Das Lateinamerikanische Wassergericht hat getagt
Fijáte 419 vom 24. September 2008, Artikel 4, Seite 5
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Das Lateinamerikanische Wassergericht hat getagt
Guatemala, 17. Sept. Das Lateinamerikanische Wassertribunal (TLA) verkündete letzten Freitag seine Urteile in zehn vorgetragenen Fällen aus der ganzen Region, drei davon aus Guatemala. Das Tribunal hatte die Woche über in Antigua Guatemala, Sacatepéquez, getagt, wobei es neben den Anhörungen thematische Diskussionsforen zum Thema Wasser gab, die eine rege Beteiligung von RegierungsfunktionärInnen, AkademikerInnen und TeilnehmerInnen aus der Zivilgesellschaft verzeichneten. Die Jury stellten zehn hochrangige Personen aus verschiedenen Ländern, darunter der ehemalige Generalprokurator Brasiliens, Alexandre Camanho, der ehemalige französische Richter am Höchsten Gerichtshof, Philippe Texier, der in Mexiko lehrende US-Wissenschaftler David Barkin, sowie der ehemalige stellvertretende Menschenrechtsprokurator Augusto Willemsen und der Arzt José Barnoya aus Guatemala. Im Fall der Klage seitens der Bevölkerung von San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa, San Marcos, gegen das Minenunternehmen Montana Exploradora S.A., sprach das Tribunal eine moralische Verurteilung gegen das Unternehmen aus. Laut Anklage soll Montana verantwortlich sein, 10´000 indigene BewohnerInnen zu schädigen, da deren Brunnen austrockneten und ihre Häuser bei der Perforierung der Mine durch Sprengungen Schaden angenommen hätten. Das Wassertribunal, dessen Charakter ethischer Natur ist und dessen Urteile nicht verbindlich sind, erachtete es als sehr wahrscheinlich, dass aus dem Minenschutt saure Wasser austreten und sah das Auslaufen der mit Schwermetallen belasteten Sammelgewässer als grosses Risiko mit schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung, die Umgebung des Flusstals um den Cuilco und das Becken des Flusses Tzalá, sowie für die dort heimischen Wasserlebewesen an. Das Urteil zieht Montana zur Verantwortung wegen Umweltschäden und empfahl die Entschädigung der Bevölkerung von San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa. Das TLA riet, dass unabhängige Umweltverträglichkeitsstudien, die die Beteiligung der Betroffenen sicherstellen, die Kapazitäten des Minenabbaus festlegen sollten, um Schäden an den Gemeinden und dem Umfeld zu vermeiden. Zudem sieht das Tribunal die Zentralregierung in der Verantwortung, die Situation der hochriskanten Minenoperationen nicht zu verbessern. Zudem zensierte es sie, da sie die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nicht anwende und stattdessen die durchgeführten Volksbefragungen, in denen die Bevölkerung ihre Ablehnung gegenüber den Minenaktivitäten ausgedrückt hatte, ignoriere. Das Minengesetz sollte reformiert werden, um die nationale Souveränität und die Verteidigung der Rechte und der Güter der Bevölkerung zu sichern, empfahl die internationale Jury. Während niemand von Montana bei der Session des Wassertribunals anwesend war, wies der Geschäftsführer des Minengremiums von Guatemala, Douglas González, die Vorwürfe zurück und versicherte, Montana, wie alle anderen Unternehmen des Gremiums, erfülle alle gesetzlichen Umweltnormen, kurz: es gebe keine Wasserverschmutzung. Eine entsprechende Analyse sei durchgeführt und von der Universität San Carlos abgesegnet worden. Nach oben |
