guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Petrocaribe: Wer profitiert von der Beziehung zwischen Hugo Chávez und Zentralamerika?

Fijáte 418 vom 10. September 2008, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 418 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte

Petrocaribe: Wer profitiert von der Beziehung zwischen Hugo Chávez und Zentralamerika?

Neue Allianzen

Auch wenn Petrocaribe wirtschaftlich für alle Involvierten eine win-win-Situation bedeutet, stecken hinter dem Angebot auch Interessen, die über das ökonomische hinaus- und ins ideologische hineingehen. "Die Rechte nutzt Petrocaribe, um ihren Diskurs zu legitimieren, dass die Regierungen Zentralamerikas sich mit einem Diktator alliierten, der den VGTerrorismusNF unterstützt. Und die Linke verkauft es als ein revolutionäres Projekt gegen die Hegemonie der USA. Aber es ist weder das eine noch das andere", kritisiert der guatemaltekische Wirtschaftsanalyst Fernando Solis von der Zeitschrift El Observador. Solis gibt zwar zu, dass Petrocaribe Teil der politischen und wirtschaftlichen Offensive von Hugo Chávez sei, aber das diese noch lange kein antihegemoniales Projekt sei und von den zentralamerikanischen Regierungen auch gar nicht als solches verstanden werde, sondern dass diese in erster Linie eigene opportunistische Interessen verfolgen würden. "In Zentralamerika fehlt es an Institutionalität und es dominieren kurzfristige Visionen sowie ein Steuersystem, das nicht in der Lage ist, die öffentlichen Ausgaben zu decken. Deshalb geht es den Regierungen mit Petrocaribe nur um Finanzen", sagt Solis. Nur so erklärt er sich, dass sich niemand daran stört, dass die zentralamerikanischen Länder bedenkenlos auf der einen Seite VGFreihandelsabkommenNF mit den USA und auf der anderen Seite Erdölverträge mit Venezuela abschliessen. "Es geht hier um Einflussnahme auf Märkte und politische Eigeninteressen, aber die Hegemonie der USA steht nicht auf dem Spiel", so Solis. Miguel Gutiérrez teilt diese Einschätzung: "Es ist in erster Linie ein politischer Annäherungsversuch von Chávez, denn tatsächlich ist sein Öl ja bereits auf dem verhältnismässig kleinen Markt Zentralamerikas verbreitet. Nicaragua vielleicht weniger, aber Guatemala hat gegenüber Chávez eine unabhängige Position eingenommen und sich auf keine politischen Kompromisse eingelassen." Ein Beispiel dafür sieht Gutiérrez darin, dass weder Guatemala noch die anderen Länder der Region sich davon abhalten lassen, in Kooperation mit Brasilien ins Agrotreibstoffgeschäft einzusteigen, "nur weil es Hugo nicht gefällt".

Monopole

Ein ursprüngliches Ziel von Petrocaribe ist die verstärkte Beteiligung der Staaten im Treibstoffgeschäft und das Durchbrechen der privatwirtschaftlichen Monopole. Bisher haben aber nur Honduras und Nicaragua eigene staatliche Ölunternehmen und damit auch die notwendige Lagerkapazität. Die Regierungen sehen sich entsprechend gezwungen, das venezolanische Erdöl in Tanks zu lagern, die den bereits etablierten Monopolisten gehören und ihnen dafür noch einen Mietpreis zu bezahlen. Die nächste Frage wird sein, wie das Öl verteilt wird und welche Tankstellenketten zu welchen Bedingungen beliefert werden und zu welchen Preisen das "billige" venezolanische Öl verkauft wird - meist ist es ja z. B. nicht so, dass die grossen Unternehmen ihre Tankstellen in den abgelegenen, ärmeren Orten bauen.

Nicaragua ist das Land Zentralamerikas, das schon am längsten den Petrocaribe-Vertrag mit Venezuela unterzeichnet hat und in dem bereits auch einige Schwachstellen des Abkommens spürbar sind. Das grösste Problem ist die Transparenz bei der Verwendung der Gelder, die durch Petrocaribe "freigestellt" werden. Die Fonds, in welche das Geld fliesst, erscheinen nicht im offiziellen Staatshaushalt, und es gibt keine unabhängige Rechnungsprüfung, was in Nicaragua bereits zu VGKorruptionsvorwürfenNF gegen Präsident Daniel Ortega geführt hat.

So wie das Projekt in Guatemala diskutiert wird, scheint die Situation dort genauso zu sein. Ausserdem wurden bisher keinerlei Kriterien festgelegt für die "sozialen Projekte", die aus diesem Fonds finanziert werden sollen. Präsident Colom erklärte kurz nach Unterzeichnung des Vertrags mit Venezuela, dass die Gelder in nicht näher definierte Armutsbekämpfungsprogramme fliessen sollen, in den Bau der umstrittenen Verbindungsstrasse VGFranja Transversal del NorteNF und in den Betrieb einer Eisenbahn, welche von der Grenze mit Mexiko bis zur Grenze mit El Salvador führen soll.

Leider verlaufen die aktuellen Diskussionen im guatemaltekischen Kongress in erster Linie entlang der ideologischen Schiene, was eine differenzierte und weitsichtige Diskussion über Vor- und Nachteile, Gefahren und Schwierigkeiten von Kreditaufnahmen - unabhängig davon, wer sie gewährt - verunmöglicht.


PDF Original-PDF 418 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte