Der Verteidigungsetat: Wieviel(,) wohin und woher?
Fijáte 323 vom 1. Dez. 2004, Artikel 4, Seite 4
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Der Verteidigungsetat: Wieviel(,) wohin und woher?
Guatemala, 27. Nov. Die schon seit längerem vermuteten Geldtransfer- und wäschegeschäfte im Verteidigungsministerium (MDN), dem aufgelösten Präsidialen Generalstab (EMP) und dem militärischen Vorsorgeinstitut (IMP) in den Jahren 2000, 2002 und 2003 sind nun mit Fakten und Zahlen belegt. Aufgrund einer von der Kongressabgeordneten Nineth Montenegro eingereichten Klage gegen verschiedene ehemalige Funktionäre dieser drei Institutionen begannen die Staatsanwaltschaft und die nationale Rechnungsprüfungsstelle (CGCN) ihre Untersuchungen der militärischen Buchhaltung der Jahre 2000-2003. (Was nicht heissen soll, dass diese vier Jahre die einzigen gewesen wären, in denen ranghohe Militärs sich persönlich aus der Kasse der Institution bedienten.) Das erste Hindernis, das die Staatsanwaltschaft zu bewältigen hatte, war das Lüften des Staatsgeheimnisses, das bisher über den Finanzgeschäften des Militärs gehangen hatte (siehe ¡Fijáte! 319). Die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) veröffentlichte ein Dokument, in dem die Art und Weise, wie in den drei militärischen Institutionen das Geld veruntreut wurde, beschrieben wird: Die einzige Einnahmequelle des vor einem Jahr aufgelösten EMP seien die per Budget zugeschriebenen Gelder gewesen. Während der vergangenen vier Jahre habe der EMP über ca. 600 Mio. Quetzales verfügt, von denen ein grosser Teil auf illegale Weise aus- bzw. weitergegeben worden sei. Die Rechnungsprüfungsstelle habe diverse Belege über Barzahlungen von Gehältern und Honoraren sowie Verträge mit sogenannten Kartonoder Briefkastenfirmen gefunden, ohne dass Beweise vorlägen, dass die bezahlte Arbeit ausgeführt worden sei. Viele dieser Firmen gehörten ausserdem ausgeschiedenen EMP-Offizieren. Viele der Schecks seien auf die Namen dieser ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitenden des EMP ausgestellt worden. Andere Schecks wiederum, zum Teil in Millionenhöhe, seien während Jahren monatlich auf Personen ausgestellt worden, von denen man nicht wüsste, ob sie wirklich existierten und ob sie jemals für den EMP gearbeitet hätten. Ausserdem seien für ,,Unvorhergesehenes" die Kleinigkeit von 115 Mio. Quetzales und für ,,andere Leistungen" 94 Mio. Quetzales ausgegeben worden. Die GAM ist deutlich, und nennt die Namen der involvierten Ex-Funktionäre des EMP. Dies hatte denn auch bereits Drohungen gegen den Leiter der Organisation, Mario Polanco, zur Folge. Mysteriöser Tod eines Zeugen Einer der erwähnten Namen ist derjenige von José Raúl Cerna Ramírez, Finanzchef des EMP unter der Regierung von Alfonso Portillo und dessen Republikanischen Front Guatemalas (FRG). Cerna Ramírez ist seit Ostern diesen Jahres spurlos verschwunden, es hiess, er habe den Urlaub genutzt, um zu desertieren. Nun ist aber bekannt geworden, dass Cerna Ramírez am 12. April verstorben ist und dass höchstwahrscheinlich eine Vergiftung die Todesursache war. Der Ex-Oberst lieferte sich am selben Tag selbst ins Spital ein, wo er innerhalb weniger Stunden verstarb. Begraben wurde er anonym und auf gerichtliche Anordnung, ohne Benachrichtigung der Familie in einem Teil des Friedhofes, wo nicht identifizierte Gewaltopfer beerdigt sind. Eigenartigerweise reklamierte auch niemand den Toten. Die nach dem ,,Desertierten" suchenden Geheimdienstler ihrerseits beschränkten sich darauf, das Gerücht zu verbreiten, er sei wahrscheinlich nach Mexiko geflohen. Cerna Ramírez galt als ein Schlüsselzeuge für die Aufklärungen der Korruption im EMP unter der FRGRegierung, offensichtlich hatte er nebst der eigenen Bereicherung auch einiges anderes mitbeobachtet und dieses Wissen an Dritte weitergegeben. So soll er Zeuge davon gewesen sein, wie schachtelweise Dollar zu den Residenzen von FRG-Politikern gefahren wurden, unter anderem zum damaligen Vizepräsidenten Juan Francisco Reyes López, zu FRG-Chef Efraín Ríos Montt, aber auch zu dessen Sohn Enrique Ríos Montt. Nach oben |
