Gewalttätige Überfälle auf Journalisten und MR-Aktivisten
Fijáte 417 vom 27. August 2008, Artikel 5, Seite 5
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Gewalttätige Überfälle auf Journalisten und MR-Aktivisten
Guatemala, 23. Aug. Der Journalist und Präsident des Verlagsrates der Tageszeitung elPeriódico, José Rubén Zamora, wurde Mitte dieser Woche kurz nach Mitternacht aus einem Restaurant in der Hauptstadt von Unbekannten entführt und in der etwa eine halbe Stunde Autofahrt ausserhalb liegenden Stadt Chimaltenango morgens zusammengeschlagen und mit narkotischen Substanzen bewusstlos gemacht aufgefunden. Zamoras Wagen wurde ein paar Strassen von dem Restaurant abgestellt - von Gebäudeobservierungskameras gefilmt - es wurde versucht mit seinen Kreditkarten Geld abzuheben und sein Mobiltelefon wurde benutzt. Den Familienangehörigen, die versuchten, sich mit Zamora telefonisch in Verbindung zu setzen, wurde von den Entführern mit beleidigenden Kommentaren geantwortet und gesagt, er sei bereits ermordet worden. Vom Krankenhaus in Chimaltenango wurde Zamora am nächsten Mittag als unbekannt in eine Privatklinik in die Hauptstadt verlegt, wo er, als er wieder zu Bewusstsein kam, sich mit seiner Familie in Verbindung setzte. Zamora war bereits Mitte 2003 gemeinsam mit seiner Familie Opfer eines schwer bewaffneten Überfalls auf sein Wohnhaus geworden, der Mitgliedern des inzwischen aufgelösten Präsidialen Generalstabs (EMP) des Ex-Präsidenten Alfonso Portillo zur Last gelegt wurde. ¡Fijáte! (Nr. 289) berichtete. Seit diesem Vorfall hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission Schutzmassnahmen für Zamora angeordnet, diese wurden jedoch mit Antritt der neuen Regierung auf Geheiss des neuen Verantwortlichen des Sekretariats für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten des Präsidenten (SAAS), Carlos Quintanilla, aufgehoben. Am Tag von Zamoras Entführung wurde der Journalist Óscar Ismatul, der zum Investigativteam von elPeriódico gehört und sich in letzter Zeit mit den Themen Korruption und Missmanagement der Regierungsriege beschäftigt hat, von Unbekannten verfolgt, selbst als er in einen Bus stieg, um so seinen Verfolgern zu entkommen. Als er ausstieg wurde er schliesslich von ihnen zu Fuss angehalten, beleidigt, mit Schusswaffen bedroht und geschlagen, bevor ihm die Tasche mit seinen Unterlagen abgenommen und er gewarnt wurde, er solle aufhören zu reden, sonst wäre er tot. Bereits Anfang August wurde der indigene Anwalt Amílcar Pop von Unbekannten bedroht und verfolgt. Amnesty International verfasste dazu dieser Tage eine Eilpetition und berichtet von dem Vorfall: "(…) In der Nacht des 1. August 2008 fuhr er durch Guatemala-Stadt und bemerkte, dass er von einem weißen Pick-up-Laster ohne Nummernschilder verfolgt wurde. Der Lieferwagen beschleunigte plötzlich, zog vor das Fahrzeug des Rechtsanwalts und zwang ihn zu einer Vollbremsung, wobei er sich verletzte. Zwei maskierte und mit Pistolen bewaffnete Männer stiegen aus dem Pick-up aus und versuchten, die Wagentür von Amílcar de Jesús Pop aufzureißen. Dabei schrien sie: "Du hast nichts dazu gelernt". Dann drohten sie damit, ihn umzubringen und erklärten, es sei kein Problem, ihm "ein paar Kugeln zu verpassen und ihn ins nächste Leben zu schicken." (…) Amílcar Pop gelang es davonfahren, doch die Männer verfolgten ihn über 30 Minuten. Als er glaubte, den Pick-up abgehängt zu haben, fuhr er zu einem Krankenhaus, um [sich] (…) behandeln zu lassen. Als er das Krankenhaus betrat und aus dem Fenster guckte, stellte er fest, dass der weiße Wagen ihn weiter verfolgt hatte und nun hinter seinem Auto parkte. (…) Nach oben |
Bereits zuvor hatte Amílcar Pop Drohanrufe erhalten. (…) Die Generalstaatsanwaltschaft leitete zwar eine Ermittlung ein, diese hat aber bis heute keine Ergebnisse erzielt. Pop geht davon aus, dass die Drohungen und die Verfolgungsjagd (...) mit seiner Arbeit für Angehörige indigener Gemeinschaften im Verwaltungsbezirk San Juan Sacatepéquez in der Nähe von Guatemala-Stadt in Zusammenhang stehen. In den vergangenen Jahren hat die Maya-Rechtsanwaltsvereinigung Gemeinden in San Juan Sacatepéquez unterstützt, die auf ihr Recht bestehen, beim Bau eines Zementwerks in ihrer Region in den Konsultationsprozess einbezogen zu werden. Nachdem im Juni dieses Jahres ein Mensch offenbar im Zusammenhang mit dem Streit über das Zementwerk getötet worden war, hatte der Staatspräsident von Guatemala den Ausnahmezustand über das Gebiet San Juan Sacatepéquez verhängt." (siehe auch ¡Fijáte! 413) Obwohl der Ausnahmezustand längst aufgehoben wurde, ist die Situation in San Juan weiterhin angespannt, nur noch wenig davon dringt an die Öffentlichkeit. Zahlreiche PolizeibeamtInnen sind in zwei Gemeinden stationiert, über deren repressive Präsenz sich die Bevölkerung beschwert und sie des Autoritätsmissbrauchs und gar der Vergewaltigung von Frauen bezichtigt. Die AgentInnen wiederum beklagen nicht nur ihre unzureichende Versorgung und Ausstattung, sondern sehen sich zudem konfrontiert mit einem lokalen paramilitärischen Sicherheitsgremium, das auf Patrouille geht und seinerseits gewalttätig gegen die Bevölkerung vorgeht. In Bezug auf den Konflikt um die Zementfabrik stehen die Vorwürfe gegen die Vereinigung der Maya-AnwältInnen und -NotarInnen, gegen Rigoberta Menchú und ihre Stiftung sowie gegen die lokale Aktivistin Carmela Curúp, die Bevölkerung aufgestachelt zu haben und hinter dem Mord an dem Francisco Tepeu zu stecken, der sich für die Vermittlung im Streit eingesetzt hatte, weiter im Raum. Die von elPeriódico aufgedeckte Verbindung zu dem Militär Búcaro (siehe ¡Fijáte! 413) wird hingegen nicht (mehr) genannt. |
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