Wiederaufnahme des Plan Puebla Panamá
Fijáte 384 vom 02. Mai 2007, Artikel 1, Seite 1
Original-PDF 384 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Wiederaufnahme des Plan Puebla Panamá
Bei einem Treffen am 9. und 10. April in Campeche, Mexiko, beschlossen die Regierungen der neun, am Plan Puebla Panamá (PPP) beteiligten Länder, ihre Zusammenarbeit zu verbessern und gewisse Projekte zu revidieren. Soziale Gruppierungen der mittelamerikanischen Zivilgesellschaft kritisieren die Initiative nach wie vor und sehen in ihr einen Vorwand, um die Infrastrukturprojekte im südlichen Teil Mexikos voranzutreiben und nach Zentralamerika auszuweiten, ohne dabei menschenrechtliche Grundsätze einzuhalten, geschweige denn die spezifischen Rechte der indigenen Bevölkerung. Einige soziale Organisationen in Mexiko und Guatemala gehen noch einen Schritt weiter und beschuldigen ihre Regierungen, den Kampf gegen das organisierte Verbrechen als Vorwand zu nutzen, um die Repression gegen die ländlichen Gemeinden zu verstärken, die sich gegen die Investoren und die Megaprojekte des PPP wehren. Wir fassen zwei Artikel aus Inforpress Centroamericana 1699 und 1700 zusammen. Bei ihrem Treffen in Campeche gaben die Präsidenten von Belize, Kolumbien, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko und Panama sowie der Vizepräsident von Nicaragua zu, dass trotz der grossen Erwartungen, die der PPP bei seiner Lancierung im Jahr 2001 geweckt hatte, die bisherigen Fortschritte im Bereich der länderübergreifenden Infrastruktur wie Strassen, elektrische und Energiesysteme sowie der menschlichen Entwicklung begrenzt sind. Entsprechend unterzeichneten sie nun ein neun Punkte umfassendes Dokument, in dem sie sich verpflichten und gegenseitig versprechen, eine neue Dynamik in das überregionale Projekt zu bringen. Gemäss einer Presseerklärung der Mexikanischen Allianz für die Selbstbestimmung der Völker (AMAP) vom 10. April, bedeutet die Wiederaufnahme des PPP "eine Strategieänderung im vermeintlichen regionalen Entwicklungsplans, der die Geschäfte im Hochtechnologiebereich und die Investitionen des Ölunternehmens Grupo Carso absichern will, ebenso wie die Energieprojekte von transnationalen Wirtschaftsgruppen wie IBERDROLA, die in Komplizenschaft mit der Weltbank agiert. Dazu werden neue Militarisierungs- und Repressionsmechanismen gegen die Zivilbevölkerung entwickelt". Die mexikanische Grupo Carso und IBERDROLA aus Spanien sind die grössten in den PPP involvierten Unternehmen. Andere wichtige Investoren sind: Exxon, Shell, Wal-Mart, Bimbo, ICA, TELMEX, GAMESA, Repsol, Dundee Securite, CEMEX, ENDESA, AEOLIA und die Bank von Japan. Der PPP wurde im Jahr 2001 ins Leben gerufen auf Initiative des damaligen mexikanischen Präsidenten Vicente Fox, mit dem Ziel, koordinierte Infrastrukturerweiterung in der Region zu planen und umzusetzen. Alle unterzeichnenden Staaten übernahmen den Plan als Teil ihrer "Staatspolitik", was ihm eine gewisse Permanenz und politische Verankerung garantierte. Zwischen 2003 und 2006 wurden insgesamt 4,5 Mrd. US-$ in 33 Projekte investiert, was ein Drittel des ursprünglich geplanten Volumens ist. Wirkliche Erfolge wurden aber auf dem Treffen in Campeche nicht präsentiert, in den meisten Fällen blieb es bisher bei Machbarkeitsstudien. Ebenso wie verschiedene andere soziale Organisationen hat AMAP schon früher erklärt, dass der PPP alles andere als ein Entwicklungsplan sei, sondern ein Geschäftsplan, der die Souveränität der beteiligten Länder untergrabe, da die jeweiligen Regierungen den transnationalen Unternehmen sämtliche Unterstützung garantierten, damit diese ihre teuren und die Umwelt schädigenden Projekte realisieren könnten. Mit dem PPP sollen die Bedingungen geschaffen werden, um die privaten Investitionen in den Bau von Infrastruktur (Schnellstrassen, Schiffs- und Flughäfen, Güterzüge und Stauseen zur Stromgewinnung) zu fördern und um den Transport und den Export von Waren, in erster Linie in die Vereinigten Staaten, zu begünstigen. Nebeneffekte sind der Ausbau von in der Nähe dieser Infrastruktur gelegenen Freihandelszonen, Monokulturen und grossen Tourismuskomplexen. Das von Mexiko mit den USA und Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen NAFTA und das zentralamerikanische Pendant CAFCA legen mit ihren entsprechenden Paragraphen die rechtliche Basis dafür. Aber, wie es in der Presseerklärung von AMAP heisst, "gibt es keinen Paragraphen, der festlegt, dass die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerungen eingehalten werden müssen". Als Beweis dafür, dass die Megaprojekte keine Entwicklung in die indigenen und bäuerlichen Gemeinden bringen, nennt die AMAP die in den letzten Jahren zunehmende Migration der jungen mexikanischen Bevölkerung, die Arbeit in den USA sucht. Jährlich sind es etwa eine halbe Million Menschen, die sich von Mexiko aus in den Norden begeben. Die Situation ist ganz ähnlich in Zentralamerika, speziell in Guatemala, Honduras und El Salvador. Im letztgenannten Land ist bereits etwa ein Drittel der Bevölkerung in die USA ausgewandert. In diesem Sinne, versichert AMAP, "gehorcht die territoriale Neuordnung einzig und allein der Notwendigkeit, eine neue Industrie- und Wirtschaftszone zu erschliessen, so wie es die Logik der Globalisierung fordert. Produktion für den Export und, in Folge davon, Zerstörung der regionalen und nationalen Märkte". AMAP fordert deshalb die sofortige Annullierung des PPP. Laut Carlos Fazio vom Zentrum für Menschenrechte von Tapeyac, Mexiko, hat der langsame Fortschritt bei der Umsetzung des PPP einen Funktionär der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) zu der Äusserung verleitet, der PPP sei "etwas Irreales", das trotz verschiedener Präsidentenwechsel seit seiner Unterzeichnung nicht vorankam. Anlässlich seiner ersten Zentralamerika-Reise als gewählter Präsident von Mexiko, verkündete Felipe Calderón im Oktober 2006 den "Relaunch" des PPP. Er meinte, die regionale Entwicklung brauche einen "kohärenten, langfristigen Plan", der "vitale Projekte" in den Bereichen Energie und Infrastruktur enthalte. Sich auf die Aussagen Calderóns und des BID-Funktionärs beziehend erklärt Fazio, der Plan sei überhaupt nichts Irreales, und Calderón brauche auch gar nichts wiederzubeleben. Es laufe alles nach Plan. Als Reaktion auf die Mobilisierungen der BürgerInnenorganisationen seit 2003 und auf Anraten der BID hätten nämlich die Regierungen die Strategie des Versteckens gewählt, das heisst, sie trieben den PPP hinter dem Rücken der Öffentlichkeit voran. Diese Strategie schien zu funktionieren, denn viele WissenschaftlerInnen und Medien sprachen davon, dass der PPP gestorben sei. Doch er schritt leise und unsichtbar voran. Nach oben |
"Der Plan ist Teil des US-amerikanischen geostrategischen Vormarsches auf unserem Kontinent, um Japan und den industrialisierten Ländern Europas die Stirn zu bieten. Dabei werden multinationale Konsortien und die lokale Oligarchie eingebunden. Davon ausgehend, dass die Region reich an Öl und Naturgas, an Wasser, Pflanzen und Mineralen ist und sich ausserdem für die Energiegewinnung eignet, verfolgt der Plan eine neokoloniale Schiene, die darauf abzielt, die Naturreserven und die billige Arbeitskraft auszubeuten", erklärt Fazio. Ausser der Propaganda von Entwicklung und Arbeitsplatzbeschaffung finden sich in den Dokumenten des PPP fünf Schlüsselbegriffe: Handel, Investition, Privatsektor und Wettbewerbsfähigkeit. Bis heute haben die Bevölkerungen im Süden und Südwesten Mexikos am meisten Erfolg gehabt in ihrem Protest gegen den PPP und seine Megaprojekte. Durch verschiedene Formen des Widerstands haben diese Gemeinden verhindern können, dass ganze Dörfer verschwunden sind. Von ihrem Beispiel können viele andere lernen. Eine andere fruchtbare Quelle gegen-hegemonialer Ideen war der Kontinentale Gipfel der indigenen Völker und Nationalitäten von Abya Yala, der vor kurzem in Guatemala stattgefunden hat. Unter dem Motto "Vom Widerstand zur Macht" verabschiedeten die Teilnehmenden verschiedenen Punkte "für ein gutes Leben der indigenen Völker". Es wurde von den internationalen Finanzinstituten und den Regierungen der Rückzug aus einer Politik verlangt, die auf der Konzessionierung von Minen, Wäldern, Wasser etc. auf indigenen Territorien basiert. Und es wurde die Intoleranz der Regierungen verurteilt, die Rechte der indigenen