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So sieht Entwicklung aus

Fijáte 377 vom 24. Jan. 2007, Artikel 1, Seite 1

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So sieht Entwicklung aus

Die Räumung

Nachdem sie sich um 8 Uhr beim Hauptquartier der CGN-Skye Resources versammelt hatten, näherten sich die von rund 200 Militärangehörigen begleiteten 430 PolizistInnen dem Barrio Unión, einer ebenfalls wiederbesetzten Gemeinde mit ca. 70 Familien. Während sich die Polizei in Einerreihe zwischen der Gemeinde und der Hauptstrasse aufstellte, las Staatsanwalt Rafael Andrade Escobar den BewohnerInnen den Räumungsbefehl vor. Rückblickend und unbeachtet der Tatsache, dass die Räumung ungerecht war, muss gesagt werden, dass in Barrio Unión die Dinge angemessen verliefen. Den BewohnerInnen wurde die nötige Zeit eingeräumt, um ihre Habseligkeiten zusammen zu suchen, die Häuser wurden von Angestellten der CNG-Skye Resources sorgfältig abgebaut.

Die zweite Räumung fand am selben Tag etwas später in La Pista statt. Hier beschlossen die BewohnerInnen, die Gemeinde zu evakuieren, bevor die Polizei und das Militär kamen. Ihre Häuser wurden weniger sorgfältig zerlegt, einige wurden niedergebrannt. Gegen Abend machten Spekulationen die Runde, dass nun Barrio Revolución, eine der grössten und am besten organisierten Gemeinden, als nächstes an die Reihe käme.

Am Morgen des 9. Januar versammelten sich die Polizei und das Militär erneut im Hauptquartier der CGN-Skye Resources. Ein Polizeikonvoi in der Länge von mehreren hundert Metern, jedes Fahrzeug mit mindestens vier schweren Geschützen bewaffnet und schwarz uniformierte Polizisten füllten die Strassen. Private, bewaffnete Sicherheitskräfte, die T-Shirts des Minenunternehmens trugen, fuhren weisse Pick-ups. Andere Sicherheitskräfte versteckten sich in den Gebüschen längs der Strasse und von oben wurde die Szene aus einem Helikopter observiert. Im Visier waren das Barrio Revolución und das Barrio La Paz. Etwa um 9.45 Uhr setzte sich der Treck in Richtung Barrio Revolución in Bewegung.

Anstatt dass der Staatsanwalt einen Räumungsbefehl verlas, drangen Polizeikräfte in die Gemeinde ein und "sicherten" den Fluss, der durch die Siedlung floss. Danach wurden die Häuser eingekreist und die BewohnerInnen in den westlichen Teil von Barrio Revolución gedrängt, wo sich der Versammlungsplatz befindet. Von Polizeikräften umringt, warteten dort etwa 50 Personen auf das Erscheinen des Staatsanwaltes, darunter etwa ein Dutzend Frauen und einige VGKinderNF.

Alles niederbrennen

In der Ferne leuchtete orangenes Licht auf. Es wurde grösser und Rauch begann die Luft zu erfüllen: Ein Haus auf der anderen Seite des Flusses brannte. Staatsanwalt Andrade Escobar stand etwas abseits, als ein zweites und ein drittes Haus zu brennen begannen. Er berief sich darauf, dass sein Mobiltelefon keinen Empfang habe, damit er seine Männer zurückrufen könnte. Sein Befehl, mit dem Niederbrennen der Häuser aufzuhören, sei auf der anderen Seite des Flusses nicht angekommen. Und er versicherte, er würde rechtliche Schritte gegen die Angestellten des Minenunternehmens einleiten, die die Häuser in Brand setzten. Auf die Frage, weshalb diese überhaupt die Häuser niederbrannten, wenn doch die Räumung der Siedlung die Aufgabe der Staatsanwaltschaft sei, antwortete Andrade Escobar: "Ich habe die Verantwortung über jenen Sektor (auf der anderen Seite des Flusses) dem Anwalt des Minenunternehmens übergeben, der (und nicht die Staatsanwaltschaft) nun auch die Verantwortung dafür trägt, was dort geschieht".

Nachdem fast alle Häuser im westlichen Sektor von Barrio Revolución in Flammen standen, konnten endlich die zwölf Angestellten des Minenunternehmens, die sich der Zerstörung der Häuser widmeten, gestoppt werden. Während sich die Hitze des Feuers ausdehnte, durchkämmten etwas 60 Armeeangehörige die Felder und den nahe gelegenen Wald. Cesar Bora von der Indigenen- und BäuerInnenkoordination VGCONICNF beschreibt das Vorgehen "ähnlich der Situationen, wie wir sie aus der Zeit des bewaffneten Konflikts kennen".

Endlich verlas Staatsanwalt Andrade Escobar auch seinen Räumungsbefehl. Er ordnete an, dass die BewohnerInnen von Barrio Revolución ihre Häuser jetzt abbrechen sollten, falls sie nicht bereits niedergebrannt waren.

Entwicklung bringt Vertreibung

Das in Brand setzen der Häuser war illegal und eine Machtdemonstration seitens des Minenunternehmens. Nachdem er den Räumungsbefehl verlesen hatte, verlies Andrade Escobar sofort den Ort des Geschehens, um sich an die vierte Räumung, in Barrio La Paz, zu machen. Nach dem Desaster in Barrio Revolución erschien die Räumung von Barrio La Paz fast friedlich, obwohl die legale Basis dafür sehr fraglich ist.

Hunderte von Familien wurden im Verlauf von 48 Stunden obdachlos, weitere Räumungen sind für die nächsten Tage geplant. Unter Polizeiaufsicht räumten die Familien von Barrio Revolución und Barrio La Paz die Überreste von dem, was einst ihre Häuser waren, zusammen und retteten, was zu retten war. Im Verlaufe des Nachmittags begann es zu regnen, doch die Leute hatten keinen Ort, wo sie hingehen und sich unterstellen konnten.

Ihre Zukunft ist unsicher. Noch trauern sie dem Verlust ihrer Habseligkeiten und Häuser nach, doch der Wunsch, auf diesem Land zu leben, besteht weiterhin. Solange das Minenunternehmen und der guatemaltekische Staat ihre Strategien nicht radikal ändern, oder die kanadische Regierung Einfluss auf das Schalten und Walten von Skye Resources in Guatemala nimmt, wird sich dieser verzweifelte Konflikt verschärfen.


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