Gewalt gegen Frauen in Friedenszeiten - Der Umgang mit häuslicher Gewalt in Guatemala
Fijáte 420 vom 08. Oktober 2008, Artikel 1, Seite 1
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Gewalt gegen Frauen in Friedenszeiten - Der Umgang mit häuslicher Gewalt in Guatemala
Im Jahre 1996 hat in Guatemala ein grausamer Bürgerkrieg sein Ende gefunden. Ein Krieg, der vor allem unter der indigenen Bevölkerung tausende Opfer gefordert hat. Diese Gewalttaten, bei denen auch an indigenen Frauen sexuelle Übergriffe begangen wurden, sind bislang nur unzureichend aufgearbeitet. Das Jahr 1996, in dem der Staat seine direkten Angriffshandlungen eingestellt hatte, steht aber noch für ein anderes wichtiges Ereignis. Im Oktober wurde ein Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt erlassen. In einem vom Machismo geprägten Land ist allein dies eine grosse Errungenschaft. Deshalb lohnt es sich, diesen rechtlichen Fortschritt etwas näher zu beleuchten und die Bedingungen für die Rechtsdurchsetzung genauer ins Auge zu fassen. Anja Titze hat dies in ihrer Dissertation mit dem Titel "Konflikt und Konfliktlösung in Guatemala - Die Verwirklichung der Rechte indigener Frauen im rechtspluralistischen Raum" getan, die voraussichtlich Anfang Oktober erscheinen wird. Im folgenden Artikel greift sie auf diese Arbeit und Daten zurück, die sie im Rahmen einer Feldforschung in Guatemala (Februar bis Juli 2005) erfasst hat. Von Mai bis Juli 2005 hat sie dabei eine teilnehmende Beobachtung im Friedensgericht der Gemeinde Santa Bárbara, Huehuetenango, durchgeführt. Vielen Dank an dieser Stelle an Anja für ihr Interesse, den Fijáte mit ihrem Artikel zu unterstützen! KennzeichenDas Hauptproblem von Frauen ist heute die nichtstaatliche Gewalt. Dabei betreffen Gewalthandlungen, die im familiären Umfeld geschehen, sowohl indigene als auch nicht-indigene Frauen. Als Täter treten vorwiegend, wenn auch nicht ausnahmslos, Männer in Erscheinung, beispielsweise Ehemann, Lebenspartner oder Bruder. Das genaue Ausmass dieser Gewaltform ist jedoch nur schwer abzuschätzen. Zwar liegen die Anzeigen mittlerweile auf hohem Niveau (z.B. allein im Jahr 2006 über 33.000 Anzeigen lt. dem Nationalen Zentrum für Rechtsanalyse und -dokumentation (CENADOJ)), doch könnte dies lediglich die Spitze des Eisbergs sein. Das Dunkelfeld, d.h. das tatsächliche Ausmass, dürfte weit umfänglicher sein. Das GesetzDas Gesetz, mit dem häusliche Gewalt verhindert, verfolgt und ausgelöscht werden soll (Ley para Prevenir, Sancionar y Erradicar la Violencia Intrafamiliar, fortan: Gesetz gegen häusliche Gewalt), wurde im Oktober 1996 durch den Kongress verabschiedet. Bereits zuvor hatte der Kongress die internationale Frauenkonvention und die im amerikanischen Raum geltende Belém-Konvention gebilligt und sich damit zu frauenrechtlichen Standards bekannt. Das Gesetz gegen häusliche Gewalt bietet nun erstmals eine klare Rechtsgrundlage. Es wird aktiviert, wenn ein Handeln oder Unterlassen direkt oder indirekt, körperlich, sexuell, psychologisch oder wirtschaftlich Schaden oder Leiden an einer Person verursacht, die der Familie angehört (Art. 1). Dabei kann entweder ein Verwandter, der (Ex-)Lebenspartner, der (Ex-)Ehemann oder ein anderer Mann, mit dem die Frau Kinder aufgezogen hat, als Täter in Erscheinung treten. Bemerkenswert ist, dass ausdrücklich auch ein Schaden an Vermögensgütern als häusliche Gewalt verstanden wird. Zu denken wäre hier an solche Fälle, in denen ein Mann seiner Frau kein Haushaltsgeld bzw. keinen Unterhalt zahlt oder ihr eine Erwerbstätigkeit untersagt. Entscheidend ist, ob das Handeln oder Unterlassen die anderen Familienmitglieder schädigt. Das