Interamerikanischer Gerichtshof sorgt für Gerechtigkeit im Fall des Massakers von Las Dos Erres
Fijáte 451 vom 6. Januar 2010, Artikel 4, Seite 5
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Interamerikanischer Gerichtshof sorgt für Gerechtigkeit im Fall des Massakers von Las Dos Erres
Guatemala, 23. Dezember. Was im Dorf Las Dos Erres, Departement Petén, zwischen dem 6. und 8. Dezember 1982 geschah, ist erschreckend, und die Verantwortlichen der Verbrechen sollen nun letztendlich dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Zeugen - Mitglieder der militärischen Spezialeinheit Kaibiles -, die an diesem Massaker beteiligt gewesen waren, sagten vor der 1994 erschaffenen staatlichen Wahrheitskommission (CEH) aus und gaben an, wie die guatemaltekische Armee dieses Dorf ausradierte. Der Befehl dazu wurde am 5. Dezember gegeben, da der Militärgeheimdienst die BewohnerInnen des Dorfes als SympathisantInnen der Guerilla einstufte. So geschah es, dass am 6. Dezember um 2 Uhr morgens 58 Kaibiles die Menschen mit Gewalt aus ihren Häusern schleppten, die Frauen und Kinder in zwei Kirchen und die Männer in der Schule einsperrten. Drei Stunden später hörte man den Schrei einer 14-jährigen, die von einem Soldaten vergewaltigt wurde. Nachmittags wurde dann mit dem Massaker begonnen. "Ein drei oder vier Monate altes Baby wurde in einen trockenen Brunnen geworfen (...), die Minderjährigen wurden durch Schläge auf den Kopf exekutiert, während die Kleinsten gegen Wände geschmissen wurden (...)", gibt der Bericht der CEH an. "Die schwangeren Frauen wurden zur Abtreibung gebracht, indem man auf ihre Bäuche einschlug oder man sie auf den Boden zwang und Soldaten auf sie sprangen bis das Kind herausgequetscht wurde." Am 7. Dezember ging das Massaker weiter, die bis dahin Überlebenden wurden gefoltert und am darauf folgenden Tag getötet. Insgesamt verzeichnete man 251 Todesopfer. Ausserdem wurde das gesamte Dorf dem Erdboden gleich gemacht. Ende des gleichen Monats besuchte eine Mission der US-Botschaft das Dorf und fand Spuren des Massakers vor. In ihrem Bericht wurde die guatemaltekische Armee als offensichtlich Verantwortliche genannt. Trotzdem leitete niemand gegen die 17 verdächtigen Militärs, die unter dem damaligen Präsidenten José Efraín Ríos Monttdienten, Ermittlungen ein. 1994 begann der Verein der Familienangehörigen von Inhaftierten und Verschwundenen in Guatemala (FAMDEGUA) den Fall zu untersuchen und zeigte das Massaker und die dafür Verantwortlichen an. FAMDEGUA führte Exhumierungen durch und stiess auf die Überreste der Gebeinde von 162 Menschen. Währenddessen lief der Prozess, und im Jahr 2005 gab das Verfassungsgericht einer Prozessbeschwerde von Seiten der Verteidigung nach. Als Folge wurden alle bisherigen Aktivitäten und auch Haftbefehle gegen die angeklagten Militärs annulliert. Auch waren während dieser Zeit einige der Angeklagten weiterhin in Armee oder Regierung tätig, wie z.B. Efraín Ríos Montt, der von 2000 bis 2004 Kongressabgeordneter war. Daraufhin ersuchte FAMDEGUA im April 2008 um Rechtssprechung bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, welche den Fall im Oktober des gleichen Jahres an den Interamerikanischen Gerichtshof übergab. Nach oben |
Am 14. Dezember 2009 wurde nun die Entscheidung in La Paz, Bolivien, getroffen. Der Interamerikanische Gerichtshof verdonnert den Staat Guatemala zu 3,1 Millionen US-Dollar, die an die Opfer und ihre Familien (zwei Überlebende und 153 Angehörige) zu zahlen sind. Der Gerichtsbeschluss ist bindend, und es kann kein Einspruch erhoben werden. Guatemala wird ausserdem für die Verletzung des Rechts auf seinen Namen, auf Familie und für die Vernachlässigung des Schutzes überlebender Minderjähriger verantwortlich gemacht. So wie in vielen anderen ähnlichen Fällen wurden Minderjährige bei dem Massaker von ihren Familien getrennt und von beteiligten Militärs adoptiert, die dann deren Namen änderten. Des weiteren wurden das Fehlen von Ermittlungen und Identifizierung der Gebeine von Seiten des Staates kritisiert sowie die Verletzung des Rechts auf Justiz, rechtlichen Schutz und Integrität der Überlebenden. Der Gerichtshof verpflichtet Guatemala dazu, Disziplinarmassnahmen und Rechtsverfahren gegen jene einzuleiten, die bisher den Prozess beeinträchtigt haben. Auch signalisierte der Interamerikanische Gerichtshof, dass eine Verspätung von mehr als 15 Jahren in einem Strafprozess nicht nur auf dessen Verzögerung durch Verfassungsbeschwerden (es waren mindestes 40, die von Seiten der Verteidigung eingereicht wurden) zurückzuführen ist, sondern auch auf das Fehlen von Interesse und politischem Willen von Seiten des Staates. Weiterhin wurde die Erschaffung einer Webseite angeordnet, die dazu verhelfen soll, die während des internen bewaffneten Konflikts von ihren Familien getrennten Kinder zu finden. Zudem soll das Gesetz über das Einreichen von Verfassungsbeschwerden bei Gericht überholt, der Gerichtsbeschluss veröffentlicht und die Verantwortung für die Verbrechen anerkannt werden, die Exhumierungen vom Staat weitergeführt und die Reste der Verstorbenen an die Angehörigen der Opfer des Massakers von Las Dos Erres übergeben werden. Guatemala akzeptierte dieses Gerichtsurteil als Teil der Wiedergutmachungspolitik bezüglich der Schäden, die durch den bewaffneten Konflikt verursacht wurden. |
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