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Überlegungen zur Straflosigkeit in Guatemala

Fijáte 405 vom 05. März 2008, Artikel 1, Seite 1

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Überlegungen zur Straflosigkeit in Guatemala

9. Auch wenn es sich heute nicht wie zu Zeiten des bewaffneten Konflikts um eine systematische Politik des Staates handelt, steht dessen Verantwortung für die Gewalt, die Unsicherheit und die Straflosigkeit ausser Frage. Der Staat muss das Recht auf Leben, die Sicherheit und die Freiheit eines jeden Menschen garantieren und muss für das effektive Funktionieren derjenigen Justizinstitutionen bürgen, die diese Rechte schützen.

10. Die Instabilität im Justizwesen wird ausgenutzt von kriminellen Strukturen, die innerhalb oder ausserhalb des Staatsapparates im Interesse der Machtelite operieren. Sie bedienen sich Mittel wie dem politischen Druck, der Gewalt oder der Korruption, um ihre Ziele zu erreichen, und bringen die "Maschinerie der Straflosigkeit" ins Laufen, um sich und ihre Auftraggeber zu schützen.

11. Es gibt genügend Beispiele und Beweise, um dem Staat nationale und internationale politische Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen. Es ist auffällig und offensichtlich, dass der Staat nicht in der Lage ist, Gewalt und Kriminalität zu verhindern. Ebenso wenig ist er in der Lage, begangene Gewalt und Kriminalität zu verfolgen und dem Gesetz entsprechend zu bestrafen.

12. Beispiel dafür ist die Staatsanwaltschaft, deren Erfolgsquote sehr bescheiden ist. Ein Monitoring der "Pro-Justiz-Bewegung" in den Jahren 2005 - 07 zeigt, dass 90% der Untersuchungen von Verbrechen gegen das Leben und die sexuelle Integrität im Nichts versandeten.

13. (…)

14. (…)

15. Auch die VGZivile NationalpolizeiNF (PNC) steckt tief in diesem Sumpf von Verbrechen, Gewalt und Straflosigkeit. Die polizeiliche Untersuchungstätigkeit ist wegen personellem und finanziellem Mangel sehr eingeschränkt. Dazu kommen notorische Koordinationsschwierigkeiten mit der Staatsanwaltschaft. Und für niemanden ist es ein Geheimnis, dass die Polizei vom organisierten Verbrechen unterwandert ist.

16. Auf diese Weise wiederholen sich in der PNC selbst solche Phänomene und Praktiken wie u.a. das Bestehen interner Strukturen, die in "gemeine" Straftaten verwickelt sind, Korruption, Aktionen, die in Verbindung stehen mit dem organisierten Verbrechen, aussergerichtliche Hinrichtungen, Machtmissbrauch, exzessive Gewaltanwendung und der unangemessene Gebrauch von Schusswaffen.

17. Im Verlauf der letzten 20 Jahre gab es immer wieder Versuche, die Polizei und das Justizwesen zu modernisieren, umzustrukturieren und zu stärken mit dem Ziel, die noch aus den Zeiten des bewaffneten Konflikts bestehenden Machtkonstellationen und Strukturen zu zerstören. Der Erfolg ist minimal.

Vor diesem komplexen Hintergrund gibt die Mirna-Mack-Stiftung folgende Empfehlungen und bittet die UNO-Sonderbeauftragte für Menschenrechte, Hina Jilani, sie bei der guatemaltekischen Regierung vorzubringen:

1. Die Straflosigkeit hat ein Ausmass angenommen, das man als eine massive Form von Menschenrechtsverletzung betrachten muss.

2. Deshalb braucht es eine allgemeine Politik und punktuelle Massnahmen, welche die Wurzeln dieses Übels anpacken. Dazu gehört eine tadellose Koordination zwischen Sicherheits- und Justizwesen, um eine solide, objektive, integre und wissenschaftliche Untersuchung von Verbrechen zu gewährleisten.

3. Der guatemaltekische Staat muss intensiv mit der VGInternationalen Kommission gegen StraflosigkeitNF (CICIG) bei der Untersuchung und Aufdeckung krimineller Strukturen innerhalb des Staatsapparates kooperieren.

4. Ebenso vorbehaltslose Unterstützung braucht das Nationale Institut für forensische Wissenschaften (VGINACIFNF). Diese Institution ist wichtig bei Untersuchungen von Verbrechen gegen das Recht auf Leben und sexuelle Integrität, bei Gewalt gegen Frauen und bei kriminellen Verbrechen politischer Natur.

5. Sowohl im Justiz- wie im Sicherheitswesen braucht es klare Bestimmungen über Ausbildung und Bewilligungsverfahren zur Berufsausübung. Es müssen objektive Instrumente für das Monitoring und die Evaluation der Arbeit dieser Institutionen und ihrer MitarbeiterInnen geschaffen werden sowie klare Sanktionsregeln. Damit soll ein unabhängiges und unparteiliches Arbeiten dieser Institutionen garantiert und ethische bzw. professionelle Standards gesetzt werden.

6. Das VGInnenministeriumNF muss interne Untersuchungen bei der Polizei fördern und unterstützen und jegliche Verwicklung von Polizeiangehörigen in Verbrechen oder aussergerichtliche Hinrichtungen strengstens sanktionieren.

7. Gleichzeitig muss der Opferschutz ausgebaut werden. Es muss den Opfern von Gewalt und Kriminalität eine psychosoziale und medizinische Unterstützung sowie juristische Begleitung gewährleistet werden.


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