weite Verständnis scheint durchaus angemessen, z.B. wenn Frauen und deren Kinder das Nachsehen haben, weil ihre Männer das verdiente Geld anderweitig verkonsumieren. Eine Sozialhilfe gibt es in Guatemala nicht, so dass diese Personen auf keine sonstige Unterstützung hoffen können. Dass durch Hunger über einen längeren Zeitraum hin auch Schäden bzw. Leiden an Körper und Seele hervorgerufen werden, ist ebenso wenig auszuschliessen. Auch spricht das Gesetz in Art. 1 von "indirekten" Schäden, um die es sich in solchen Fällen handeln würde. Als wichtigste Norm ist Art. 7 zu sehen. Diese Vorschrift erlaubt, mittels Gerichtsbeschluss und für die Dauer von bis zu sechs Monaten Schutz- bzw. Sicherheitsmassnahmen zugunsten der/s Opfer/s anzuordnen. Als Schutzmassnahme könnte z.B. beschlossen werden, dass der Gewalttäter die gemeinsame Wohnstätte verlässt, dass ihm das Sorgerecht vorübergehend entzogen wird, dass ihm gehörendes Eigentum konfisziert wird oder dass er eine Unterhaltszahlung zu erbringen bzw. eine Entschädigungssumme zu leisten hat. Die Schutzmassnahmen können auch verlängert werden. Das Gesetz erklärt in Art. 3 auch, welche Personen eine Anzeige erstatten bzw. einen Antrag auf Schutz stellen können, und zwar das Opfer, jede Person, die die Gewalttat bezeugen kann und jedeR Angehörige der betroffenen Familie. Antragsberechtigt ist ausserdem jede andere Person, wenn das Opfer - aufgrund körperlicher oder geistiger Probleme - keine Anzeige erstatten kann. Antragsberechtigt sind aber auch MitarbeiterInnen von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie von NGOs, die sich für Frauen- und Kinderrechte engagieren. Eine Anzeige kann bei folgenden Institutionen erstattet werden: Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft, Nationale Zivilpolizei (PNC), Familiengerichte, Volkskanzleien und beim Menschenrechtsprokurat (PDH). Die Institution, bei der eine Anzeige erstattet wurde, hat dieselbe innerhalb von 24 Stunden an das zuständige Familien- oder Strafgericht weiterzuleiten. Eine wichtige Vorschrift ist auch Art. 5, wonach Anzeigen wegen häuslicher Gewalt zu registrieren und an die Abteilung für Justizstatistik weiterzuleiten sind. Diese statistische Erfassung soll es ermöglichen, notwendige Massnahmen zu formulieren, um häusliche Gewalt zu verhindern bzw. zu verfolgen und bereits ergriffene Massnahmen kritisch zu prüfen. Die Schlüsselfunktion der Polizei kommt in Art. 10 zum Ausdruck. Sie muss entweder von Amts wegen tätig werden oder wenn sie vom Opfer bzw. Dritten gerufen wird. Ihre Aufgabe ist es, betroffene Personen zu schützen und ggf. den Täter auf frischer Tat festzunehmen. Zum Zwecke des Schutzes ist es ihr sogar möglich, eine Wohnung zu betreten und wenn nötig ZeugInnen zu befragen. Überdies haben die PolizistInnen Waffen und solche Gegenstände zu konfiszieren, mit denen Personen bedroht oder verletzt werden könnten. Die Polizei wird über gerichtlich angeordnete Schutzmassnahmen informiert und hat deren Durchsetzung ebenfalls zu unterstützen. Handeln die PolizistInnen diesen gesetzlichen Vorgaben zuwider, könnte ihnen ggf. ein Disziplinarverfahren oder ein Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung drohen. Die UmsetzungMit der Verabschiedung des o.g. Gesetzes wurde ein wichtiger Schritt vollzogen. Allerdings ergibt sich hieraus noch kein tatsächlicher Schutz von Frauen. Voraussetzung ist vielmehr, dass es zu einer konsequenten Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen kommt. Die Präsenz der Institutionen Ein Problem, das landesweit in verschiedenen Provinzen zu beobachten ist, ist die ungenügende staatliche Präsenz. Gerichte und Polizeistationen