Wal-Mart: Global Supermarket in Zentralamerika
Fijáte 412 vom 18. Juni 2008, Artikel 1, Seite 1
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Wal-Mart: Global Supermarket in Zentralamerika
Der Einmarsch des US-amerikanischen transnationalen Warenhausgiganten Wal-Mart in Zentralamerika verändert den Einzelhandelsmarkt der Region radikal. Wal-Mart, ein Unternehmen mit weltweiten Einnahmen in Milliardenhöhe, hält aktuell 51% der Aktien eines Konglomerats, das in Zentralamerika 460 Einkaufszentren besitzt - Expansion vorgesehen. Dies bedeutet das Ende für lokale Einkaufsketten, die oft im Familienbesitz sind. Es kann aber auch eine Chance sein für einen Zusammenschluss des zentralamerikanischen Einzelhandels mit dem Ziel, ein Gegengewicht zu dem Marktriesen zu bilden. Seit Wal-Mart im Jahr 2005 in die Region vorgestossen ist, bietet er eine Reihe von sogenannten "win-win"-Allianzen mit den kleineren und mittleren ProduzentInnen an. Zweifellos zeigt die Erfahrung, dass es auch bei diesen Allianzen VerliererInnen gibt, und dies sind einmal mehr die kleinen ProduzentInnen. Der nachfolgende Artikel erschien am 16. Mai 2008 in der Nr. 1752 von Inforpress Centroamericana. Im November 2005 setzte Wal-Mart zum ersten Mal seinen Fuss in die Region und kaufte 33% der Aktien der Central American Retail Holding Company (CARHCO), einer Aktiengesellschaft des Unternehmens La Fragua, Guatemala, und der Vereinigung der Supermärkte von Costa Rica. Verkauft wurden die Aktien von der holländischen Korporation Albert Heijn Holdings (ROYAL AHOLD). Deren Direktoren mussten wegen Korruptionsverdachts zurücktreten und einen Teil der Unternehmen verkaufen. Wal-Mart kaufte den grössten Teil der AHOLD-Aktien in Zentralamerika zu niedrigen Preisen auf. Im Februar 2006 schlug Wal-Mart noch einmal zu, kaufte weitere 17,7% der CARHCO-Aktien und besass somit einen Mehrheitsanteil von insgesamt 51%. Mit diesem Kauf wechselte das Konglomerat CARHCO, das in Zentralamerika einen jährlichen Gesamtumsatz von 2 Milliarden US-$ verbucht, seinen Namen und heisst seither Wal-Mart Centroamericana. Seit Wal-Mart den zentralamerikanischen Markt betreten hat, steigert es seine Präsenz. Im Januar 2007 kündigte das Unternehmen eine Investition von 13 Mio. US-$ an, um in verschiedenen Ländern 10 neue Filialen zu eröffnen. Einen Monat später verkündete es, allein in Costa Rica 14 neue Läden zu eröffnen und dazu 49 Mio. US-$ aufzuwenden. Mittelfristig will Wal-Mart auch nach Panama expandieren. Wal-Mart ist zweifellos der König unter den Supermärkten. Der US-amerikanische Gigant beschäftigt weltweit rund 1,7 Mio. Angestellte und beansprucht 9% des US-amerikanischen Einzelhandels für sich. Laut Berechnungen kaufen wöchentlich rund 70 Mio. Personen bei Wal-Mart ein und 20 Mio. Menschen besuchen täglich seine Einkaufszentren. Auf der Liste von Fortune 500, einer jährlich erscheinenden Liste der 500 umsatzstärksten, fast ausschließlich börsennotierten Unternehmen der Welt, findet man Wal-Mart als das grösste US-amerikanische Unternehmen, noch vor Exxon Mobil und General Motors. Im Jahr 2006 erreichten die weltweiten Einnahmen von Wal-Mart 312,4 Milliarden US-$. In einem Interview mit Inforpress sagte Alvaro Calderón, Wirtschaftsexperte der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL: "Wal-Mart ist das weltweit grösste Unternehmen im Einzelhandel. Der Aufkauf der CARHCO-Aktien bedeutet eine wichtige Veränderung der Marktstrukturen in den zentralamerikanischen Ländern. Bisher dominierten regionale Warenhaus-Ketten den Markt, die meist im Besitz lokaler Familien waren. Heute bestimmt Wal-Mart die Marktbedingungen. Wer überleben will, muss sich diesem extrem grossen und mächtigen Unternehmen anpassen." Weltweit umsatzstärkste Supermärkte (2006)