Im Fall der Anzeige wegen des Verfalls des Flussbeckens am San Juan, Aguacatán, Huehuetenango, die die lokale Mayagemeinde eingereicht hatte, verantwortete das TLA die Gemeindeverwaltung von Aguacatán für die entstandenen Schäden, die auf das Fehlen eines Abwassersystems und das Nicht-Klären von gebrauchtem Wasser zurückzuführen seien. Dem Energie- und Minenministerium (MEM) riet das Wassertribunal die Minenexploration des Unternehmens Tenango Mining zu suspendieren, da in dieser Zone gar keine entsprechenden Lizenzen vergeben seien. Auch das Nationale Waldinstitut (INAB) wurde gerügt, und zwar wegen der exzessiven Abholzung in der Region. Das INAB und eine betroffene Gemeinde vereinbarten, gemeinsame Regenerierungs- und Wiederaufforstungsprogramme durchzuführen. Eine Einigung wurde auch im dritten dem TLA vorgetragenen Fall getroffen und ersetzte ein Urteil. Die Vereinigung für Integrale Entwicklung Verapaz (ASOVERAPAZ) hatte die Gemeindeverwaltung San Cristóbals und den Departementalen Entwicklungsrat (CODEDE) beschuldigt, im Fall der Verschmutzung der Lagune Chichoj, San Cristóbal, Alta Verapaz, die Umweltgesetze nicht einzuhalten bzw. durchzusetzen. In den letzten zehn Jahren sei fast die Hälfte der Lagune verloren gegangen, da nicht nur die Haushalts- und Industrieabwässer in den See geleitet würden, sondern zudem Personen mit wirtschaftlicher Macht die Lagune aufschütteten, um ihre Grundstücke am Ufer zu erweitern, so Elvia Rosa Mo, Mitglied von ASOVERAPAZ. Demgegenüber gab der zuständige Bürgermeister Leopoldo Ical Jul an, die vorherige Administration habe in eine Kläranlage investiert, die aber nicht funktioniere, somit seien die 1 Mio. Quetzales verloren. Schliesslich vereinbarten Gemeinde und Autoritäten ein gemeinsames Engagement zur Rettung der Lagune. Abschliessend kündigte TLA-Präsident Javier Bogantes die Begleitung der Fälle und vor allem der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen an. Das Lateinamerikanische Wassertribunal gründete sich 1983 zunächst auf zentralamerikanischer Ebene nach europäischen Vorbildern und ist eine internationale, autonome Umweltrechtsorganisation mit dem Zweck zur alternativen Lösung von Konflikten um das Gut Wasser beizutragen und auf moralischer Ebene die Prinzipien des Zusammenlebens mit der Natur, den Respekt gegenüber der menschlichen Würde sowie die allgemeine Solidarität zum Schutz der Wassersysteme zu verkörpern. In diesem Jahr tagte es zum 5. Mal öffentlich unter dem Motto: "Wassergerechtigkeit auf indigenem Land und Territorium". Unterdessen gab das Ministerium für Umwelt und Naturressourcen (MARN) aktuelle Daten bekannt. Demnach wurden diesem zwischen Januar und August 628 Klagen wegen Umweltschäden eingereicht, die Mehrheit davon bezog sich auf Luftverschmutzung. Ana Beatriz de Pacheco, Direktorin der Rechtsabteilung des MARN, ergänzte weitere Anzeigenanlässe wie Wasserverschmutzung durch Entsorgung von Pestiziden in die Flüsse oder die Abzweigung von Flussläufen sowie das Fehlen von Abwassersystemen, Lärmbelästigung und Bodenverschmutzung. Doch das Ministerium könne nur Sanktionen aussprechen, wenn Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht erfüllt oder nicht durchgeführt würden, die Strafverfolgung wegen Verschmutzungsdelikten obliege der Staatsanwaltschaft, so Pacheco. Ihres Erachtens ist der Schutz der Naturressourcen deswegen begrenzt, weil die Bussgelder sehr niedrig seien. Sie beliefen sich auf zwischen 5´000 und 100´000 Quetzales (ca. US-$ 680 - 13´600). In vielen Fällen zögen es die Unternehmen vor, das Geld zu bezahlen, statt in Massnahmen der Umweltschonung zu investieren. Rafael Maldonado, der zur Direktion vom Umweltaktionszentrum CALAS gehört, weiss, dass im ersten Halbjahr 2008 591 Umweltanzeigen bei den Gerichten eingereicht worden seien, von denen nur sechs zur Debatte gekommen seien, eine der beschuldigten Parteien sei freigesprochen worden. In den Departements Guatemala und Sacatepéquez, aus denen die meisten Anzeigen kommen, überwiegen solche, die Forstschäden betreffen. |
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