wurden z.B. aus einigen Gemeinden 'vertrieben'. Dabei sind es meist einflussreiche Personen, die - aufgrund spezifischer (häufig wirtschaftlicher) Interessen - staatliche Institutionen ablehnen. So gibt es landesweit derzeit in 20 Gemeinden keine Polizeistation. In fünf von diesen Gemeinden war die Polizei sogar noch nie präsent! In der Provinz Huehuetenango ist die Situation besonders kritisch. Dort müssen allein sechs Gemeinden ohne Polizei auskommen. Zudem operieren die Friedensgerichte von zwei Gemeinden ausserhalb ihrer Jurisdiktion. In der Gemeinde Santa Bárbara gibt es z.Z. weder eine Polizeistation noch ein Gericht. Das Friedensgericht von Santa Bárbara operiert seit 2002 in der etwa 20 km entfernten Provinzhauptstadt HuehuetenangoFür die Frauen all dieser Gemeinden ist dies sehr problematisch, denn sie müssen - wenn sie überhaupt das nötige Geld für den Transport aufbringen können - in die nächsten Provinzhauptstadt, um dort eine Anzeige zu erstatten und gerichtliche Schutzmassnahmen zu erwirken. Auch eine Strafverfolgung ist nicht ohne weiteres möglich. Die mangelnde Präsenz der Institutionen bedeutet letztlich aber auch, dass Schutzmassnahmen - selbst wenn sie vom entfernten Friedensgericht angeordnet wurden - nicht wirklich durchgesetzt werden können. Denn es ist keine Polizei da, die für die Sicherheit einer betroffenen Frau sorgen könnte. Faktisch bleiben diese betroffenen Frauen (und Kinder) - trotz Gerichtsbeschluss - schutzlos gestellt. MitarbeiterInnen der Institutionen Tatsächlich werden mittlerweile in sehr vielen Gerichten Schutzmassnahmen bei häuslicher Gewalt angeordnet. Ein Anstieg von Anzeigen bzw. Verfahren ist landesweit zu beobachten. Dies macht zum einen deutlich, dass es verstärkt zu Anzeigen kommt und sich das Anzeigeverhalten der Frauen auch verändert (hat). Sie verfügen offenbar über mehr Informationen zu ihren Rechten. Zum anderen zeigt dies, dass die Gerichte diese Gewaltform im Sinne des Gesetzes wahrnehmen und entsprechende Verfahren einleiten. Nichtsdestotrotz gibt es in den verschiedenen Institutionen, denen das Gesetz bestimmte Aufgaben und Kompetenzen übertragen hat, noch zu viele MitarbeiterInnen, die das Gesetz nicht mit der nötigen Sorgfalt anwenden. Meinen eigenen Recherchen und Befragungen in der Provinz Huehuetenango zufolge wird häusliche Gewalt noch nicht in allen Justizeinrichtungen wahrgenommen. Viele männliche Mitarbeiter in Gerichten oder auf Polizeistationen sind noch stark den Denkmustern des Machismo verhaftet und handeln entsprechend. Für sie ist eine solche private Gewaltanwendung durchaus legitim, weil eine Frau ihrem Mann zu gehorchen habe. Das Rechtsbegehren der betroffenen Frauen unterstützen sie deshalb nicht. Indigene Frauen sind überdies aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt. Zum einen können sie ihre Probleme nur selten in der eigenen Maya-(Mutter)Sprache vorbringen. Zum anderen werden sie oft aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur indigenen Bevölkerung diskriminiert. In anderen Fällen kommt das Gesetz gegen häusliche Gewalt nicht zur Anwendung, weil z.B. im Falle einer körperlichen (häuslichen) Gewalttat nur ein Verfahren wegen Körperverletzung, nicht aber ein Verfahren wegen häuslicher Gewalt eingeleitet wurde - obgleich beide Verfahren hätten eingeleitet werden müssen. Die wichtigen Schutzmassnahmen werden folglich nicht angeordnet. Nach oben |
