Traum vom Norden und Alptraum Deportation
Fijáte 453 vom 3. Februar 2010, Artikel 1, Seite 1
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Traum vom Norden und Alptraum Deportation
Von den etwa 1,5 Millionen GuatemaltekInnen, die in den USA leben, besitzen rund 60% keinen legalen Aufenthaltsstatus. Die Emigrationsversuche Richtung Norden reissen trotzdem nicht ab, wie sich deutlich anhand der Anzahl deportierter GuatemaltekInnen erkennen lässt: 2009 waren es 27.222, im Jahr davor sogar 28.051 und allein in den ersten 10 Tagen diesen Jahres 255 Personen. Zirka 10% der Deportierten sind Frauen und rund 2% Minderjährige. Die Art und Weise der Deportierungen ist oft nicht sehr menschenfreundlich. Der Kanzler und Minister für Auslandsbeziehungen Haroldo Rodas gab zu, dass es nicht sein könne, dass die Leute wie VerbrecherInnen in Guatemala ankommen. Deshalb werde er die US-Regierung darum bitten, den Deportierungsprozess zu verbessern. Der Unmut, der bei der guatemaltekischen Bevölkerung angesichts der Behandlung ihrer Landsleute aufkommt, ist in jenen Medien deutlich zu erkennen, die im folgenden Text als Quelle dienten (Centro de Estudios de Guatemala, Incidencia Democrática, www.minex.gob, www.guatemala.gob.gt). Dass eine Reformierung der Behandlung guatemaltekischer ImmigrantInnen nötig ist, zeigte ein Vorfall, der dazu führte, dass die guatemaltekische Regierung dem Büro der Nationalen Sicherheit der US-Regierung einen diplomatischen Brief schickte: Am 6. Januar 2010 wurde in Miami, Florida, offizielle Post mit dem Absender des guatemaltekischen Konsulats in Miami von MitarbeiterInnen der Zustellfirma Federal Express (FedEx) geöffnet. FedEx hielt die sieben Pässe, welche die Postsendung beinhaltete, für gefälscht und informierte die Einwanderungsbehörde. Danach benachrichtigte FedEx drei der angeschriebenen Personen, welche daraufhin beim Abholen der Post festgenommen wurden. Zwei der Personen wurden im Anschluss nach "Hause" deportiert, die dritte wartet noch auf den Beschluss. Es wurde somit ein Bundesgesetz verletzt, was Guatemala geradezu verpflichtet, offiziell bei der Regierung Obama Beschwerde einzureichen. Es wird eine Untersuchung des Falls verlangt, sowohl bei der Firma FedEx wie bei der Einwanderungsbehörde. Diese Vorgehensweise scheint im Sinne der aktuellen US-Migrationspolitik zu sein, denn die US-Einwanderungsbehörde liess durchblicken, dass sie strenger kontrollieren und vermehrt deportieren wolle, sowie andere Anti-Immigrationspolitiken anwenden werde, z.B. die Militarisierung der Grenzen - eine Massnahme, die laut Marcos Fernando Yax, Vizepräsident der Koalition guatemaltekischer MigrantInnen in den USA (CONGUATE), bereits zu spüren ist. Ebenfalls ist nicht zu vergessen, dass viele GuatemaltekInnen schon auf dem Weg in die USA, d.h. in Mexiko, aufgegriffen und deportiert werden. So wie die USA und Kanada, die zu den Ländern mit den strengsten Visumbestimmungen für Guatemala gehören, gehört auch das Nachbarland Mexiko zu den 136 von 194 Ländern, die ein Visum für GuatemaltekInnen verlangen. 2008 deportierte Mexiko 36.546 guatemaltekische StaatsbürgerInnen und bis Oktober letzten Jahres waren es schon 22.956. Einwanderungsphasen und ihre Gründe: wieso gen Norden?Die zentralamerikanische Auswanderung in die USA teilt sich in drei Etappen:
Heutzutage drängt es weiterhin ZentralamerikanerInnen in den Norden. Zum einen, um der hohen Gewaltrate des eigenen Landes zu entgehen, zum anderen aus wirtschaftlichen Gründen. Die Geldrücksendungen - Rimessen - an die Familien in Guatemala entsprechen in etwa 11% des Bruttoinlandproduktes (siehe ¡Fijáte! 449). Hauptziele und -wohngebiete der EmigrantInnen sind Los Angeles, Chicago, Georgetown, Washington, Miami und Houston, wobei es Gemeinden mit über 50.000 GuatemaltekInnen gibt. Laut US-Regierung erhalten jährlich 20.000 GuatemaltekInnen die US-Staatsbürgerschaft oder ein Residentenvisum - und rund 30.000 werden deportiert. Unterstützung emigrierter GuatemaltekInnen von "zu Hause" ...Seit vier Jahren existiert das Programm des würdigen Empfangs der Repatriierten (Recepción Digna a los Repatriados), welches den Deportierten die Heimkehr erleichtern soll. Nahrungsmittel, nationale Telefonanrufe und sogar Reisekosten bis in die Heimatstädte werden gestellt, falls die Leute dies brauchen. Ebenso wird medizinische und rechtliche Unterstützung angeboten. Letzteres vor allem deshalb, weil viele, bevor sie emigrierten und um die Reise zu bezahlen, Papiere unterschrieben haben, die dazu benutzt werden, Kredite auf ihre Häuser aufzunehmen - mit dem Ergebnis, dass die Heimgekehrten nun Schulden von teilweise über 100.000 Quetzales haben. Nach oben |