Niedrige Preise zu hohen KostenDer Erfolg von Wal-Mart wird verschiedenen Faktoren zugeschrieben. Dazu gehört die effiziente Organisationsstruktur, ein hoher Grad an Dezentralisierung, eine effiziente Produktions- und Verteilungsorganisation und die "Philosophie der tiefen Preise". Natürlich wird Wal-Mart von kritischen Stimmen vorgeworfen, dass das Unternehmen die Angestellten ausbeutet, die Konkurrenz zerstört und die kleinen ProduzentInnen aussaugt - und nur somit die niedrigen Preise für die Kundschaft ermöglicht. Ein Bericht von Human Rights Watch von Mai 2007 beschuldigt Wal-Mart antigewerkschaftlicher Praxen. Personen, die sich gewerkschaftlich organisieren, würden belästigt oder entlassen, es würden keine Überstunden ausbezahlt und keine Sozialversicherung für die gewerkschaftlich organisierten Angestellten abgeschlossen. In Mexiko haben zwei Drittel der 9000 Jugendlichen, die als EinpackerInnen bei Wal-Mart arbeiten, keinen Arbeitsvertrag und bekommen keinen Lohn, sondern leben vom Trinkgeld der KundInnen, für die sie die Einkäufe in Tüten einpacken. Trotzdem müssen sie die Arbeitszeiten einhalten wie "normale" Angestellte und werden sanktioniert, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Gemäss der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ist dies ein klarer Fall von Kinderarbeit. 70% der Produkte im Wal-Mart-Sortiment stammen aus China. Diese Auslagerung der Produktion hat eine starke Arbeitslosigkeit in den USA zur Folge. Seit den 90er-Jahren haben dort über eine Million Menschen ihre Arbeit verloren wegen zunehmender Produktionsverlagerung nach China. Wal-Mart verkauft 10% der gesamten in China für den Export produzierten Waren. Wal-Mart wird auch beschuldigt, lokales Gewerbe wie Apotheken oder Kleiderläden zu verdrängen oder aufzukaufen und dann zu schliessen. Dies zwingt die KonsumentInnen mangels Alternative, ihre Einkäufe beim Giganten zu tätigen. Nach oben |
Wenn Wal-Mart ein unabhängiges Land wäre, würde es Platz Nr. 19 der 100 stärksten Ökonomien des Planeten einnehmen. Wegen seiner wirtschaftlichen aber auch politischen Macht in den Ländern, wo er angesiedelt ist, wird der Gigant gerne auch als "Unternehmens-Nation" bezeichnet. So wurden Wal-Mart sowie andere transnationale Unternehmen beschuldigt, im Jahr 2006 in ihren Einkaufszentren Wahlpropaganda gegen den damaligen mexikanischen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador zu betreiben. Um dem schlechten Ruf in Lateinamerika etwas entgegenzusetzen, bietet Wal-Mart Programme für kleine und mittlere Unternehmen an wie z.B. "Una mano para crecer" ("Eine Handreichung für Wachstum"). Dieses Programm richtet sich an Unternehmen oder Fabriken, die einen jährlichen Umsatz von 100'000 bis 600'000 US-$ verzeichnen und nicht mehr als 100 Angestellte beschäftigen. Eine weitere Bedingung ist, dass das Unternehmen als Familienbetrieb organisiert ist. Bisher gibt es leider noch keine Untersuchungen über die Wirkung solcher Programme. Die einzige Arbeit zu diesem Thema ist "Wal-Mart und die bäuerliche Landwirtschaftsproduktion in Guatemala. Eine Annäherung" von Juan Pablo Ozaeta von der Koordination der NGOs und Kooperativen CONGCOOP. Das Dokument wurde 2007 im Auftrag von Action Aid Guatemala erstellt, ist bisher aber noch nicht publiziert worden. Gemäss der Untersuchung von Ozaeta besitzt Wal-Mart in Zentralamerika verschiedene Lagerhallen mit dem Namen "Horti-Fruti", wo Gemüse und Früchte aufgekauft, gelagert und verteilt werden. In Guatemala liefern rund 1000 BäuerInnen (gemäss Statistik sind dies 0,11% aller landwirtschaftlichen ProduzentInnen) ihre Ernte in diese "Horti-Frutis". Wal-Mart preist dieses "Programm" unter dem Namen "tierra fértil" (fruchtbares Land) an und verkauft es als ein "win-win"-Projekt: Die ProduzentInnen hätten eine Abnahmegarantie und