Die Adoptionsmachenschaften gehen weiter
Fijáte 404 vom 20. Feb. 2008, Artikel 7, Seite 6
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Die Adoptionsmachenschaften gehen weiter
Guatemala, 15. Feb. Hatten sich die Diskussionen um das neue Adoptionsgesetz, das Ende des Jahres in Kraft getreten ist, ohnehin jahrelang hingezogen, wodurch seine Verabschiedung und somit die Regelung der Adoptionsprozesse von Kindern immer wieder behindert wurde, fand sich auch der Start des durch das Gesetz geschaffenen Nationalen Adoptionsrats (CNA) voller Hindernisse. Doch dieser Rat ist ab jetzt das Organ, das über die Bewilligung von Adoptionsanträgen entscheidet und soll dem bisherigen "Export-Geschäft" mit guatemaltekischen Kindern ein Ende setzen bzw. zur Transparenz verhelfen (vgl. ¡Fijáte! 400). Vorher oblag dem Generalprokurat (PGN) diese Aufgabe. Am 11. Januar war der Rat endlich zusammengesetzt aus je zwei Personen - einer/m Vorsitzenden und einer/m VertreterIn -, die benannt wurden vom Höchsten Gerichtshof (CSJ), vom Aussenministerium und vom Präsidialen Wohlfahrtssekretariat. Als letzter war der Anwalt Rudy Soto Ovalle seitens des CSJ nominiert worden, die Frauen- und Familienrechtlerin Hilda Morales Trujillo als seine Stellvertreterin. Die ehemalige Präsidentin des Zentrums für die Verteidigung der Verfassung (CEDECON), Anabella Morfín, ging für das Aussenministerium in den Rat, und das Wohlfahrtssekretariat wählte Marvin Rabanales von der Sozialen Bewegung für die Kindheit und als dessen Vertreter Byron Alvarado. Dabei sind die VertreterInnen ihren Entsendeinstitutionen gegenüber weder verpflichtet noch weisungsgebunden. Für vier Jahre sind sie in ihr Amt gewählt, können dann aber nicht wiedergewählt werden. Und laut Gesetz ist der Rat autonom und geniesst funktionelle, administrative und ökonomische Unabhängigkeit. Bis zum 12. Februar war eine Frist gesetzt, innerhalb welcher der Rat die ausstehenden Adoptionsakten sichten und registrieren musste, die im Laufe 2007 vom Generalprokurat in Empfang genommen worden waren. Dieses wird sich der Bearbeitung dieser Vorgänge auch noch annehmen. Die neuen Anträge von 2008 - täglich werden offenbar rund 300 eingereicht - werden dann direkt vom Adoptionsrat geprüft. Dabei hat der CNA kein eigenes Gebäude und ist zeitweilig in alten Räumen von der Kinderschutzorganisation Casa Alianza untergebracht, die aber auch bald geräumt werden müssten. Er hat weder Büroausstattung noch -material und keinen Zugriff auf die im Gesetz und Staatshaushalt berücksichtigten 10 Mio. Quetzales. Dass diese noch auf dem Konto des Sekretariats für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten (SAAS) deponiert sind, ist dadurch bedingt, dass der Rat ganz plötzlich vom neuen Präsidenten persönlich interveniert wurde: Drei Tage nach Coloms Amtsübernahme kündigte dieser an, dass die Entscheide des vorherigen Wohlfahrtssekretariats und des Aussenministeriums für nichtig erklärt worden seien. Marvin Rabanales, Byron Alvarado und Anabella Morfín würden ab jetzt durch Elizabeth Hernández de Larios sowie durch Concha Marily Barrientos de Estrada und Aura Azucena Bolaños ersetzt. Sein Argument: Die vorherigen Ratsmitglieder seien nicht Leute seines Vertrauens - zumindest von Elizabeth Hernández de Larios ist bekannt, dass sie die Ehefrau von Gabriel Larios Ochaita ist. Und dieser wiederum präsidialer Generalsekretär. Nach oben |
Zahlreiche Rechts- und VerfassungsexpertInnen kritisierten Coloms Eingreifen und wiesen auf die Autonomie des Adoptionsrates hin. Doch noch nicht einmal vor dem Höchsten Gerichtshof hatten die Geschassten mit zahlreichen Verfahrensanträgen und Beschwerden Glück. Nach 22 Tagen politisierten Rechtsdisputes schliessslich reichten die drei ihre Kündigung ein und Hilda Morales aus Solidarität gleich mit. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte letztendlich wohl ein Rekurs von 115 AnwältInnen, die sich über die verschärften Kontrollen beschwerten, die der CNA eingeführt hatte und von ihnen eine Reihe von ausführlichen Informationen über die zur Adoption stehenden Kinder eingefordert hatte. Das Zentrum für Justiz und Internationales Recht (CEJIL) und Casa Alianza sind der Ansicht, dass bislang gar 97% der Adoptionen mittels RechtshelferInnen realisiert wurden, die ohne irgendeine Kontrolle agierten. Gerade in den letzten Monaten haben sich zahlreiche Eltern und vor allem Mütter zusammengeschlossen, deren Klein(st)-kinder Opfer von Kindesraub geworden sind. Vor allem mit Hilfe der Unterstützung der Organisation Sobrevivientes ("Überlebende"), die sich hauptsächlich um die rechtliche und psychosoziale Begleitung von Familienangehörigen von ermordeten (jungen) Frauen kümmert, sind einige der entführten Kinder tatsächlich lokalisiert und befreit worden. In allen Fällen wäre ihr Schicksal eine Auslandsadoption gewesen. Angesichts dieser Erfahrung schätzt Norma Cruz, Leiterin von Sobrevivientes, dass sich unter den zu registrierenden Akten etwa 500 von entführten Kindern befinden. Der neu zusammengesetzte Adoptionsrat, in den Colom nun seine Wunschkandidatinnen hieven konnte, hat, unterstützt von 20 Freiwilligen, in Windeseile gerade noch vor Ablauf der gesetzten Frist, angeblich 3´000 Adoptionsanträge registriert und diesen damit grünes Licht für das weitere Prozedere gegeben. Die übrigen sind automatisch annulliert, und die jeweiligen AntragstellerInnen müssen von Null beginnen. Zumindest ein verdächtiger Moment, der bei der Durchsicht auffiel, geriet an die Öffentlichkeit: Manche AnwältInnen hatten zwischen 50 und 200 Anträge eingereicht. Der Hintergrund dieser Kinder, die zur Adoption freigegeben werden sollen, ist mehr als unklar. |
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