Das Gesetz gegen Femizid und der Mord an Frauen
Fijáte 410 vom 21. Mai 2008, Artikel 4, Seite 5
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Das Gesetz gegen Femizid und der Mord an Frauen
Guatemala, 15. Mai. Nach einem letztendlich kurzen Monat der Diskussion und anschliessender Verabschiedung im Kongress und einem weiteren Monat bis zur präsidialen Bestätigung, wurde am 7. Mai das Gesetz gegen den Femizid und andere Formen der Gewalt gegen Frauen in der Regierungsgazette veröffentlich und ist nunmehr gültig. In den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass der Staat sich dazu verpflichtet hat angemessene Massnahmen zu ergreifen, um alle Gesetze, Verordnungen, Gewohnheiten und Praktiken zu modifizieren oder ausser Kraft zu setzen, die eine Diskriminierung der Frau beinhalten. Im Einführungsteil des Gesetzestextes heisst es, dass sich das Problem der Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen, Mädchen und Heranwachsende mit Morden und der herrschenden Straflosigkeit verschärft habe, was aus den ungleichen Machtbeziehungen zwischen Männern und Frauen resultiere, und zwar in diversen Bereichen: dem sozialen, dem wirtschaftlichen, juristischen, politischen, kulturellen und dem familiären. Diese Tatsache mache ein Gesetz zur Prävention und Bestrafung notwendig. Mit dem Gesetz sollen Mechanismen eingeführt und gefördert werden, die zur Austilgung von körperlicher, psychologischer, sexuellen, wirtschaftlichen oder anderen Form von Gewalt gegen Frauen beitragen, um diesen ein Leben frei von Gewalt zu garantieren. Neben der Definition von Verbrechen, schreibt das Gesetz dem Staat zudem vor, spezielle Abteilungen zur Ermittlung und Rechtsprechung einzurichten, sowie Frauenhäuser zur ganzheitlichen Unterstützung derjenigen, die die erlittene Gewalt überleben. Der Staat hat seine FunktionärInnen auszubilden und zuverlässige Beratung für die Opfer anzubieten. Die mittlerweile aus dem Dienst geschiedene Leiterin des Präsidialen Sekretariats für die Frau (SEPREM), Gabriela Núñez, wies nach der Billigung im Kongress darauf hin, dass noch keine entsprechende Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes ausgearbeitet sei. Sie unterstrich zudem die Dringlichkeit und Bedeutung, einen angemessenen Etat dafür aufzustellen. Ana Gladys Ollas, die im Menschenrechtsprokurat (PDH) die Abteilung der Frauenrechte leitet, begrüsst das Gesetz unter anderem deswegen, weil es einen Konsens zwischen dem Kongress und diversen Frauenorganisationen darstellt und auf das Rahmengesetz zur Gewalt gegen Frauen gründet. Es sei an der Zeit gewesen, mit der Typifizierung bestimmter Verbrechen die bestehende Gesetzeslücke endlich zu füllen, so die Fachfrau. Lorena Robles von einer der Frauenorganisationen, die die Gesetzesverabschiedung mit Begeisterung gefeiert haben, erinnert dennoch daran, dass es in hohem Masse darauf ankommt, wie die vom Gesetz angewiesenen Institutionen und das Justizsystem letztendlich das Gesetz anwenden und ausführen. Gleichzeitig betrachtet sie es als Herausforderung für die Frauenorganisationen, die ordentliche Erfüllung der Norm einzufordern und Fälle von Korruption und Straflosigkeit anzuzeigen, die dies zu verhindern suchen. Das Gesetz stelle einen Fortschritt für den Staat dar und einen Erfolg für die Frauenbewegung, die endlich auf eine rechtlichen Grundlage bauen kann, die sie schützt. Doch, wie viele andere Gesetze in Guatemala, ist auch das vorliegende juristisch fragwürdig. So beinhaltet es einige wohl offenkundige Verfassungswidrigkeiten und rechtliche Unklarheiten, die im Moment seiner Umsetzung möglichweise kontraproduktive Konsequenzen zeitigen können. Nach oben |
Das Institut der Strafpflichtverteidigung betreute im letzten Jahr 22.737 Frauen, die irgendeine Art von Aggression von männlicher Seite erfahren haben, in ihrer Mehrheit waren es die Partner oder Familienangehörigen. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage wurden jedoch nur 1,8% der Fälle von Gerichtsseite als kriminelles Verhalten eingestuft. Die aktuellste Studie des Femizids in Guatemala wurde vom Institut für vergleichende Strafwissenschaften (IECCP) durchgeführt und legt konkrete Zahlen vor. Deren Leiterin, Claudia Paz y Paz, bestätigt, die Daten hätten sich seit dem Untersuchungszeitraum im Jahr 2005 nicht wesentlich verändert. Die Analyse bezieht 215 Fälle von Sexualübergriffen ein. 168 der betroffenen Personen kannten demnach den Täter, das sind 78%. Von diesen wiederum wurden 58,3% von ihren Partnern, Vätern, Stiefvätern, Brüdern oder Onkeln attackiert. Ein anderes erschreckendes Phänomen zeigen die Statistiken und Erfahrungen des Guatemaltekischen Verbandes der Ärztinnen (AGMM). Dieses Gremium hat folgenden Vergleich angestellt: In den letzten sechs Jahren wurde von allen praktizierenden ÄrztInnen 52 Vergewaltigungen gemeldet. Demgegenüber hat die Staatsanwaltschaft im selben Zeitraum 10´700 Vergewaltigungen registriert. Nicht alle Opfer kämen zu einem Arzt oder einer Ärztin, gibt der ehemalige Chef der forensischen ÄrztInnen der Staatsanwaltschaft zu. "Der Arzt ist verpflichtet, Anzeige zu erstatten, aber er macht es nicht. Er zieht es vor, das Bussgeld wegen entsprechender Unterlassung zu zahlen, weil er befürchtet, in den Fall mit hineingezogen zu werden", sagt er. Angestellte und FunktionärInnen des öffentlichen Dienstes können für unterlassene Anzeigenerstattung mit Haftstrafen zwischen 6 Monaten und 2 Jahren belangt werden, die Bussen liegen zwischen 500 und 5´000 Quetzales, detailliert die Anwältin Hilda Morales, eine derer, die das Gesetz eingefordert und vor allem fachlich mitgestaltet hat. Rosana Cifuentes von der AGMM, die mit Vergewaltigungsopfern gearbeitet hat, berichtet von einer Frau, die nach einer Vergewaltigung zusammengeschlagen worden ist. Der behandelnde Arzt notierte bei seiner Diagnose lediglich "Schädelhirntrauma". "Wir kennen andere Fälle von Frauen, die verblutet sind beim Warten auf einen forensischen Arzt, weil die MedizinerInnen in den Notaufnahmen sich damit herausredeten, es handle sich um einen medizinisch-rechtlichen Fall", schildert Cifuentes. In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat die Stiftung Sobrevivientes ("Überlebende") 162 Morde an Frauen registriert. Just der März - am 8. ist der Internationale Tag der Frau - ist mit 46 ermordeten Frauen der gewalttätigste gewesen. |
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