Wal-Mart verringere seine Kosten, da direkt beim Produzenten eingekauft werde und die Kosten des Zwischenhandels wegfallen. Die Untersuchung von CONGOOP kommt zu dem Schluss, dass auch bei diesem Geschäft die eine Seite mehr verdient - und zwar nicht die ProduzentInnen. Ausserdem müsse man sehr genau das Kleingedruckte der Abnahmeverträge lesen. Beim Programm "tierra fértil" z.B. wird den BäuerInnen technische Unterstützung angeboten, die sie jedoch nach Stundenaufwand zu bezahlen haben. Beim Programm "Una mano para crecer" wiederum müsse ein Produkt während 45 Tagen mehr als 20% des Umsatzes der führenden Marke desselben Produkts erreichen, um ins Sortiment von Wal-Mart aufgenommen zu werden. Zu den Bedingungen, um in diese "win-win"-Programme aufgenommen zu werden, gehört auch, dass die ProduzentInnen eine Besitzurkunde für das Land vorweisen können, auf dem sie produzieren. Ozaeta weist darauf hin, dass es gerade im Fall von Guatemala, wo es kein Landkataster und oft keine juristische Absicherung über den Landbesitz gibt, sehr schwierig ist, diese Bedingung zu erfüllen. Preiskrieg in Sicht?Fachleute sind sich einig, dass die von Wal-Mart an die kleinen und mittleren Unternehmen gerichteten Programme nicht nachhaltig sind. Eugenio Incer von der Vereinigung für Sozialwissenschaften in Guatemala (AVANCSO) meint dazu: "Die transnationalen Unternehmen haben durch die Freihandelsabkommen die Möglichkeit, mit den kleinen und mittleren ProduzentInnen direkte Verträge abzuschliessen. Ich glaube aber nicht, dass sich diese Praxis bewährt, denn die geographischen und infrastrukturellen Bedingungen in unserem Land sind sehr unterschiedlich. Im Hochland zum Beispiel sind die Transportwege viel schlechter als im Flachland. Wer von solchen Kontrakten profitieren kann, sind vielleicht die Gemüse-ProduzentInnen in Chimaltenango und an der Südküste." Gemäss Incer sind die Zulieferer von Wal-Mart spezialisiert auf Monokulturen, was risikoreich ist im Falle von Preisschwankungen, weil sie keine Alternativprodukte anzubieten haben. Laut Fernando Solis, Wirtschaftsexperte vom Institut für strategische Studien für die Demokratie (IDE), stehen die ProduzentInnen vor der Entscheidung, entweder Kooperativen zu gründen oder einzugehen. "Diese Art von Grosshandel treibt die kleinen ProduzentInnen in den Ruin. Diese Einkaufsketten kaufen nicht beim einzelnen Bauern oder der einzelnen Bäuerin, sondern bei ProduzentInnen, die sich zusammengeschlossen haben." Solis sieht darin eine mögliche institutionelle Stärkung der ProduzentInnen, was durchaus ein positiver Effekt sein kann. Am schlimmsten für die kleinen ProduzentInnen wäre es, wenn ein sogenannter Preiskrieg ausbrechen würde zwischen verschiedenen Supermarkt-Giganten. Dies würde unweigerlich zu einem Preisdruck bzw. einem geringeren Erlös für die ProduzentInnen führen. Ein Phänomen, das in allen Ländern zu beobachten ist, wo Wal-Mart präsent ist. Alvaro Calderón von CEPAL sieht voraus, dass die Expansion von Wal-Mart einen Konsolidierungsprozess zur Folge hat. Solis stimmt ihm zu: "Es wird ein Preiskrieg ausbrechen, und die kleineren Supermarkt-Ketten werden sich zusammenschliessen unter dem Motto: Alle gegen Wal-Mart." Tatsächlich wurde am vergangenen 12. Mai die Gründung der Allianz der Supermärkte Zentralamerikas und Panamas SUCAP bekanntgegeben. Der Allianz gehören 16 Supermarktketten in Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Guatemala, El Salvador und Panama mit insgesamt 279 Supermärkten an. Somit ist der Wettbewerb aufgeteilt zwischen SUCAP und Wal-Mart Centroamericana. Ob es infolge dieser Polarisierung tatsächlich zu einem Preiskrieg kommt und welches die Auswirkungen auf die kleinen ProduzentInnen sind, bleibt abzuwarten. |
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