Unterdessen wurde von der Staatsanwaltschaft eine Autopsie des unter Cernas Namen beerdigten Körpers angeordnet, um die genaue Todesursache festzustellen. Auch im Verteidigungsministerium Ganz ähnlich wie im EMP muss es laut GAM auch im Verteidigungsministerium (MDN) zu- und hergegangen sein, obwohl hier noch keine befriedigenden Resultate der Staatsanwaltschaft vorlägen, wie es in dem Bericht heisst. Trotz der Aufhebung des Staatsgeheimnisses wurden offenbar nicht alle Bücher des MDN an die Staatsanwaltschaft übergeben, man geht davon aus, dass ein Teil davon zerstört oder zum Verschwinden gebracht wurde. Doch auch mit dem verbleibenden Material konnte bewiesen werden, dass im Jahr 2001 rund 90 Mio. aus dem Verteidigungsministerium verschwanden, ohne dass dies belegt ist. In den Jahren 2002 und 2003 handelt es sich um je rund 50 Mio. Quetzales. Herausgefunden hat man dies, weil die Summen, die das Verteidigungsministerium als Ausgaben deklarierte, höher waren als diejenigen, die laut Finanzministerium an das Militär abgegeben wurden. Damit ist auch bewiesen, dass das Finanzministerium als Komplize bei dieser Hinterziehung fungierte. Pikantes Detail der Ergebnisse der Untersuchung der CGCN im Verteidigungsministerium ist, dass der Hauptmann Byron Miguel Lima Oliva, angeklagt des Mordes an Bischof Juan Gerardi, weiterhin sein Salär bezogen hatte. Eine weitere Ironie dieser Geschichte ist, wie eine Kommission des Kongresses belegen konnte, dass just in den Jahren 2001 2003 auch im Rechnungsprüfungsamt CGCN Beträge von 22,25 und 68 Mio. Quetzales hinterzogen wurden. Präsident Berger konnte derweil mit der Billigung des Haushaltes 2005 (siehe separater Artikel) und somit einer signifikanten Erhöhung des Etats für das Verteidigungsressort sein Angebot erfüllen, zusätzliche Gelder dem Ministerium zur Verfügung zu stellen, damit die Endjahresgehälter ausgezahlt werden können. Verteidigungsminister César Augusto Pinelo hatte bereits im Vorfeld finanzielle Probleme angekündigt, die auf die Reduzierung des Personals zurückzuführen seien, die wiederum ausserordentliche Entschädigungszahlungen erforderten. Berger gab sich diesbezüglich von vornherein zuversichtlich, dass sich sicherlich noch irgendwelche Fonds auftun liessen, die nicht von einer anderen Institution in Anspruch genommen würden, so dass dem Militär geholfen werden könne. Eine Quelle wurde dafür auch schon gefunden. 238 Mio. Quetzales wird voraussichtlich die Europäische Union stellen, 232 Mio. davon für Funktionsausgaben und ganze 6 Mio. für die Stärkung des Justizsektors der Institution. Ursprünglich war der Militäretat 2005 auf 768,1 Mio. angesetzt. Nach diversen Modifikationen werden diesem Ressort jedoch 1'008 Mio. Q zur Verfügung stehen. Nineth Montenegro vom Linksbündnis ANN missbilligt, dass somit dieses Budget um 1% des BIP erhöht wurde und nicht, den Friedensverträgen entsprechend, 0,62% des BIP beträgt. Noch keine Haftbefehle Noch wurden keine Haftbefehle gegen die in die Geldhinterziehung involvierten Militärs ausgesprochen. Am 26. November meldete sich Nineth Montenegro bei der Staatsanwaltschaft als Nebenklägerin in diesem Fall und beschuldigte den Ex- Präsidenten Portillo als Hauptverantwortlichen in dieser Geschichte. Gleichzeitig äusserte sie sich gegenüber der Presse besorgt über ihre eigene Sicherheit und diejenige von anderen in den Fall verwickelten möglichen ZeugInnen und verlangte für sich und diese speziellen Schutz. |
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