Der Absurdität des Hungers
Fijáte 329 vom 2. März 2005, Artikel 5, Seite 4
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Der Absurdität des Hungers
Guatemala, 15. Feb. Weltweit stirbt alle 38 Sekunden ein Kind an Hunger. In Guatemala geschieht dies alle fünf Minuten. Gemäss Daten des Präsidialen Kommissars gegen den Hunger, Andrés Botrán, sind das Fehlen von Nahrungsmitteln und Krankheiten, die auf Unterernährung zurückzuführen sind, die Ursache dafür, dass in diesem Land jede Stunde zwölf Kinder sterben. 48,7 % der Kinder unter fünf Jahren sind chronisch unterernährt, 7 von 10 indigenen Mädchen und Jungen sind für ihr Alter zu klein. Anfang Februar besuchte Jean Ziegler, der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, das Land. In einer Pressekonferenz wies er darauf hin, dass Guatemala sieben Schwachpunkte überwinden müsse, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten: diese seien fehlender Zugang zu Land, unzureichende Löhne, Wasserprobleme, mangelnde Steuereinnahmen, der Rassismus und das Fehlen eines funktionierenden Justizsystems, das sich der Landproblematik angemessen annimmt. Die Besitztitel stellen keine Sicherheit dar, es fehlt ein Katastergesetz und der Landfond FONTIERRA, der sich gemäss seinem Mandat um die Zuweisung von Ländereien zu kümmern hat, funktioniert nicht. Als siebten Punkt nannte Ziegler den Freihandelsvertrag CAFTA-RD, der derzeit zwischen den zentralamerikanischen Ländern, der Dominikanischen Republik und den USA zur Ratifizierung steht. Dieser werde noch mehr Hunger mit sich bringen und negative Auswirkungen zeitigen, trete das Land doch in einen wirtschaftlichen Wettbewerb auf einer Ebene grösster Ungleichheit und Asymmetrie. Als veranschaulichendes Beispiel beschreibt der Sonderbeauftragte die Situation als einen Boxkampf, in dem ein unterernährter Mittelamerikaner gegen den ehemaligen Schwergewichtsweltmeister Mike Tyson antritt. Ein Besuch auf dem Land liess Ziegler die Beobachtung machen, dass es ,,verletzliche Gruppen gibt, die am Rand der Existenz leben. Es braucht strukturelle Reformen, denn die kleinste Katastrophe kann zu einer sehr viel grösseren führen." Doch selbst der UN-Vertreter kann sich nicht erklären, wie Guatemala als ein Land mit guten makroökonomischen Indizes eine solch miserable Situation der Ernährungssicherheit aufzeige. Vom Menschenrechtsprokurator Sergio Morales erhielt Ziegler die Information, dass mehr als die Hälfte der guatemaltekischen Bevölkerung, namentlich rund 6,4 Mio. Nach oben |
Menschen, unter prekären Bedingungen leben, ein Grossteil davon auf dem Land. Laut Morales haben sich die Ernährungsdaten seit 1992 kontinuierlich verschlechtert; in diesem Zeitraum sei der unterernährte Bevölkerungsanteil um etwa 1,5 Mio. Personen gewachsen. Damit setzt sich Guatemala an die erste Stelle im Vergleich dieser Daten und dem Ansteigen derselben auf zentralamerikanischer Ebene und weist die schlechtesten Sozialindikatoren Lateinamerikas auf. Dies sei, so der Ombudsmann, Grund genug, das Thema als eine der Prioritäten der nächsten Jahre aufs Tapet zu bringen, ebenfalls dringend notwendig sei die Erarbeitung eines integralen Politikansatzes zur Bekämpfung der Armut. Als einige von vielen Ursachen für die rasante Ausbreitung der Armut und extremen Armut nennt Morales die wenigen Entwicklungsprogramme, das Fehlen einer Finanzpolitik für die kleinen und mittleren BäuerInnen, der Verlust von günstigen Krediten für die Landwirtschaft sowie die Agrarkrisen. Dazu kommen die Arbeitslosigkeit und die Ungleichheit in der Verteilung der Ländereien. Guatemala befindet sich weltweit diesbezüglich unter den Ländern, in denen das Missverhältnis am grössten ist: in den Händen von 20% befinden sich 54% des Gesamtanteils. Die hehren Ziele einer Veränderung dieser Situation stehen der kürzlich firmierten Rahmenkonvention zur Ernährungssicherung zwischen dem guatemaltekischen Kongress und der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) bevor: Im Rahmen der Friedensverträge und der Ziele des Millenniums sollen die Hungersnot im Land reduziert sowie die extreme Armut und chronische Unterernährung völlig ausradiert werden. Angestrebt wird dies durch den Plan einer diversifizierten ländlichen Entwicklung und der ambientalen Nachhaltigkeit derselben, die in Verbindung stehen soll mit einer ausgeglichenen städtischen Entwicklung mit besonderem Fokus auf die gefährdetsten und ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen. Eine wesentliche Rolle wird dabei dem Justizapparat übertragen, dem die institutionelle Verankerung auf rechtlicher Ebene obliegt. Dabei wird die FAO den wohl nötigen rechtlichen Beistand leisten. |
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