Völker nicht zu achten und den Artikel 169 der ILO nicht anzuwenden. Genau auf diesen Artikel haben sich die Gemeinden im Ixcán, Guatemala, am 20. April berufen, um mit einer Volksabstimmung das Megaprojekt des Stausees Xalalá und die Ausbeutung von Ölquellen abzulehnen (siehe separater Artikel). Das Beispiel Franja Transversal del NorteAuch die Region der Franja Transversal del Norte (FTN), die die Departements Huehuetenango, Quiché, Alta Verapaz, Izabal und den Süden des Petén durchzieht, ist durch die Durchsetzung der Projekte im Rahmen des PPP bedroht. Am Beispiel der FTN lässt sich die oben ausgeführte These von Carlos Fazio bestens illustrieren: Vor kurzem bekam das extra zu diesem Zweck gegründete Unternehmen Solel Boneh FTN, zu dem sich guatemaltekische und ausländische Firmen zusammengeschlossen haben und das sich als einziges für das Projekt beworben hatte, den Zuschlag für die Asphaltierung und den Ausbau der FTN. Die 363 km lange Strasse, die von Modesto Méndez, Livingston, nach Nentón, Huehuetenango führen wird, soll innerhalb von drei Jahren gebaut werden. Danach verpflichtet sich Solel Boneh FTN während weiteren zehn Jahren für die Unterhaltspflege. Dafür bekommt sie nach Abschluss der Bauarbeiten vom guatemaltekischen Staat während maximal 30 Jahren die Summe von jährlich ca. 20 Mio. US-$, insgesamt also rund 600 Mio. US-$. Die guatemaltekische Regierung verpflichtet sich ausserdem, die Kosten für die "Erlangung der Wegerechte" zu übernehmen. Diese (realen und politischen) Kosten können je nach dem Widerstand der betroffenen Bevölkerung sehr hoch werden, vorsorglich spricht der Vertrag denn auch von "Zwangsenteignungen", falls es keine gütlichen Regelungen über die Landabgaben geben sollte. Am meisten von der FTN profitieren werden die lokalen und internationalen Investoren, die in der Region Ölförderung, Stauseen, Zuckerrohr- oder Afrikanische Palmenplantagen betreiben. In diverse dieser Projekte sind Familienangehörige des aktuellen Präsidenten involviert. Solel Boneh ist eine Tochterfirma der Housing & Construction Holding Co. Ltd., dem grössten israelischen Unternehmen für Strassen- und Hausbau. Die seit über 25 Jahren in Guatemala arbeitende Solel Boneh International ist eines der Unternehmen, die im Laufe der Geschichte am meisten private und öffentliche Bauaufträge ausführen konnte. Seit der Regierungszeit von General Lucas García bekam Solel Boneh International von jeder nachfolgenden Regierung millionenschwere Aufträge. Der Beginn der Tätigkeit des Unternehmens in Guatemala kann durchaus im Zusammenhang mit der von Israel stark unterstützten Aufstandsbekämpfung gesehen werden: Während des Krieges waren diejenigen Strassen am besten ausgebaut, die zu den strategisch wichtigen Militärkasernen führten. Das Unternehmen hat auch rund ein Drittel der Aufträge ausgeführt, die im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan Stan im Oktober 2005 vergeben wurden. Mit dem Ausschreibungsverfahren und der späteren Administration des Projekts ist die US-amerikanische Firma Luis Berger Group beauftragt, eine der vier weltweit grössten Baufirmen, aktuell führend involviert in den Wiederaufbau im Irak. Wer genau die rund 20 Unternehmen sind, die dem Konsortium Solel Boneh FTN angehören, ist unklar, Gerüchten zufolge soll u.a. das Anwaltsbüro des Schwiegervaters von Präsident Berger dazugehören, das zugleich der legale Vertreter der Ölfirma Petrolatina Energy und der Guatemaltekischen Nickelkompanie (CGN) ist, die beide in der Franja Transversal de Norte operieren. Der Vertrag mit Solel Boneh International wurde zwar bereits ausgestellt, er muss aber vom guatemaltekischen Kongress noch bestätigt werden, was auf Ende April/Anfang Mai erwartet wird. Da es sich um ein hochpolitisches Thema handelt, wird eine hitzige Debatte erwartet. Es kann sein, dass wahlpolitische und wirtschaftliche Interessen das Inkrafttreten des Vertrags verzögern werden oder ihn gar kippen. Soziale Organisationen in Guatemala kritisieren, dass der Auftrag an das einzige sich darum bewerbende Unternehmen vergeben wurde und verlangen eine neue Ausschreibung. |
Original-PDF 384 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte