Nach Jahren wird der Zugang zu Information gewährt
Fijáte 421 vom 22. Oktober 2008, Artikel 2, Seite 3
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Nach Jahren wird der Zugang zu Information gewährt
Guatemala, 10. Oktober. Nach acht Jahren des Diskussion von sechs Vorschlägen ist das Gesetz zum Informationszugang nun vom Kongress einstimmig gebilligt. Am 10.10. wollte Präsident Álvaro Colom es verabschieden, doch von diesem Akt ist anschliessend keine Rede mehr gewesen. Es fiel dem Parlament aber auch schwer, sich zu einigen! Und vor allem von seiner Macht ein Stück an die Gesellschaft abzugeben. Dabei besagt schon die Verfassung - und das Gesetz ist als Obligation auch in den Friedensverträgen verankert - dass der Staat verpflichtet ist, die Bevölkerung zu informieren, Transparenz zu garantieren und die Meinungsfreiheit zu fördern. Damit sollen nicht nur grundsätzlich die staatlichen Institutionen gestärkt werden, sondern die Pressefreiheit gewährt sowie eine Regelung für die Geheimhaltung von Staatsinformationen definiert werden, damit dieses Argument nicht wahllos herangezogen wird, um Information zurückzuhalten. Nachdem Colom im April die als Deklaration von Chapultepec bekannte lateinamerikanische Meinungsfreiheitserklärung von 1994 unterzeichnet hat, konzentrierte sich schon bald die heftige Diskussion im Kongress um jene Gesetzesinitiative, die von den beiden Abgeordneten Nineth Montenegro von der Partei Encuentro por Guatemala (EG) und Rosa María de Frade von der Fraktion Guatemala vorgelegt worden war. Rückendeckung erhielten diese nicht nur von Vizepräsident Rafael Espada, der der Nationalen Transparenz-Kommission vorsitzt, sondern auch vom Verfassungsrechtler Mario Fuentes Destarac und von Manfredo Marroquín, dem Leiter der zivilgesellschaftlichen Monitoring-Instanz Acción Ciudadana. Zudem hatten Institutionen wie die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP), Transparency International und auch die Vereinigung der JournalistInnen Guatemalas (APG) auf die Verabschiedung des Informationszugangsgesetzes gedrängt, sind doch ReporterInnen im ganzen Land in letzter Zeit wieder verstärkt Bedrohungen, Einschüchterungs- sowie Mordversuchen ausgesetzt, weil sie auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen und nicht selten von der Bevölkerung selbst schlichtweg als unerwünschte Kontrollinstanz angefeindet werden. Als einen der am wichtigsten proklamierten Aspekte wurde lange die Bestrafung der Zuwiderhandlung diskutiert. Festgelegt ist nun, dass der Person, die die Herausgabe von nicht geheimen Dokumenten verweigert, eine zwischen 1- und 3jährige Haftstrafe und ein Bussgeld von zwischen 10 und 50´000 Quetzales auferlegt wird, diejenige, die Dokumente fälscht oder zerstört, oder aber Daten verkauft, muss mit einer Haftstrafe zwischen 5 und 8 Jahren sowie einem Bussgeld von 50 bis 100´000 Quetzales rechnen. Innerhalb von 10 Tagen nach Beantragung müssen nun zur Disposition gestellt werden Informationen hinsichtlich der Haushalte mit Einnahmen und Ausgaben jeder staatlichen Institution, der Ausschreibungen und Konzessionen beim staatlichen Erwerb von Gütern, die detaillierten Vertragsabschlüsse für Dienstleistungen, die Auflistung der internationalen Dienstreisen von FunktionärInnen auf Staatskosten, genaue Angaben zur Einstellung von Personal und deren Vergütung. Gleichzeitig und innovativ für Guatemala gibt es einen Absatz zum Datenschutz und die Garantie der Habeas Data, sprich, jedeR BürgerIn hat ein Recht auf Einsicht in jegliche Informationen zur eigenen Person, die von niemandem ohne Einverständnis verändert werden dürfen. Nach oben |
Auch wenn die meisten Abgeordneten vor der Billigung auf Nachfrage versicherten, das Gesetz zu verabschieden, wurde dessen Lesung eine Reihe von Steinen in den Weg gelegt. Einer der offensivsten Gegner war der Abgeordnete Mariano Rayo von der Partei Unionista, Partei des Hauptstadtbürgermeisters Álvaro Arzú. Aufgrund dieser Verbindung wurde ob Rayos ständigen Einwänden gemunkelt, dass Arzú auf Biegen und Brechen verhindern wollte, Informationen über seine mit Unterbrechungen inzwischen dritte Amtszeit als Bürgermeister von Guatemala-Stadt anderen als dem Rechnungshof zur Verfügung zu stellen. Unabhängig davon liegt ein besonderes Augenmerk im Rahmen des Gesetzes nicht nur bei Arzús Verwaltung auf dem Umgang mit Treuhandfonds, die relativ beliebig und vor allem gerne als "Belohnungskasse" genutzt werden. Auch das Militär versuchte, mit Hilfe des Postulats des Militärgeheimnisses und der Nationalen Sicherheit, seine Archive weiterhin unter Verschluss zu halten. Dennoch ist es nun Frage der noch nicht bekannten Definition der Nationalen Sicherheit, welche Dokumente tatsächlich geheimbleiben dürfen. Hinsichtlich der im Interview geäusserten Besorgnis von Jorge Villagran, dem Recht auf Zugang zu historischen Archiven sei wenig Beachtung geschenkt, meinte der Leiter des Aufarbeitungsprojekts des Polizeiarchivs in einem informellen Gespräch mit der Redaktion, auch wenn das Gesetz noch nicht veröffentlich sei, wisse er doch zumindest um einen Artikelabsatz, der diejenigen Dokumente von der Geheimhaltung ausnehme, die in Zusammenhang stehen mit Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verletzungen der Menschenrechte. Und auch wenn das gesamte Gesetz möglicherweise löchrig sei, müsse man sich auf diese Details stützen, um ihm den Wert abzuringen, der ihm gebührt. Klar sei indes, dass in diesem Fall das Polizeiarchiv nicht als solches der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden könne, Privatpersonen könnten nur - gemäss Habeas Data - nach Informationen fragen, die ihre Person betreffen. Mitsamt des Gesetzes ist ein Kredit über US-$ 74 Mio. vom Kongress für die Umsetzung gebilligt worden. Erster Schritt wird sein, in den diversen staatlichen Institutionen Informationseinheiten einzurichten, sowohl für die Angestellten, als auch für die Bevölkerung. Dies ist der Grund, warum ein Teil des Gesetzes erst in sechs Monaten und nicht wie gewöhnlich nach drei Monaten in Kraft tritt. SkeptikerInnen befürchten indes, dass diese Zeit auch dazu benutzt werden könnte, unangenehme Dokumente noch verschwinden zu lassen. |
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