Wieder andere RichterInnen wissen zwar von dem Gesetz, wissen aber nicht, dass neben körperlicher und seelischer Gewalt auch 'wirtschaftliche' Gewalt normiert ist, die ebenfalls Schutzmassnahmen auslösen kann. Speziell bei der Polizei sind die Unzulänglichkeiten noch immer am grössten. Diese Institution wurde sogar von UN-ExpertInnen als eigentliche Quelle der Menschenrechtsverletzungen ausgemacht. Anstelle Straftaten zu verhindern und zu verfolgen, sind Polizeiangehörige häufig in eine Vielzahl von Verbrechen verwickelt. Diese Beispiele zeigen, dass es bei den MitarbeiterInnen von Justizeinrichtungen und Polizeistationen verschiedene Probleme bzgl. der Rechtsanwendung gibt und offenbar noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist. (Anzeige)Verhalten der Frauen Damit es aber überhaupt zu einer Anwendung des Gesetzes durch Justizangestellte kommen kann, bedarf es einer Anzeige, d.h. Frauen müssen sich an diese Instanzen wenden, um das erfahrene Unrecht publik zu machen. Viele Frauen nehmen die ihnen gegenüber begangenen Gewalthandlungen jedoch (noch) nicht wahr bzw. wollen sich nicht dagegen wehren. Sie sind in einem sog. Kreislauf der Gewalt gefangen. Häusliche Gewalt baut sich meist allmählich über einen längeren Zeitraum auf, wobei unterschiedliche Phasen zu unterscheiden sind. Es beginnt mit einer leichteren Gewalthandlung (z.B. eine Beleidigung oder ein kleiner Schlag). Danach ist der Mann bemüht, alles wieder gut zu machen, bittet sie um Verzeihung und verspricht, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird. Ist der Mann ein anderes Mal besonders aufgebracht und erzürnt, dann kommt es abermals zu einem Angriff - diesmal schon etwas heftiger. Und so wechseln sich Momente der Aggression und solche der Entspannung ab. Dass Frauen, die diese Übergriffe bereits über kurz oder lang ertragen, trotzdem untätig bleiben, kann verschiedene Ursachen haben. Viele sind emotional und/ oder wirtschaftlich von ihren Männern abhängig. Emotional gesehen wollen sie ihren Mann nicht verlieren, was zudem ggf. einen Statusverlust bedeuten würde. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist darin zu sehen, dass sein Einkommen für die Familie essentiell ist - und zwar selbst dann, wenn er seiner Frau und den Kindern nur einen kleinen Teil zukommen lässt. Gerade auf dem Lande haben viele Frauen kaum eine andere Möglichkeit der Existenzsicherung; sie können, aufgrund der zahlreichen Kinder, keiner geregelten Arbeit nachgehen. Die Gewalt nicht öffentlich zu machen, kann aber auch mit Scham erklärt werden. Viele Frauen schämen sich, vor ihren Eltern und anderen Verwandten, dass es 'so etwas' in ihrer Ehe bzw. Familie gibt. Und dann ist da auch die Furcht, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, selbst daran schuld zu sein - nach dem Motto: Der Mann wird schon seine Gründe haben… Diese Unsicherheit und das mangelnde Selbstwertgefühl halten sie letztlich davon ab, etwas gegen die Gewalthandlungen zu unternehmen. Aber auch hier zeichnet sich eine Entwicklung ab. Nicht mehr alle Frauen ertragen die Gewalt ihrer Männer. Das geänderte Anzeigeverhalten ist möglicherweise mit der Tätigkeit von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen bzw. Organisationen zu erklären. Genauso könnte dies aber auch auf funktionierende 'Mund-zu-Mund-Propaganda' zurückzuführen sein. So geben andere Frauen oder Männer Ratschläge; sie weisen z.B. darauf hin, dass es Gerichte gibt, die zugunsten von Frauen entscheiden oder erklären, dass Frauen auch Rechte haben und diese einfordern können. Was letztlich die Verhaltensänderung bewirkt hat, hängt von den lokalen Gegebenheiten ab. Diese Informationen allein genügen aber noch nicht, damit Frauen auch handeln. Bei den Befragungen im Friedensgericht von Santa Bárbara war festzustellen, dass Frauen erst dann das Gericht aufsuchen, wenn die lange Zeit geduldete Gewalt ein kaum noch erträgliches