Angriffe auf die Menschenrechte und ihre VerteidigerInnen
Fijáte 423 vom 19. November 2008, Artikel 4, Seite 5
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Angriffe auf die Menschenrechte und ihre VerteidigerInnen
Guatemala, 13. Nov. Norma Cruz, die Direktorin der Stiftung Sobrevivientes ("Überlebende") hat seit Mitte Oktober einige Drohungen erhalten, die jedoch indirekt über einen Familienangehörigen von Cruz lanciert wurden. Dieser wurde auf dem Heimweg von Unbekannten, die einen Pick-up fuhren, angehalten. Da er dachte, es handelte sich um einen Überfall hielt er einem der Unbekannten gleich sein Mobiltelefon hin, doch dieser forderte ihn fluchend und drohend, er würde sonst sterben, auf, in das Auto zu steigen. Der Verwandte von Cruz stieg in den hinteren Teil des Wagens, wo bereits zwei maskierte Männer sassen, von denen einer seine Pistole auf ihn gerichtet hielt und ihm während der zwanzig Minuten langen Fahrt beständig drohte, ihn umzubringen. Schliesslich wurde er in der Strasse, in der Norma Cruz wohnt, freigelassen. Nur vier Tage später erhielt derselbe Verwandte Telefonanrufe, von denen er im ersten wiederum bedroht wurde, bei den nächsten Malen wurde gleich aufgelegt. An diesem Tag parkte direkt vor dem Büro von Sobrevivientes ein Pick-up mit verdunkelten Fenstern, der davon fuhr, als Mitglieder der Organisation näher kamen. Sobrevivientes bietet Frauen psychologische Unterstützung an, die Opfer von sexueller Gewalt und anderen Formen der häuslichen Gewalt geworden sind. Ausserdem gibt sie Rechtshilfe in Fällen von Frauenmorden und ermittelt in schwerwiegenden Fällen von Menschenhandel, in die Regierungsfunktionäre verwickelt zu sein scheinen. Die Organisation setzt die Einschüchterungsversuche in Verbindung mit einem der Fälle, den sie derzeit bearbeitet. Doch die Tatsache, dass ein der Organisation direkt nicht nahestehender Familienangehöriger der Direktorin als Mittelsmann für die Bedrohungen benutzt wird, erhöht eindeutig den Terror, der damit einhergeht und belastet das soziale Netzwerk massiv. Ebenfalls in den Tagen um das Gedenken an die Revolution vom 20. Oktober 1944 verurteilte die Nationale Menschenrechtsbewegung (MNDH) den brutalen Angriff auf Miguel Arturo Albizures Pedrosa, Vizepräsident und Kameramann der Menschenrechtsorganisation COMUNICARTE, der während einer Gegendemonstration zur präsidialen Revolutionsgedenkfeier filmte. Der Protest seitens Familienangehörigen von Opfern des internen bewaffneten Konflikts, der unter anderem von Mitgliedern der Studierendenvereinigung Noj´ unterstützt wurde, führte dazu, dass die staatliche Veranstaltung an einen anderen Ort verlegt werden musste. Am Tag darauf fuhr ein Wagen vor dem Wohnhaus von Albizures auf und nahm es unter Maschinengewehrbeschuss. Nur der 16jährige Sohn von Albizures war im Haus und ging in Deckung, er wurde nicht verletzt. Im Anschluss wurden mehr als 50 Patronenhülsen im Wohnzimmer und den Schlafzimmern gefunden. Nachdem am Tag der Demonstration bereits zwei Mitglieder der Studierendenvereinigung Noj´ von einem Pick-up verfolgt wurden, wurde am Tag des Übergriffs auf Albizures Haus eine Studentin von Noj´ entführt, als sie ihr Haus verliess. Das Auto hatte grosse Ähnlichkeit mit dem, das die anderen Studierenden verfolgte hatte, und eindeutig ein Nummernschild, das es als Regierungswagen identifizierte. Drei Männer mit Messern setzten die Studierende im Auto unter Druck und bedrohten sie, bevor sie wieder freigelassen wurde. COMUNICARTE produziert Videos über den internen bewaffneten Konflikt zwischen 1960 und 1996 und andere Menschenrechtsangelegenheiten in Guatemala wie Demonstrationen und Exhumierungen von Massengräbern aus der Zeit des Konflikts. Diese wurden bereits als Beweismaterial vor Gericht eingesetzt und im Fernsehen gezeigt. Im Februar 2007 wurde in die Büroräume von COMUNICARTE eingebrochen und diese ausgeraubt, wobei Filmgerätschaften, -material und -archive mitgenommen wurden, ohne dass die Staatsanwaltschaft bis heute irgendeine Spur ausgemacht hat. Doch der Staat selber ist auch nicht sicher vor MenschenrechtsgegnerInnen, auch wenn die Angriffe selbstverständlich die FunktionärInnen in ihrer Privatsphäre trifft. So wurde Anfang des Monats ins Wohnhaus der Leiterin der Präsidialen Menschenrechtskommission COPREDEH, Ruth del Valle eingebrochen. Ihre, aber nicht die Habseligkeiten ihres Partners, wurden durchsucht, es wurde ein Laptop mitgenommen, ausländisches Geld sowie ein ziviler und ein offizieller Pass entwendet. Del Valle war vor ihrem Regierungsamt Leiterin der Schutzeinheit für MenschenrechtsaktivistInnen (UPDDH). Nach oben |
Auch die Angestellten des Justizsektors sind in diesem Jahr vermehrt Ziel von Einschüchterungsversuchen oder auch Mordopfer geworden. Laut Statistik des Justizsystems sind bei diesem heuer schon 67 Anzeigen von Richter-Innen und AnwältInnen wegen Drohungen eingegangen, zwei Personen sind ermordet worden, 2007 waren es 50 Anzeigen wegen Einschüchterung. Die am stärksten betroffene Berufsgruppe sind die StrafrichterInnen, die meisten Übergriffe finden in der Hauptstadt, Quetzaltenango und Escuintla statt. Aufgrund der Bedrohungen haben 80 Justizangestellte Personenschutz, zum Grossteil durch justizeigenes Personal, 29 Personen stehen unter Schutz der Nationalen Zivilpolizei (PNC). Unter denen, die ständig per Telefon bedroht werden, ist der Richter Eduardo Cojulum, der die ZeugInnenaussagen von Überlebenden der Massaker aus dem internen bewaffneten Konflikt aufgenommen hat, die der Spanische Gerichtshof für seinen Prozess wegen Völkermordes gegen fünf guatemaltekische ehemalige hohe Militärs und zwei Zivilisten braucht. Auch wird der Staatsanwalt Napoleón Gutiérrez bedroht, er war zuständig als Ermittler für die Entscheidung, dem Abgeordneten und ehemaligen Kongresspräsident Eduardo Meyer die Immunität zu entziehen. Die Myrna-Mack-Stiftung hat passend zu diesem Thema kürzlich eine Studie veröffentlicht, laut der seit 2001 bis heute noch keine einzige Anzeige wegen Bedrohungen oder Gewalt gegen Justizangestellte gerichtlich geklärt worden ist. |
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