Machtverschiebungen dank Mord und Stellenvergabe
Fijáte 408 vom 23. April 2008, Artikel 6, Seite 5
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Machtverschiebungen dank Mord und Stellenvergabe
Guatemala, 18. April. Am 31. März wurde dem Regierungsberater Victor Josué Rivera Azuaje mitgeteilt, der Präsident habe seine Kündigung angeordnet. (¡Fijáte! 407) Eine Woche später, um Mitternacht auf den 8. April wurde Rivera in der Nähe seiner Wohnung erschossen. Bislang gibt es über die Tat und ihr Motiv nur Spekulationen, die Regierung hält sich mit Äusserungen zurück. Seit 1996 war der gebürtige Venezolaner mit guatemaltekischem Pass, auch bekannt als "Zacarías" oder "Frank", in Guatemala tätig. Er war Berater für Sicherheitsfragen, schliesslich angestellt vom Am Abend des 7. April hatte der 62jährige Rivera gemeinsam mit seiner jahrelang für ihn tätigen Assistentin, María del Rosario Melgar Martínez, in einem Restaurant in der als wohlhabend geltenden Zone 15 in der Hauptstadt an dem Bericht gearbeitet, der alle ausstehenden Informationen über seine ausgeführte Arbeit beinhaltete und den er am nächsten Tag der Regierung überreichen wollte. Nach 23 Uhr fuhren sie in Riveras normalen Kleinwagen auf dem Hauptboulevard "Vista Hermosa" Richtung Stadtzentrum, als sie vermutlich von zwei PKW und einem Motorrad umzingelt und von beiden Seiten unter Beschuss genommen wurden. Fünf Schüsse trafen Rivera tödlich, Melgar Martínez wurde verletzt, ist jedoch bereits nach einer direkt folgenden Operation unter schwerstem Polizeischutz in einem Sanatorium untergebracht. Die Verkehrskontrollkameras liefern wohl kein Beweismaterial über den Tathergang, Kameras von dem Tatort nahen Gebäuden werden noch untersucht. Die Regierung sagt so gut wie gar nichts zu dem Tod Riveras; nicht einE VertreterIn erschien auf dessen Beerdigung, wo sich neben den Angehörigen und zahlreichen Unternehmensfamilien, die Rivera in Entführungsfällen begleitet hatte, allein ehemalige FunktionärInnen wie die Ex-InnenministerInnen Gleichzeitig ist die Rede von mindestens sechs Hypothesen, die die Staatsanwaltschaft verfolge, eine davon bringt das Verbrechen in Zusammenhang mit dem genannten Manuel Castillo, eine andere verbindet es mit dem Mord an den vier Polizisten, die wegen des Mordes an den Parlamentariern im Gefängnis sassen. Allgemeiner wird indes vermutet, Rivera wurde aus Rache getötet oder aber zum Schweigen gebracht. Auch nach seinem Tod bleibt die Person Rivera umstritten. Herausgehoben wird stets seine Expertise und sein Erfolg in der Klärung hunderter von Entführungen, die seine Ermittlungseinheit als Ausnahme im sonst als völlig ineffizient geltenden Polizeiapparat erscheinen lässt. Vor allem die Angehörigen von Entführten erlebten Rivera als einen kompetenten und pflichtbewussten Polizeikommissar, der ihnen einfühlsam zur Seite stand. Vor Gericht trat er zudem oft als Zeuge und Sachverständiger auf. Durchaus wurde Rivera mit der Zeit zur Vertrauensperson vor allem der von Entführungen zeitweise besonders betroffenen Unternehmerkreise. Der Vorwurf, er habe sich ausschliesslich um die Fälle der Oligarchie gekümmert, wird jedoch geschwächt angesichts der Dankbarkeitsbekundung gegenüber dem Verstorbenen von vielen Personen, die nicht dieser Schicht angehören. Riveras Art und Arbeitsweise machten aufgrund seiner Diskretion und dem Nutzen persönlicher Kontakte auf viele einen undurchsichtigen und unkontrollierten Eindruck, die Beschuldigung des Exzesses der Operationen seiner Einheit und der Durchführung von Aktionen sozialer Säuberung konnten ihm jedoch bislang nicht nachgewiesen werden. Der Mord löste in den Medien eine Welle von Empörung gegenüber der Regierung aus. Nicht nur So stellt Riveras Tod in mehrerlei Hinsicht einen Einschnitt in die Wahrnehmung des herrschenden Unsicherheitsambientes im Land dar. Wenn noch nicht einmal der Sicherheitsexperte schlechthin sein Leben schützen kann, was kann da erst die gemeine Bevölkerung in Bezug auf die Gewalt machen? Die Kolumnistin Dina Fernández stellt in der Tageszeitung Unabhängig davon beobachtet Fernández ausserdem, dass langsam aber sicher die Strukturen im staatlichen Sicherheitsapparat verschoben werden, zum einen durch direkte Postenvergabe, zum anderen durch die physische Eliminierung von Schlüsselpersonen. So kamen bereits im letzten Jahr zwei anerkannte Sicherheitsexperten auf gewaltsame Weise um, die auch mit Rivera zusammengearbeitet zu haben schienen. Einer, der ganz offensichtlich seinen Einfluss geltend macht, ist der seit Coloms Amtsantritt fungierende Chef des Sekretariats für Administrative Angelegenheiten und Sicherheit ( |
Und jetzt soll er auch an der Absetzung von Welche Rolle Otto Pérez Molina bei dem Wechsel der Entführungssondereinheit spielt, bleibt dahin gestellt. Obwohl Colom von Beginn seiner Amtszeit in Aussicht stellte, die Arbeit von Victor Rivera zu evaluieren und dann zu entscheiden, ob er bleibe oder nicht, hatte Rivera am 28. März bereits seine Vertragsverlängerung unterzeichnet. Am 30. traf sich Colom mit Oppositionsführer Pérez Molina, um einen Regierbarkeitspakt zu schliessen, der unter anderem die Billigung eines neuen Kredites für die Realisierung des Regierungsplans beinhaltete, gleichzeitig aber Pérez Forderung Rechnung trug, davon einen grösseren Anteil als ursprünglich geplant, für die Themen Sicherheit und Justiz zu reservieren. Und am 31. teilte Innenminister Vinicio Gómez seinem Berater Rivera die Kündigungsanweisung Coloms mit. Auch die Tatsache, dass Colom seine Beziehungen zu anderen Teil der de facto das Staatsgefüge bestimmenden Unternehmerschaft pflegt als es seine Vorgänger und auch Victor Rivera taten, bestätigt wohl die schleichenden Verschiebungen im Machtapparat, die der Kolumnist Font beobachtet. Seine Kollegin Sylvia Gereda Valenzuela ruft indes dazu auf, ein Auge auf den Umgang mit Riveras Team von Seiten der Autoritäten zu werfen. Denn diese Einheit aufzulösen oder auch auf Posten ins Landesinnere zu schicken, stelle auch für die AgentInnen dieser Spezialeinheit ihr Todesurteil dar, warnt die Kolumnistin in elPeriódico. Die Kriminalpolizei gab unterdessen bekannt, dass sich die Zahl der Entführungen im ersten Quartal ´08 im Vergleich zum Vorjahr von 15 auf 31 verdoppelt hätten. Der Staatsanwaltschaft liegen gar 58 entsprechende Anzeigen vor. Offenbar werden die EntführerInnen immer jünger, waren sie früher im Alter ab 35 Jahren, sind es jetzt Personen zwischen 25 und 30. Bekannt ist auch, dass der Grossteil der Entführungen aus dem Gefängnis heraus angeleitet wird. Auf Gilberto Ruano kommt also eine immense Aufgabe zu und er kann seinen Vorgänger nicht um Tipps fragen. Aber Coloms Entscheidung ist jetzt nicht mehr rückgängig zu machen. |
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