¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Gestern träumte ich von Nero
Fijáte 421 vom 22. Oktober 2008, Artikel 5, Seite 6
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¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: Gestern träumte ich von Nero
Durch die Fenster eines hohen Gebäudes der Wall Street drang das Getöse ihres Festes zu uns in die dunkle Strasse hinunter. Wir wussten nicht genau, ob dort oben eine Orgie oder eine Tragödie stattfand. Sie waren in teure Jacken gehüllt, die so schwarz wie Ich sah Nero, der um Ruhe bat, um sein Lied über den Brand der Zwillingstürme zu singen, die auf sein Geheiss hin niedergerissen wurden mit dem Ziel, die Muselmänner dafür verantwortlich zu machen, gegen sie einen Krieg zu beginnen und ihnen das Öl zu rauben. Niemand hörte Nero zu, der sabbernd gleichzeitig zu lachen und zu weinen begann. Er sah blöd aus, wie eine Witzfigur. Dann geschah etwas Ungewöhnliches: Eine immense Welle von Banknoten oder Schecks, die keine Schecks waren, sondern jene pergamentähnlichen Stücke Haut von hungrigen Menschen, überflutete alles, den Himmel und die Strassen der grossen Stadt. Die Flut wuchs unaufhaltsam und bedrohend, in donnernder Stille. Und überflutete jenes hohe Gebäude der Wall Street. Die degenerierten Wesen blickten auf ihre Hände und versuchten, die Noten und Schecks, die keine Schecks waren, sondern Stücke von Haut hungriger Menschen, von sich zu schleudern, doch es ging nicht. Und so blieben sie zurück, begraben unter dem Tod, den sie selber fabriziert hatten. Plötzlich herrschte abgrundtiefe Stille hinter jenen Fenstern. Eine Stille wie nach einer Urteilsverkündung. Ich weiss schon, dass die Träume oft das Gegenteil der Realität sind. Aber sie sind frei, vielleicht das Freieste, was wir Menschen produzieren. Deshalb habe ich mich beeilt, diesen Traum niederschreibend festzuhalten, wie eine kurzlebige freie Perle. Nach der Stille, welche der Tsunami aus Banknoten und Schecks, die keine Schecks sind, sondern Stücke von Haut hungriger Menschen, habe ich Erleichterung verspürt beim Lesen eines Briefes, den Pérez Esquivel an den demokratischen Kandidaten Barack Obama geschrieben hatte: Die US-Militärbasen in Lateinamerika tragen nicht zu Frieden und Sicherheit auf diesem Kontinent bei, ebenso wenig die Reaktivierung der IV. Flotte in den lateinamerikanischen Gewässern. Eine weitere ernste Situation ist die Gewalt des Erleichterung verspüre ich auch wegen der massiven Unterstützung des |
Aber hier ist unser Guatemala, beschlagnahmt bereits viele Jahre bevor es als Staat geboren wurde und heute konvertiert in ein Paradies für Megaprojekte transnationaler Unternehmen, die sich mit dem lokalen Grosskapital verbündet haben. Don Pedro de Alvarado reitet erneut durch unser Land und wirbt für eine eigentümliche Version von Entwicklung: Freier Markt, ausländische Investition und keinerlei staatliche Regulierung. Oder mit anderen Worten: Absolute Es heisst, indem diese Geschäfte eingeleitet würden, bekämen unsere Regierungen eine Chance. Ebenso für das Geschäft mit der Sicherheit. Präsident Was hingegen täglich nachlässt, ist das staatliche Sicherheitssystem. Und es scheint fast, dass daran die Besitzer unseres Landes ihre geheime Freude haben. Mit welcher Lust zeigen die Medien auf, wie die Polizei ist: beschämend, unpräsentabel. Aber erstaunlich: Über die Miliz und die mehr als 200'000 Angestellten privater Sicherheitsfirmen gibt es offenbar nichts zu sagen. Und auch wenn die Sicherheit nichts nützt, wenn die Justiz nicht funktioniert, scheint sich unser Präsident keine Sorgen zu machen um das nicht funktionierende Justizsystem. Im Gegenteil, er schlägt eine Erhöhung von 3 Milliarden Quetzales für das Sicherheitsbudget vor und dafür eine Kürzung um ein Drittel im Gesundheitswesen. Um es anders zu sagen: Um das Geschäft mit der Sicherheit zu garantieren, werden nächstes Jahr jeden Tag Tausend Notfälle in unseren Spitälern nicht behandelt und zweitausend externe Behandlungen nicht durchgeführt, wird eine von drei Personen, die es nötig hätten, nicht hospitalisiert und werden mehr als eine Million Personen keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben (Zahlen vom FNL, 25. September 2008). Ehrlich gesagt: Wer befindet sich da auf der Intensivstation? Es wird weitergehen wie bisher: die Kranken stellen ihre Diagnose selber und verschreiben sich ihre Medizin in den Apotheken, solange es ihr Portemonnaie erlaubt. Wenn aber unsere Banker vom Tsunami der Wall Street überrollt werden, werden sie uns unbedeutende SteuerzahlerInnen darum bitten, dass wir mit öffentlichen Geldern ihre goldenen Fallschirme finanzieren, damit sie sich beim Sturz nicht verletzen. Sozialistische Republik ... die Verluste zu sozialisieren. Meine Güte! Ich befürchte, wieder von Nero zu träumen, wie er da oben Harfe spielt. |
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