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Die technische Seite des Archivs

Fijáte 421 vom 22. Oktober 2008, Artikel 1, Seite 1

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Die technische Seite des Archivs

Frage: Was genau machen Sie hier in der Schweiz?

J.V.: Ich kümmere mich um die Sicherheit des Archivs. Es gibt einen zentralen Server, auf dem alle eingescannten Dokumente gespeichert werden. In Guatemala selber wird an einem der Öffentlichkeit unbekannten Ort auf einem Server eine Sicherheitskopie gespeichert, und wir haben ein zusätzliches Back-up. Aber in Guatemala weiss man nie, und man kann nie wirklich sicher sein, dass nichts passiert. Deshalb wurde mit den Staaten, die die Aufarbeitung des Archivs unterstützen - übrigens alles europäische Länder - nach einer Möglichkeit gesucht, auch eine Kopie ausserhalb Guatemalas zu lagern. Man entschied, dass diese Kopie im Schweizerischen Bundesarchiv gelagert werde sollte, und es wurde ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Meine Arbeit hier in der Schweiz besteht darin, mit den KollegInnen vom Bundesarchiv die praktische und technische Umsetzung dieses Vertrags zu besprechen. Die Schweiz hat das Projekt seit Beginn unterstützt, viel mehr auch auf politischer als auf finanzieller Ebene, was aber genauso wichtig ist.

Frage: Werden diese Daten in der Schweiz öffentlich zugänglich sein?

J.V.: Nein. Die Daten werden nur aufbewahrt und dem jeweils neuesten technischen Stand digitaler Archivierung angepasst. Es geht in erster Linie darum, eine Kopie an einem sicheren Ort aufzubewahren.

Frage: Und wenn in zehn Jahren in Guatemala ein Prozess durchgeführt wird und aus irgendwelchen Gründen nicht auf das guatemaltekische Archiv zurückgegriffen werden könnte, kann man in Bern eine Kopie der entsprechenden Dokumente anfordern.

J.V.: Genau. Das Problem ist aber, dass in Guatemala bei Gerichtsprozessen nur Originaldokumente als Beweismittel akzeptiert werden und elektronische Dokumente keine Gültigkeit haben. Für den Fall, dass diese Praxis einmal geändert werden sollte, müssen wir jetzt mit den KollegInnen in Bern schauen, wie garantiert werden kann, dass die digitalen Dokumente nicht verändert werden können, dass wir also sicher sind, dass sie 1:1 den papiernen Originaldokumenten entsprechen.

Frage: Es gibt ja auch die Idee, im Archiv ein Museum zu machen. Wie weit ist dieses Projekt schon vorangeschritten?

J.V.: Wir sind daran, uns von Fachpersonen beraten zu lassen, denn auch in diesem Bereich haben wir in Guatemala keine Erfahrung. Viel mehr als ein Museum, denke ich, sollte es eine Gedenkstätte werden. Aktuell gibt es so etwas wie ein kleines Museum im Archiv, wo man ein paar Fotos über den ursprünglichen Zustand des Archivs sehen und ein Zimmer besuchen kann, das aussieht wie damals eine Polizeiwache. Aber darum kann es ja nicht gehen. Für mich sind drei Dinge wichtig: Erstens, dass es konkrete Resultate gibt aus der Aufarbeitung des Archivs, zweitens dass das Archiv öffentlich zugänglich gemacht wird, denn dieses Archiv gehört nicht der Regierung, nicht der Polizei, nicht dem Menschenrechtsprokurator, sondern dem guatemaltekischen Volk, und drittens eben die Errichtung einer Gedenkstätte.

Frage: Öffentlich zugänglich heisst, dass irgendwer eine bestimmte Information, z.B. über einen Verwandten, der verschwunden ist, anfordern kann?

J.V.: In dieser Frage gibt es in Guatemala keine juristisch verbindliche Grundlage. Im Moment gibt es kein Recht auf die Einsicht von Originaldokumenten. Vor ein paar Tagen wurde im Kongress das neue Gesetz über den öffentlichen Zugang zu Informationen verabschiedet. Ich persönlich befürchte aber, dass genau das Thema des öffentlichen Zugangs zu historischen Archiven zu wenig explizit berücksichtigt wurde in dem Gesetz oder die Frage, wann ein Dokument als "geheim" eingestuft wird oder wie ein "Staatsgeheimnis" definiert wird. Leider wurde, nicht zuletzt auf Druck der Medien, der Schwerpunkt des Gesetzes darauf gelegt, Informationen über die Bankkonten der Kongressabgeordneten oder eines Funktionärs zu bekommen. Ich will damit nicht sagen, dass in unseren korrupten Zeiten solche Informationen nicht wichtig wären, aber darüber wurde leider anderes vergessen. Wie hilfreich also das Gesetz für das Archiv ist, muss noch analysiert werden, und vielleicht wäre es besser, kein Gesetz zu haben als ein schlechtes.

Frage: Was geschah eigentlich mit der PolizistIn, die das Archiv "entdeckte" bzw. den Menschenrechtsprokurator darauf hinwies?

J.V.: Ana Corado ist nach wie vor die verantwortliche Offizierin für das Archiv. Sie machte eine ziemliche Entwicklung durch, es gab auch schwierige Momente mit ihr. Man muss sich vorstellen, dieses Archiv war jahrelang ihr "Reich", sie und ihre Mitarbeiterinnen hatten eine Art geordnete Unordnung darin, und immer, wenn von der Staatsanwaltschaft ein Dokument angefordert wurde, haben sie es zielsicher und schnell gefunden.

Und dann kamen wir und haben uns in ihre "Ordnung" eingemischt. Für uns ist natürlich ihre Anwesenheit auch sehr wichtig, denn als Vertreterin der Polizei ist sie auch eine Art Zeugin dafür, dass wir unsere Arbeit "richtig" machen bzw. keine falschen Dokumente einfügen oder solche entwenden. Unterdessen ist unsere Zusammenarbeit aber sehr gut und sie fragt uns immer häufiger, wenn sie ein Dokument sucht, weil sie gemerkt und akzeptiert hat, dass unser Ordnungssystem eigentlich ganz brauchbar ist.


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