Politthriller: Die Verhaftung von Ex-Präsident Portillo
Fijáte 453 vom 3. Februar 2010, Artikel 2, Seite 3
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Politthriller: Die Verhaftung von Ex-Präsident Portillo
Guatemala, 28. Jan. Ex-Präsident Alfonso Portillo wurde am 27. Januar 2010 nach krimireifem Szenario festgenommen, als er sich gerade mit einem Boot ins benachbarte Belize absetzen wollte. Portillo, von 2000 bis 2004 guatemaltekischer Präsident, wurde sowohl von Guatemala als auch von den USA gesucht, im ersten Fall wegen Veruntreuung von Staatsgeldern, im zweiten wegen Waschens eben dieser Gelder bei US-Banken. Portillo war im Jahre 2005, als die ersten Vorwürfe gegen ihn auftauchten, zunächst nach El Salvador und dann nach Mexiko geflohen, wo er sich bis Oktober 2008 aufhielt. Seitdem befand er sich gegen Kaution auf freiem Fuss, meist wohl auf seiner Finca in Rio Hondo, Zacapa. Am 22. Januar ordnete der Richter Antonio Villena auf Antrag der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) die unverzügliche Verhaftung Portillos an. Die CICIG arbeitete vorgängig eng mit der Regierung der Vereinigten Staaten zusammen, welche Portillos Auslieferung forderte. Das Begehren der USA und der Einsatz der CICIG hat offensichtlich den guatemaltekischen Behörden Beine gemacht. Zunächst beobachteten MitarbeiterInnen der CICIG Portillo bei einem Fussballspiel am 23. Januar und anschliessend, wie er sich auf den Weg zu seiner Finca machte. Dies war der Startschuss für die Operation, die zur Verhaftung führen sollte. Polizei und Militärangehörige wurden zusammengezogen und sollten im Zuge einer normalen Inspektion den Gesuchten festnehmen. Allerdings machte ihnen zunächst das Gesetz einen Strich durch die Rechnung, welches Hausdurchsuchungen nach 18 h verbietet. Als sie es am Sonntagmorgen versuchten, war der Vogel ausgeflogen. Am 26. Januar 2010 waren die Sicherheitskräfte jedoch erfolgreich und - wie der Leiter der CICIG Carlos Castresana in einer Pressekonferenz mitteilte - erwischten Portillo "gerade, als er an Bord eines Bootes, das ihn Richtung Belize transportieren sollte, gehen wollte". Der Politthriller hat sein Happy-End. Und alle Kommentare, ob von Regierung, Opposition, Medien oder MenschenrechtsaktivistInnen, waren überschwänglich. "Ab in den Knast!" titelten die Zeitungen. Für den Präsidenten Guatemalas Álvaro Colom ist die Festnahme Portillos ein historisches Ereignis und ein Beweis dafür, dass das Gesetz für jeden gilt: "Jeder Bürger und jede Bürgerin unterliegt den gleichen rechtlichen Bestimmungen, egal um wen es sich handelt, ob Fachleute oder Funktionäre, das Gesetz ist für alle gleich." Auch für Otto Pérez Molina von der Patriotischen Partei, zeigt die Verhaftung Portillos, "dass man - sofern es den politischen Willen dazu gibt - Fortschritte erreichen kann im Kampf gegen die Straflosigkeit". Der Ex-Diktator und Gründer der Partei, für die Portillo 1999 die Präsidentschaftswahl gewann, General Efraín Ríos Montt, bat um eine objektive Beurteilung des Falles. Er habe jedoch Hoffnung und Vertrauen in den guatemaltekischen Rechtsstaat. Nach oben |
Für Castresana ist die Verhaftung ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit in Guatemala und zeige, dass niemand ausserhalb des Gesetzes stehe. Derjenige, der die Gesetze breche, werde früher oder später vor Gericht landen. Für den indigenen Aktivisten Álvaro Pop hilft die Verhaftung des Ex-Präsidenten nicht nur im Kampf gegen Straflosigkeit, sondern könne auch den Beginn markieren, "die kriminellen Netzwerke, die sich in diesem Staat eingelagert haben, auszurotten". Der Ex-Präsident könnte ein interessanter Kronzeuge werden, um diese Strukturen aufzudecken, sagte Pop weiter. Um ein solches Anliegen zu realisieren, müsste der Prozess in Guatemala stattfinden. Es liegt jedoch ein Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft von Manhattan (New York) vor. Wer über eine mögliche Auslieferung entscheidet, scheint jedoch noch unklar. Die für die Anklage gegen Portillo zuständige guatemaltekische Staatsanwältin Eunice Mendizábal erklärte, dass es eine Auslieferung in die USA nur dann geben könne, wenn Mexiko diesem zustimme. Für den Rechtsanwalt José Toledo liegt die Frage, wer gegen Portillo juristisch vorgehe, bei der Exekutive, da die Auslieferungsabkommen zwischen Guatemala und den USA dies so vorsähen. Das letzte Wort habe somit der Präsident. Nach Artikel 6 des genannten Abkommens könne die Auslieferung auch verschoben werden, zum Beispiel bis das Verfahren in Guatemala abgeschlossen sei. Wieder eine andere Version gibt der Generalstaatsanwalt Amilcar Velazquez, der erklärte, dass die USA 40 Tage Zeit hätten, ihren Auslieferungsantrag zu begründen, über den dann der Oberste Gerichtshof (CSJ) zu entscheiden habe. Und was sagt Portillo selbst zu all dem? Seine Verhaftung sei nichts weiter als "eine grosse Lüge und Konspiration", in der verschiedene Sektoren des Landes eingebunden seien. Er kündigte an, dass er in den Prozesstagen die Namen derjenigen nennen werde, die in seine politische Verfolgung verwickelt seien. "Ich bin ruhig und gelassen, ich habe Vertrauen in Gott und die Gerechtigkeit und dass man den Rechtsstaat respektieren wird." Fragt sich, wie es nach diesem spektakulären Ereignis weitergeht. Wird es zur erster Verurteilung eines ehemaligen Präsidenten Guatemalas kommen? Werden Hintergründe und Hintermänner der klandestinen Parallelstrukturen, von denen Castresana gesprochen hat, aufgedeckt? Oder wird nach dem Paukenschlag der einlullende Marsch durch die juristischen Institutionen beginnen? ¡Fijáte! wird darüber berichten. |
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