Woher und wohin mit den Staatsgeldern?
Fijáte 419 vom 24. September 2008, Artikel 2, Seite 3
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Woher und wohin mit den Staatsgeldern?
Guatemala, 19. Sept. Mit 105 von 135 Stimmen hat der Kongress die Aufstockung des Staatsetats 2008 um 1,4 Mio. Quetzales (ca. US-$ 190´000) gebilligt. Enthalten ist darin ein höherer Betrag für Staatsobligationen , jedoch nicht die beantragten Summen für Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Die Patriotische Partei (PP) verweigerte die Zustimmung, denn es sei unangemessen, den für soziale Angelegenheiten zuständigen Institutionen die Mittel zu kürzen und fragwürdig, Mittel zu streichen, die für die Gehaltserhöhung der Nationalen Zivilpolizei (PNC) vorgesehen waren, so Fraktionschefin Roxana Baldetti: "Wir sind nicht damit einverstanden, dass man der PNC Gelder wegnimmt angesichts der letzten Ereignisse, die die Unsicherheit belegen, in der wir leben." Während die kritisierte Zuweisung von 26 Mio. Quetzales an das Verteidigungsministerium vom Präsidenten der Finanzkommission, Manuel Baldizón, mit der Erklärung gerechtfertigt wurde, diese Gelder gingen an das Ingenieurskorps, das Hilfseinsätze in Katastrophen leiste, meinte die Abgeordnete der Partei Encuentro por Guatemala (EG), Nineth Montenegro, zu wissen, dass die Armee mit diesen 26 Mio. für die Verteilung von Nahrungsmittelspenden seitens des Rates für Sozialen Zusammenhalt entlohnt werde, der von Coloms Gattin Sandra Torres geleitet wird und dessen Etat keiner Kontrolle unterliege. Dabei sei es gar nicht Aufgabe der Armee, Nahrungsmittel zu verteilen; dafür gebe es schliesslich das Vizeministerium und das gleichnamige Sekretariat für Ernährungssicherheit (SESAN), die wiederum ihre Funktion nicht erfüllten, aber die Mittel einstrichen. Montenegro äusserte sich zudem skeptisch angesichts der Anordnung, alle in diesem Jahr nicht genutzten Staatsgelder sollten in den Gemeinsamen Fonds fliessen, dessen Kapitalfluss nur schwer zu überwachen sei und der "ein Riesensack ist, aus dem sie dann Überweisungen tätigen, wohin immer sie wollen". Insgesamt beobachtet die Abgeordnete eine Politisierung der sozialen Programme, die von der Regierung gestartet werden, eine Verdopplung von Funktionen, eine niedrige soziale Investition (20%), aber umso höhere Funktionsausgaben (60%). Der Etat des Bildungsministeriums sei um 300 Mio. Quetzales gekürzt worden, womit die Hoffnungen der unter Vertrag stehenden LehrerInnen auf Beförderung zunichte gemacht würden. Ausserdem gebe es keine ausreichende Schulinfrastruktur, von der Abdeckung der Grundschullehre ganz zu schweigen. Das Gesundheitsministerium habe bislang lediglich 9% seines Etats in Investitionen gesteckt, das Ressort für Arbeit und Soziale Vorsorge legte gerade einmal 8% in Programmen zugunsten der Arbeitenden an, der Grossteil seines Haushalts geht in Verwaltung und Gehälter. Auch Menschenrechtsprokurator Sergio Morales kritisierte die Umschichtung von ministerialen Geldern mit sozialer Bestimmung hin zum Rat für Sozialen Zusammenhalt. Es seien schliess-lich die Ministerien, die spezialisiert seien und darin gestärkt werden müssten, die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Indes betreibt die Erste Dame der Nation kräftige Lobbyarbeit für ihren Kohäsionsrat und die Erhöhung "ihres" Haushaltspostens, unter dessen Namen diverse Aktionen laufen, deren Durchführung Präsident Colom oft höchstpersönlich beiwohnt, womit er seiner Interpretation der von ihm postulierten Sozialdemokratie und der Unterstützung der Armen Ausdruck verleiht. Neben der Verteilung von Nahrungsmitteln und Stipendien an Familien der 45 ärmsten Munizipien, unter der Bedingung, ihre Kinder zur Schule und Gesundheitsvorsorge zu schicken sowie der Ankündigung von 200´000 "Häusern der Hoffnung", sprich der Installation von Fertighäusern, hat sich Colom aber auch eingesetzt für die Verhandlung von moderaten Preisen für ausgewählte Lebensmittel und die Untersagung einer für die meisten KundInnen unerschwinglichen Strompreiserhöhung, die die Verteilerfirma EEGSA vorgesehen hatte. Nach oben |
Derweil hat das Finanzministerium auch schon den Etatvorschlag für 2009 vorgelegt, der bis zum 30. November verabschiedet werden muss. Dieser sieht eine Gesamtsumme von 49 Mrd. 723 Mio. Quetzales vor (ca. US-$ 6,8 Mrd.), mehr als 7 Mrd. mehr als für 2008. Finanzminister Juan Alberto Fuentes Knight bezeichnet das Vorhaben als historisch, sehe es doch einen äusserst hohen Prozentsatz von 6,7% des Bruttoinlandprodukts (BIP) für soziale Investitionen vor. Die Haushaltsinitiative plant auch gleich drei zur Finanzierung notwendige Kredite über insgesamt knapp 3,4 Mrd. Quetzales ein, um die man die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) und die Internationale Wiederaufbau- und Förderbank (IBRD), eine Untergruppe der Weltbank, ansprechen will. Schon mit eingerechnet sind die einfliessenden etwa 900 Mio., die von der Steuermodernisierung erwartet werden. Alle Ministerien ausser dem Verteidigungsressort dürfen sich auf eine Etaterhöhung freuen, Innen- und Bildungsministerium erhalten gar 1 Mrd. mehr als in diesem Jahr, das Gesundheitsministerium 735 Mio. Besondere Absicherungspflichten werden denjenigen Organisationen auferlegt, die treuhänderisch Staatsgelder verwalten. Diese Massnahme geht auf die zahlreichen Unregelmässigkeiten zurück, die sowohl bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als auch dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) entdeckt wurden, die, öffentliche Ausschreibungen umgehend, staatliche Aufträge abwickelten. Sollte Sandra Torres mit ihrer Forderung nach 2,8 Mrd. Quetzales durchkommen, wird der Kohäsionsrat über einen deutlich höheren Etat verfügen als zahlreiche Ministerien, wie dem für Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Arbeit, Energie und Minen, Kultur und Sport und für Umwelt. Die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) stellte bereits fest, dass der vorgesehene Etat 2009 Coloms Ankündigung einer "Regierung mit Maya-Gesicht und Duft nach Mais-Tamales" widerspreche, seien doch mindestens 26 Regierungsprogramme, die derzeit den Frauen und Indigenen Völkern zugute kommen, entweder in ihrem Etat gekürzt oder ganz gestrichen. GAM-Direktor Mario Polanco sieht darin einen deutlichen Rückschritt in der Regierungspolitik: "Wir erkennen keinen grossen Unterschied zwischen der Regierung der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) und den vorherigen. Es werden weiterhin kleine Machtgruppen im Land begünstigt, aber beispielsweise mit dem Kohäsionsrat keine wirkliche Lösung der Probleme in den ländlichen Gemeinden angestrebt." |
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