Kinderarbeit schafft neue Kommission
Fijáte 412 vom 18. Juni 2008, Artikel 6, Seite 5
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Kinderarbeit schafft neue Kommission
Guatemala, 13. Juni. Die Bildungsministerin Ana Ordóñez de Molina gab Anfang des Monats das aktuelle Panorama des Bildungssektors bekannt, das sie sich seit Amtsantritt verschafft hat. Und das manchen von ihrer Vorgängerin Aceña proklamierten Erfolgen den Boden entzieht. So fasst Ordóñez die Situation in knappe, aber klare Worte: geringer Schulbesuch, unzureichende Infrastruktur der öffentlichen Bildungseinrichtungen und eine ausgeprägte Armut, die das Umfeld der SchülerInnen der Grund- und weiterführenden Schule beeinträchtigt. Fast 1,2 Mio. Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 Jahren gehen nicht in die Schule, obwohl offiziell von einer Kapazitätsauslastung von 96% die Rede ist. "Das ist eine hohe Zahl", so die Bildungsministerin, "aber aufgrund der schlechten Bildungsqualität und der hohen internen Ineffizienz beläuft sich die Abschlussrate auf 39%. Da kann man nicht von Auslastung oder Abdeckung sprechen. Die Herausforderung besteht darin, dass das Kind in der ersten Klasse anfängt und mindestens 13 Jahre Schulunterricht erhält. Eine weitere Problematik zeigt Ordóñez in Bezug auf das Alter der SchülerInnen in den verschiedenen Schulniveaus auf. So sind 600´000 Kinder in der Grundschule eigentlich zu alt für die derzeit besuchte Klasse, mehr als die Hälfte müsste gemäss ihres Alters bereits in der weiterführenden Schule sein, 135´000 SchülerInnen der Mittelstufe müssten in der Oberstufe sein und 76´000 von denen in der Oberstufe - an der ohnehin nur noch wenige der Gesamtschulbevölkerung teilnehmen - müssten längst ihren Abschluss in der Tasche haben. Diese Statistiken spiegeln die Situation von Armut und extremer Armut der ländlichen Bevölkerung wider, analysiert die Ministerin. Und diese ist Ursache dafür, dass in der Bevölkerung im so genannten Reproduktionsalter (zwischen 22 und 37 Jahren) zwischen 14 und 23% Analphabetismus herrscht. Jetzt will Ordóñez eine Grossoffensive starten und im Juli 15´000 unbefristete LehrerInnenstellen ausschreiben sowie einen Weiterbildungsprozess für die Eltern in "Prinzipien und Werten" anstossen. Ausserdem habe man schon eine Reihe von Treffen mit den BürgermeisterInnen initiiert, damit diese den departementalen BildungsdirektorInnen die lokalen Erziehungspläne übergeben mit dem Ziel, dass die je lokalen Bedürfnisse und Forderungen in den Haushaltsplan des nächsten Jahres eingehen. Anlässlich des Internationalen Tags gegen Kinderarbeit am 12. Juni werden auch in Bezug auf dieses Phänomen aktuelle Zahlen genannt. Demnach werden landesweit rund 1 Mio. Kinder und Jugendliche in Arbeitsverhältnissen gezählt. Die meisten davon in den Departements Alta Verapaz, Huehuetenango und Quiché. Nach oben |
William Mazariegos von Save the Children Guatemala zufolge "ist diese staatliche Nachlässigkeit gegenüber der Kindheit und Jugend des Landes historisch zu nennen", ist doch allgemein bekannt, dass arbeitende Kinder oft in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung eingeschränkt werden und sich ihre Arbeitssituation direkt negativ auf ihren Bildungsstand auswirkt. Und wieder einmal fühlt sich die Regierung auf den Plan gerufen und kündigt mittels des Vize-Arbeitsministers Noé Boror die Schaffung der Nationalen Kommission für die Prävention und Ausradierung von Kinderarbeit an, und sogleich werden dann auch die entsprechenden Dependancen in den Departements eröffnet. Vizepräsident Rafael Espada wird dieser Kommission vorstehen, dazu gehören werden die Ministerien für Bildung, Landwirtschaft, Kultur und Sport sowie Gesundheit. Trotz der bereits seit einiger Zeit immer wieder durchgeführten Studien von Nicht-Regierungsorganisationen zum Thema Kinderarbeit in Guatemala, wird jene Kommission jetzt erst einmal einen Befund erheben, "um die wirkliche und aktuelle Situation der Kinder zu beobachten, die arbeiten". "Und dann werden wir die entsprechenden Entscheidungen treffen", versichert Boror. Mit dieser Ansage weckt er aber doch eher den Verdacht, dass es sich bei dem neuen Vorhaben der Regierung einmal mehr um einen konjunkturellen Spontanentschluss mit der Option handelt, noch mehr Stellen für Regierungsaffine Personen zu schaffen, denn um ein durchdachtes Konzept, dem eine langfristige Strategie zu Grunde liegt und die Teil der tatsächlichen Regierungspolitik ist. Beispielsweise ist von dem für gewöhnlich im Zusammenhang mit sozialen Vorhaben auf dem Land und der Armutsbekämpfung an erster Stelle genannten Kohäsionsrat von Präsidentengattin Sandra Torres de Colom überhaupt keine Rede, obwohl dieselben Ministerien beteiligt zu sein scheinen. |
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