Live dabei: Am Ende der Marcha des 8. März
Fijáte 330 vom 16. März 2005, Artikel 3, Seite 4
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Live dabei: Am Ende der Marcha des 8. März
Guatemala, 10. März. Es war die 11. Demonstration anlässlich des internationalen Frauentags in Guatemala. Die Koordination 8. März hatte Hunderte von Indigenen, Bäuerinnen- und Gewerkschafterinnenorganisationen mobilisiert, die in die Hauptstadt kamen, um "ihren" Tag zu begehen. Relativ am Ende des Zuges war die tatsächliche Masse der Demonstrierenden nicht einzuschätzen. Und von wahrer Organisation war auch nicht viel zu erkennen. Diverse Gruppierungen reihten sich mit ihren Transparenten ein, darunter die organisierten Frauen der Maquilas, Menschenrechtsorganisationen, Bildungskommissionen aber auch Frauenkomitees einiger Parteien. Dazwischen fuhren Wagen mit dicken Lautsprechern, aus denen Musik schallte, sowohl Latino-Hits, die beim kritischen Hinhören möglicherweise die Einforderung der Rechte der Frau unterminierten, als auch spezielle Frauenrechts-Lieder. Von weitem hörte man immer mal wieder eine Stimme, die über Mikro die Forderungen der Frauen deklamierte, doch die Slogans verbreiteten sich nicht. Wenigstens am Ende der Prozession überzeugte die Aktion wenig. Vielmehr erschien die Teilnahme wie eine Pflichtübung, abgenutzt durch die ständige Wiederholung von Demonstrationen zur Einforderung grundlegender Rechte der Bevölkerung und frustriert durch den Eindruck, dass sich eh nichts verändert. Dennoch war eine Welle des Unmuts und der Enttäuschung zu spüren, als bekannt gegeben wurde, dass der Forderungskatalog vom Präsidentensitz nicht entgegengenommen wurde. Beim Passieren eben dieses Gebäudes konnte ich derweil ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Die beiden Seiteneingänge waren blockiert von je 12, der Haupteingang von gleich 24 Polizisten, Schulter an Schulter in zwei Reihen, vor sich zudem Absperrungsgitter. Die Frauen können den Männern also doch gehörig Angst einjagen! Vor dem Höchsten Gerichtshof wurde dem Gang der Frauen Einhalt geboten, um Rigoberta Menchú zu unterstützen. Nach ihrer Klage wegen rassistischer Aggressionen, die 2003 von Mitgliedern der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) gegen sie verübt wurden, startete an diesem 8. März der erste Prozess wegen Rassismus in Guatemala. Während ein direkter Kontakt und die Übergabe des Communiqués an die Behörden ausblieb, machten vor allem die fliegenden HändlerInnen Gewinn, die kalte Getränke und Eis an die unter der brennenden Sonne brütenden DemonstrantInnen verkauften. Schaulustige am Strassenrand nahmen freudig alle Flyer an, die ihnen in die Hand gedrückt wurden. Wenigstens auf diesem Weg kamen die Botschaften der Demo auch ans Ende des Zuges. Neben der Forderung "Keine Gewalt gegen Frauen" laut Angaben der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) sind im Laufe des gerade begonnenen Jahres bereits 75 Frauen gewaltsam umgekommen konzentrierten sich die Appelle der Frauen auf die Ablehnung des Freihandelsvertrages zwischen Zentralamerika, der Dominikanischen Republik und den USA (TLC bzw. CAFTA). Speziell zurückgewiesen wurden dabei die Gesetze zum Minenabbau und der Generika. Nachdem der Kongress sich letzte Woche aufgrund des Drucks von Seiten der Zivilgesellschaft dazu gezwungen sah, die Lektüre des Vertrages um drei Tage zu verschieben, um eine Informationsverbreitung unter den Abgeordneten zu ermöglichen, war die erste Lesung nun just auf den 8. März verlegt und positiv beschieden worden, obwohl sich zu Beginn der Sitzung allein die Regierungspartei Grosse Nationale Allianz im Plenarsaal befand. Nach oben |
Die Patriotische Partei (PP) und die Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) trudelten nach und nach ein, die Nationale Partei der Hoffnung (UNE) und die FRG blieben zu Hause. Die anwesenden Abgeordneten konnten immerhin eine Vereinbarung zur Verabschiedung einiger zusätzlicher Gesetze zum TLC unterschreiben. Trotz des Aufrufes, zusammenzubleiben, um gemeinsam bis zum Kongress vorzudringen, der bereits in den Morgenstunden weitläufig abgeriegelt worden war, löste sich die Menge der Frauenorganisationen auf, als klar wurde, dass die dort mit Schutzschildern festgewachsen scheinende Polizistenmauer nicht zu durchbrechen war. Auf der Abschlusskundgebung im Parque Central war letztendlich niemand mehr und die Mikrostimme sprach allein zu den dort sich aus Zeitvertreib aufhaltenden Personen, die nichts mit der Frauendemo zu tun hatten. An den Blockaden tummelten sich letztlich fast nur noch Männer auf beiden Seiten. Die Bewegung der Indígenas, BäuerInnen und GewerkschafterInnen (MICSP) hatte die Demonstration der Frauen als Auftakt für ihre eigene Mobilisierung gewählt, die für die nächsten Tagen gegen den TLC geplant sind und am Montag in einen Nationalen Streik kulminieren soll während die definitive, zweite Lesung des Vertrags für heute, Donnerstag, vorgesehen ist. Am Mittwoch kam es dann bereits zu Ausschreitungen zwischen ManifestantInnen und der Polizei, die ohne jegliche Vorwarnung die Protestierenden mit Tränengas empfingen, worauf diese Steine, Flaschen und sonstiges auf der Strasse zu Findendes zurückwarfen. Obwohl der Zugang schon Strassen vorher mit höchster Sicherheit blockiert war, wurden die Holztüren des Kongresses zusätzlich mit Stahlstangen verstärkt. Im Verlauf des Vormittags wurden diverse Stadtbusse in Brand gesteckt, Presseleute wurden von Polizisten gestossen und verletzt, wobei teilweise ihr Equipment zu Bruch ging. Selbst Kinder wurden heftig geschubst, zahlreiche Personen ernsthaft verletzt und festgenommen. Pünktlich zum 8. März hatte Berger die Schaffung einer Schnelleingreiftruppe mit 512 PolizistInnen und 500 SoldatInnen angekündigt. Als autonome Abteilung der Nationalen Zivilpolizei (PNC) mit eigenen Wagen und Handlungsunabhängigkeit, kümmert sie sich um ,,problematische Situationen und kurzfristige Gefahren" im ganzen Land. Ursprünglich war der erste Einsatz bereits für den 8. März geplant, doch Präsident Oscar Berger entschied sich dagegen, ,,damit ein solcher nicht als Einschüchterung von Seiten der sozialen Organisationen aufgefasst wird". |
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