Lynchjustiz statt Rechtsprechung
Fijáte 452 vom 20. Januar 2010, Artikel 1, Seite 1
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Lynchjustiz statt Rechtsprechung
Auch 2009, insbesondere in den letzten Wochen des Jahres, verzeichnete Guatemala etliche Fälle von Lynchjustiz. Dieses Phänomen ist Ausdruck der Seit 1996, nach fast 40 Jahren Bürgerkrieg, der 200.000 Todesopfer, 500.000 Verschwundene und eine Million Vertriebene forderte, steigt die Gewaltrate in Guatemala exponentiell an. Das Land hat es nicht geschafft, den Fängen von Mictlantecuhtli, dem Señor des Todes - dunkelster Gott der Maya-Mythologie - zu entkommen. Entführungen, Kinderraub, Überfälle und Frauenmorde sind in Guatemala fast an der Tagesordnung. Als Antwort auf diese Gewalt und auf die augenscheinliche Unfähigkeit der Regierung, für Sicherheit zu sorgen, wird vermehrt auf Lynchjustiz zurückgegriffen. Dieser alarmierende Ausdruck sozialer Missstände ist schon seit Urzeiten bekannt. Aber erst 1780 bekam diese Praxis in Virginia ( Seit 1996 registrierte man in Guatemala offiziell Hunderte von Fällen von Lynchjustiz. Der erste verzeichnete Fall geschah in der Hauptstadt, als ein im Parque Central arbeitender Schuhputzerjunge des Diebstahls einer Brieftasche bezichtig wurde. Umringt von einer Gruppe von StudentInnen wurde er durch Fusstritte umgebracht. Zwischen 1996 und 2003 gab es laut der Wieso zur Lynchjustiz greifen?Die Wehrlosigkeit der Bevölkerung gegenüber der hohen Gewaltrate in den Städten und auf dem Land, begleitet vom schlechten Ruf des Justizsystems, sind die Hauptursachen der Lynchjustiz. Laut Trotz der fast täglichen Exekutionen sind die aufgeklärten Fälle eher rar. Dies versetzt die Bevölkerung in einen permanenten Zustand der Angst und Unsicherheit. In den ländlichen Zonen hat die Polizei ihren Einfluss verloren: die BeamtInnen befürchten Racheakte als Reaktion auf Verhaftungen, und die Bevölkerung weigert sich aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen oder weil sie mit den Exekutionen einverstanden ist, Aussagen zu machen. Dazu kommt eine Art Nachahmungseffekt: Im Wissen drum, dass der Staat nicht die Mittel aufweist, um es zu verhindern bzw. strafrechtlich zu verfolgen, greifen immer mehr Leute zur Selbstjustiz. Allerdings ist es schwierig, eine Verbindung zwischen der hohen Verbrechensrate und der Lynchjustiz als Antwort darauf, herzustellen. So ist z. B. das Department Dazu kommt noch ein rechtliches Problem: das Strafgesetzbuch definiert keine Delikte, die von einer Gruppe begangen werden, d.h. der guatemaltekischen Gesetzgebung ist es nicht möglich, eine ganze Menschenmenge zu belangen. Zur Zeit gibt es ein Gesetzesprojekt im Kongress, das Lynchjustiz als Delikt zu klassifizieren versucht. Neben der aktuellen Gewalt ist auch die gewalttätige Geschichte des Landes eine Ursache der Lynchjustiz. Während des Bürgerkrieges (1960-96) ging die Armee mit politischer Manipulation und mit Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vor, was eine Spirale der Gewalt auslöste. Diese wurde mit der Gründung paramilitärischer Gruppen verstärkt, deren Gewalt hauptsächlich gegen die indigene Landbevölkerung gerichtet war. Folge davon waren |
So verwundert es nicht, dass die Bevölkerung heutzutage bei ihren Exekutionen die Methoden von damals kopiert: die Opfer werden vor den Augen der Gemeinde gefoltert und dann verbrannt. Verschiedene Berichte stimmen auch darin überein, dass viele der Anstifter der Lynchfälle Exmitglieder der Organisierte Spontaneität oder Mayarecht?Lynchjustiz sind laut Definition impulsive Handlungen wütender BürgerInnen, die vermeintliche VerbrecherInnen zu bestrafen bzw. hinzurichten versuchen. Aber es gibt starke Hinweise darauf, dass in einigen Fällen, trotz augenscheinlicher Spontaneität die Exekutionen von jemanden geplant oder dazu angestiftet wurden, und zwar aus Gründen wie Rache oder aus wirtschaftlichen und politischen Interessen. Oft wird die Lynchjustiz auch als Teil des Rechtssystem der indigenen Bevölkerung dargestellt. Dies ist aber unbegründet. Das mündlich überlieferte Mayarecht erlaubt den Mitglieder einer Gemeinde, die Verbrechen die in ihr geschehen, zu bestrafen. Es erlaubt aber nicht die Aktuelle Beispiele von LynchjustizAm 27. November 2009 wurden in Sololá zwei Männer und eine Frau gelyncht, da sie vermeintlich einen Busfahrer ermordet hatten. Am 4. Dezember 2009 liessen drei weitere mutmassliche VerbecherInnen ihr Leben in einer Lynchaktion im Departement Laut Innenminister Raúl Velásquez sind diese Fälle von DrogenhändlerInnen oder GemeindeanführerInnen angestiftet worden. Von Seiten des Staates werden Massnahmen diskutiert, um der Lynchjustiz vorzubeugen und den Prozessablauf bei Gericht zu beschleunigen mit dem Ziel, das Bild der Straflosigkeit in der Bevölkerung zu ändern. Seit 1999 existiert ebenfalls die Nationale Kommission der Prävention der Lynchjustiz, die Polizei, Staatsanwaltschaft und Zivilgesellschaft koordiniert. Allerdings ist deren Arbeit oft nicht sehr effektiv, da z. B. in Sololá viele indigene AnführerInnen aus Angst um ihr Leben nicht teilnehmen wollen. So bleibt also abzuwarten, und währenddessen lacht Mictlantecuhtli, der Señor des Todes, weiterhin. |
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