Aussenminister Haroldo Rodas setzte sich nun Anfang Januar in Los Angelos mit VertreterInnen der Konsulate der Länder El Salvador, Nicaragua, Mexiko, Panama, Belize, Dominikanische Republik und Ecuador zusammen, um ein gemeinsames Programm zur Unterstützung der Deportierten auszuarbeiten. Auch wurde durch das System der Zentralamerikanischen Integration (SICA - Sistema de la Integración Centroamericana) ein Reformvorschlag für Einwanderungsgesetze eingereicht. Ebenso nutzten VertreterInnen der guatemaltekischen Regierung Treffen mit der US-Regierung, um für die Migrationsreform zu plädieren. Hauptziele der Reform sind die Normalisierung aller ImmigrantInnen, die Familienzusammenführung, die Vereinfachung des Besuchsrechts von Deportierten, deren Familien legal in den USA wohnen, sowie eine Frist für jene, die ihren Deportierungsbeschluss bekommen haben, damit sie ihren Fall noch einmal aufzugreifen und einen legalen Aufenthalt beantragen können. Laut Rodas ist die Reform der Migrationsgesetze Teil der US-Politik, in welche wir uns nicht einmischen möchten, aber in Anbetracht der 1,5 Millionen guatemaltekischer ImmigrantInnen ist es ein wichtiges Thema für uns. Aktivismus der ImmigrantInnen in ihrer "neuen Heimat" ...Auch innerhalb der USA versuchen GuatemaltekInnen, Einfluss auf die Einwanderungspolitik zu nehmen und die Deportationen nicht klanglos hinzunehmen: " Hungerstreik Am 1.1.2010 begann ein Gruppe von drei Guatemalteken, einer Honduranerin, einem Puertoricaner und einem US-Amerikaner (Direktor der Pro-Einwanderungs-Organisation We Count) einen Hungerstreik in Homestead, Florida. Ziel ist es, Janet Napolitano vom Büro der Nationalen Sicherheit der US-Regierung dazu zu bringen, die Deportierungen zu stoppen und somit nicht noch mehr Familien auseinanderzureisen. " Lobbying für die Integrale Migrationsreform 2006 und 2007 wurde die Migrationsreform im Kongress debattiert, ihre Durchsetzung gelang aber nicht. Nun, nach zwei Jahren verstärkter Lobbyarbeit und Aktivismus von Seiten der Pro-ReformerInnen und ImmigrantInnen erhofft man sich endlich für das Jahr 2010 die Einführung der Reform. Gründe, die dafür sprächen, sind, dass Obama sein erstes Jahr mehr der Gesundheits-, Finanz- und Energiereform gewidmet hat sowie mit der Wirtschaftskrise und den Kriegen im Irak und Afghanistan beschäftigt war und somit wenig Zeit für andere Themen hatte. Unterstützend wirkt auch eine Studie, die ergab, dass die Legalisierung der über 12 Millionen nicht dokumentierten Personen enorme wirtschaftliche Vorteile bringen würde (in etwa 1 Trillion US-Dollar durch Steuern), was verschiedene Konservative Parteien umstimmen könnte. Wenn die Reform allerdings dieses Jahr nicht verabschiedet wird, müsse man bis 2011 warten - schon allein auf Grund der sinkenden Popularität Obamas, aber auch weil Wahlen im November zu Wechseln im Senat führen werden. Dies gab Anlass zu einer Zusammenarbeit zwischen guatemaltekischen Organisationen und guatemaltekischer Regierung, die die Reform unterstützt. Diese Art der Zusammenarbeit von Regierung und Zivilgesellschaft geschieht in dieser Form zum ersten Mal, wie ein Repräsentant der Guatemaltekischen Kommission für die Migrationsreform (Comisión Guatemalteca para la Reforma Migratoria) berichtet. ProtestmärscheSchon 2006 kam es zu verschiedenen Demonstrationen im ganzen Land, vor allem in Los Angelos, wo eine Million Personen zusammenkamen, um sich für die Migrationsreform einzusetzen. Leider erwirkte dies damals nicht ihre Durchsetzung. Trotz allem ist es ein wichtiges Mittel des Volkes um seiner Meinung Ausdruck zu geben, und es sind auch in nächster Zeit Demonstration zu erwarten. So kam es schon am 21. Januar 2009 zu einer von verschiedenen ImmigrantInnenvereinen organisierten Demonstration, um den damals noch neuen Präsidenten Barack Obama um Unterstützung zu bitten. Hauptsächlich forderte man den Stopp von Verfolgung und Deportationen und eine integrale Reform der Migrationspolitik, die Familienzusammenführung, Zutritt zu den Universitäten für Kinder von ImmigrantInnen, medizinische Versorgung, würdige Gehälter und den Respekt der Menschenrechte. |
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