in den Gesetzestext des Abkommens aufgenommen werden, besteht die einzige Sicherheit im Wort derjenigen, die die Versprechen gegeben haben. De facto hat selbst die Kongresseigene Studienabteilung eine geringe Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Erfüllung in Aussicht gestellt. Aber nicht nur die Kongressabgeordneten können vom Weissen Haus betrogen werden, sondern auch die Unterzeichnenden des CAFTA selbst. Ein Element, das in dem US-Implementationsgesetz des CAFTA auftaucht, befindet sich in der Sektion 102 und trägt den Titel ,,Bezug des Abkommens auf die Gesetzgebung der USA und die Staatslegislation". Dieser Abschnitt besagt, dass die Bundesstaatlichen Gesetze über jeglicher Bestimmung der Freihandelsvereinbarung stehen, somit bleiben alle CAFTA-Auflagen, die nicht mit dem Bundesrecht übereinstimmen, wirkungslos. Aufgrund dessen wird keine Privatperson von der USRegierung oder den Bundesregierungen Kompensationen einfordern können. Dies widerspricht klar gegen das Kapitel 10 des CAFTA über Investition. Nach US-eigenen Bestimmungen kann derweil ein nordamerikanisches Unternehmen finanzielle Entschädigungen wegen ,,ungerechter Behandlung" oder ,,indirekter Enteignung" vom guatemaltekischen Staat fordern, doch ein guatemaltekisches Unternehmen ,,darf" dies gegenüber der USRegierung nicht. Nach oben |
Während laut Abkommen keine zentralamerikanische Regierung eine dem CAFTA gegensätzliche Gesetzgebung umsetzen kann, können die USA die Bestimmungen sorglos verletzen. Diese Tatsache bestätigt die Zweifel des Wirtschaftsexperten Henry Mora Jiménez aus Costa Rica, dass der CAFTA in den unterzeichnenden Ländern nicht den gleichen juristischen Rang einnimmt. Derweil der CAFTA in Zentralamerika als Handelsvertrag gilt und somit über den nationalen Gesetzen steht, besetzt er in den USA lediglich den Rang einer Vereinbarung (,,Free Trade Agreement"). Viele AnwältInnen des CAFTA waren der Ansicht, dass dieser einen Fortschritt im Vergleich zur Initiative für das Karibikbecken darstelle, da die gleichen Spielregeln zwischen gleichen Mitgliedern aufgestellt würden und es ein wechselseitiges Abkommen sei. Der erwähnte ,,USImplementationsabschnitt Nr. 102" zeitigt jedoch das komplette Gegenteil und müsste die Aufmerksamkeit der zentralamerikanischen Autoritäten sowie entsprechendes Handeln ihrerseits wecken. Kurz und gut, die Ratifizierung des CAFTA in den USA kann nur schwerlich ein neues Moment für die US-amerikanische Handelsagenda mit sich bringen, was viele im Vorfeld behaupteten. Zum einen wurde der CAFTA nicht aus eigenem Verdienst und der Überzeugung der Kongressmitglieder verabschiedet, dass er tatsächlich die USA und die zentralamerikanischen Partnerländer begünstigt, sondern aufgrund der zahlreichen haltlosen Versprechen, der heimlichen Kungeleien und der einseitigen Modifizierungen des Vereinbarten. Dieses Mal hat es funktioniert, doch es wird schwierig sein, diesen Prozess mehrmals zu wiederholen. Auf der anderen Seite besteht die Botschaft, die die Verabschiedung des CAFTA mit einem so kleinen Vorsprung (217 zu 215 Stimmen) an die anderen Länder, die den Zugang zum US-amerikanischen Markt suchen, beinhaltet, darin, dass nicht mehr als das in diesem Freihandelsvertrag Erreichte zu holen sein wird. Die gleichen Folgen werden wohl in Bezug auf die globalen Wirtschaftsverhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WHO) zu spüren sein, deren aktuelle Runde in Doha sich ebenfalls aufgrund der Unnachgiebigkeit der USA und der Europäischen Union, vornehmlich im Landwirtschaftsthema, in einer Falle befinden. Der Graben, der die Positionen der Länder des Nordens und der des Südens trennt, die es schaffen, mit immer grösserer Sicherheit ihre Interessen auf diesem Forum zu verteidigen, kamen einmal mehr letzte Woche in Genf zum Vorschein. Deswegen befürchten viele eine Wiederholung der gescheiterten MinisterInnenkonferenz in Cancún, Mexiko, für das Treffen in Hong Kong im Dezember. Angesichts der Mischung des übertriebenen protektionistischen Drucks wegen des unhaltbaren Handelsdefizits der USA und des wachsenden bürgerlichen Bewusstseins, dass die Freihandelsverträge nichts anderes als Freifahrtscheine des Grossen Kapitals sind, kann die schwierige und mühsame Verabschiedung des CAFTA in jenem Land anstatt einer frischen Brise für die dem Freihandel nahe stehenden Ideen, genauso gut einen ihrer letzten Atemzüge darstellen. |
Original-PDF 341 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte