Der nicht deklarierte Krieg
Fijáte 424 vom 03. Dezember 2008, Artikel 8, Seite 6
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Der nicht deklarierte Krieg
Guatemala, 25. Nov. Anstelle der jährlichen Beschreibung der Demonstration von Frauenorganisationen am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, geben wir den Kommentar von Marielos Monzón in der Tageszeitung Prensa Libre wieder. "Angesichts der schrecklichen Zahlen der Morde, Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffe, häuslicher Gewalt und schwerer Verletzungen an Frauen können wir folgern, dass dem Leben der Frauen in unserem Land kein Wert gebührt. Als ob unser Leben und unsere Sicherheit egal seien, die Morde und Gewalt allein unser Problem seien und wir schauen müssten, wie wir es lösen. In Guatemala wird die Gewalt an Frauen gerechtfertigt als Teil der Kultur und der "natürlichen" Beziehungen zwischen Männern und Frauen; ausserdem wird immer wieder versucht, sie als häusliches und privates Problem darzustellen, weswegen ein Mantel des Schweigens und der Straflosigkeit darüber gebreitet wird. Bedeckt wird davon der Polizist, der die angegriffene Frau, die Anzeige erstatten will, fragt: "Was haben Sie angestellt, dass ihr Mann sie so übel zurichtet?", und der Abgeordnete, der ihr sagt, sie solle zum Frauenausschuss gehen, da es eine "Frauen-Angelegenheit" sei, wobei sie am Richter vorbeimuss, der der häuslichen Gewalt bezichtigt wird und einfach nur in einen anderen Gerichtsbezirk versetzt wird. Als wenn das noch nicht genug wäre, müssen die vergewaltigen Frauen zusätzlich die Schuld tragen für das, was mit ihnen passiert, der schreckliche Ausdruck "Verbrechen aus Leidenschaft" ist an der Tagesordnung und rechtfertigt den Täter; dazu kommen die Argumente, sie "habe einen Minirock getragen" oder sie "stand in Verbindung mit den Jugendbanden", als ob das ausreichende Gründe dafür wären, eine Frau zu ermorden, anzugreifen oder zu schlagen. Statt dass die Gewalt an Frauen zurückgeht, nimmt sie zu und versetzt Guatemala weit weg von Ländern, die sich für zivilisiert halten können. Laut Angaben der Polizei wurden zwischen Januar und Oktober 568 Frauen ermordet, bis August wurden zusätzlich 681 Frauen schwer verletzt. 80% der Morde und 72% der Übergriffe wurden mit Schusswaffen verübt. Die meisten Leichen der Frauen weisen Spuren von Vergewaltigung, Folter oder Verstümmelung auf, woran wir den Hass erkennen, mit dem diese Verbrechen begangen werden. Und es erlaubt uns zu behaupten, dass, was in diesem Land passiert, nichts anderes als Femizid ist: der gewaltsame Tod von Frauen, weil sie Frauen sind. Nach oben |
Obwohl zwischen 2001 und 2008 3´853 Morde an Frauen begangen wurden, sind bloss 52 Verurteilungen ergangen. Guatemala scheint ein Paradies der Straflosigkeit geworden zu sein für diejenigen, die sich der Aufgabe widmen, Frauen anzugreifen, zu vergewaltigen, zu belästigen und zu ermorden. Im gleichen Zeitraum sind im Krieg in Afghanistan weniger als 1000 US-amerikanische SoldatInnen ums Leben gekommen. Es ist also gefährlicher eine Frau in Guatemala zu sein, als gegen Al-Qaida zu kämpfen. Aber es kann einfach nicht sein, dass die Dinge so weiterlaufen und immer schlimmer werden, dass die Antwort auf die Gewalt an Frauen Gleichgültigkeit und Schweigen ist. Es ist unabdingbar, die Problematik der Gewalt an Frauen in einer ganzheitlichen, sofortigen und interdisziplinären Weise anzugehen. Es muss endlich eine Kultur des Anzeigeerstattens und der Null-Toleranz gegen Gewalt gefördert werden, Präventionsarbeit geleistet werden durch massive Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen. Die gültigen Gesetze, besonders die zum Femizid und anderen Formen der Gewalt, müssen angewendet und neue - wie das Waffen- und Munitionsgesetz - verabschiedet werden, die dazu beitragen, das Problem zu beseitigen und nicht, es zu verschlimmern. Die Gewalt gegen Frauen ist nicht naturgegeben und darf nicht toleriert werden. Es ist an der Zeit, unsere Stimmen zu erheben für das Leben und die Sicherheit der Frauen." |
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