Ausmass erreicht hat. Eine der betroffenen Frauen erklärte: "Einige Male hat er mich [körperlich und psychologisch] misshandelt. Ich kann mich schon gar nicht mehr an das Jahr erinnern, als es anfing. Wie es ihm beliebt, da schlägt er zu. […] Einige Male habe ich ihm verziehen. Aber jetzt wende ich mich an die Justiz. Er hatte mich schlimm zugerichtet." Eine ähnliche Konfliktsituation, die eine Frau dazu veranlassen kann, letztlich doch Hilfe zu suchen, ist gegeben, wenn ihr Mann sie (und die Kinder) aus dem Haus wirft. Was ebenfalls zu beobachten ist: Frauen, selbst wenn sie Schutzmassnahmen erwirkt haben, verzichten häufig selbst auf diesen Schutz. Sie wollen - so vielfach im o.g. Gericht zu beobachten - selten eine wirkliche Trennung vom Partner. In der Regel werden sogar jene Strafverfahren, die betroffene Frauen wegen körperlicher häuslicher Gewalt (z.B. leichte Körperverletzung) eingeleitet haben, von ihnen wieder eingestellt. Einige Frauen erklären, dass sie ihren Männern eigentlich nur einen Schrecken einjagen wollten. In vielen anderen Fällen sind vermutlich auch hier die (wirtschaftliche) Abhängigkeit und mangelnde Alternativen die eigentlichen Ursachen für dieses Verhalten. Immerhin fehlen landesweit Frauenhäusern oder ähnliche Einrichtungen. Ein weiteres Problem, das mit der unzureichenden Anwendung des Gesetzes gegen häusliche Gewalt verbunden ist, betrifft die statistische Erfassung der Fälle häuslicher Gewalt. Diesbezüglich bestehen noch grosse Defizite. Dabei gibt es bereits ein spezielles Formular, auf dem die MitarbeiterInnen der Justizeinrichtungen jeden Fall häuslicher Gewalt genau erfassen und an das Nationale Statistikinstitut (INE) senden sollen. Einige der abgefragten Daten betreffen z.B. die ethnische Zugehörigkeit, das Alter, das Geschlecht, den Wohnsitz (Stadt/ Land), die Schulbildung und den Familienstand des Opfers. Ausserdem soll vermerkt werden, ob die betreffende Frau häusliche Gewalt das erste oder zum wiederholten Mal anzeigt. Das grösste Problem besteht aber darin, dass dieses Formular noch sehr ungenügend gebraucht wird. Infolgedessen sind die bestehenden Statistiken zu häuslicher Gewalt nur wenig vertrauenswürdig. AusblickDer Erlass des Gesetzes gegen häusliche Gewalt ist eine wichtige Rechtsgrundlage, um Frauen vor Übergriffen zu schützen. Damit wurde ein beachtenswerter Schritt zu weniger Gewalt getan. Nur zum Vergleich: in Deutschland ist ein entsprechendes Gewaltschutzgesetz - das ebenfalls die Regel postuliert 'der Täter geht, das Opfer bleibt' - erst 2002 in Kraft getreten, in der Schweiz gibt es ein solches erst in einzelnen Kantonen. Allerdings besteht die Herausforderung nun darin, die gesetzlichen Bestimmungen konsequent anzuwenden. Um dies zu erreichen, ist auch das Engagement vieler Frauenorganisationen, NGOs und internationaler Agenturen notwendig. Frauen müssen über ihre Rechte informiert werden, um sich sodann gegen die Gewalt von Familienmitgliedern zu wehren und Schutz einzufordern. Aber ihre Rechtsbegehren müssen auch sorgfältig bearbeitet werden, d.h. die Schwachstellen in den Justizeinrichtungen sind zu überwinden. Als sehr wichtiger Akteur auf nationaler Ebene ist hier die Nationale Koordinationsstelle für die Verhinderung der innerfamiliären Gewalt und der Gewalt gegen Frauen, kurz: die CONAPREVI zu sehen. Sie fordert von der Regierung und staatlichen Institutionen (insbesondere die Polizei), auf diese Gewaltform zu reagieren und das Gesetz gegen häusliche Gewalt anzuwenden. Mithin bleibt abzuwarten, ob dies in naher Zukunft gelingt und betroffene Frauen ein Leben ohne Gewalt leben können. |
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