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"Aktuelle" Wirtschaftskrise für die einen, "permanente" Krise für die anderen

Fijáte 424 vom 03. Dezember 2008, Artikel 1, Seite 1

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"Aktuelle" Wirtschaftskrise für die einen, "permanente" Krise für die anderen

Diese kurze Einschätzung des Kontextes dient als Rahmen für die alles andere als banale Frage: Was bedeutet die weltweite Wirtschaftskrise für einen verarmten Bauern in einem rückständigen lateinamerikanischen Land? Unsereins kann noch so viel tiefgreifende Informationen und Analysen über die Finanzkrise lesen, doch wir finden uns darin nicht wieder. Je nach Land und je nach Schicht, in der man lebt, kommt man in den Berichten über die Finanzkrise, die Subprime-Hypotheken oder die Bankencrashs schlicht nicht vor.

Könnte man daraus schliessen, dass diese Krise einzig und allein die grossen Ökonomien oder die Ökonomien der "ersten Welt" trifft? Natürlich nicht. Die Antwort auf meine Frage, weshalb unsereins in der Berichterstattung über die Finanzkrise nicht vorkommt, fand ich bei einer befreundeten Ökonomin, welche die Situation treffend beschreibt: "Auf den Alltag von Millionen von verarmten Menschen hat dies alles keine grossen Auswirkungen. Die schlichte und einfache Tatsache ist, dass wir die Krise nicht spüren, weil wir permanent in der Krise leben."

Und tatsächlich ist für die Millionen verarmter Menschen auf diesem Planeten die aktuelle Krise der Finanzzentren nicht weiter auffällig und beeinträchtig ihren Alltag kaum. Denn Hunger und Misere sind ein natürlicher (oder naturalisierter) Teil ihres Lebens. Oder wie Walter Benjamin in einem anderem Zusammenhang, aber in analogem Sinn und Geist sagte: "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, dass der 'Ausnahmezustand' in dem wir leben, die Regel ist." Schauen wir die Krise des Finanzsystems einmal aus der Perspektive der permanenten Krise der verarmten Bevölkerung an: Für sie ist die aktuelle Krise nicht eine Krise des Kapitalismus, sondern der Kapitalismus ist ihre permanente Krise. Sie bekommen nichts davon mit, was an der Wall Street geschieht, denn der Hunger von heute ist für sie derselbe wie jener von gestern und jener von morgen.


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