Was lange währt...: Adoptionsgesetz verabschiedet
Fijáte 400 vom 19. Dez. 2007, Artikel 7, Seite 5
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Was lange währt...: Adoptionsgesetz verabschiedet
Guatemala, 12. Dez. Seit 10 Jahren diskutiert, seit 5 Jahren mehr oder weniger in den Schubladen des Kongresses archiviert, ist dieser Tage trotz Manipulationsversuchen das Gesetz zur Regulierung von Adoptionen verabschiedet worden. Es entspricht der im Mai dieses Jahres ratifizierten Konvention von Den Haag (siehe ¡Fijáte! 386) und tritt wie diese am 01. Januar 2008 in Kraft. Vor allem die Wahl dieses Datums hatte zuletzt für Empörung besonders seitens zivilgesellschaftlicher Organisationen geführt. Im Rahmen der Gesetzeslesungen im Kongress seit November war von den ParlamentarierInnen der Vorschlag in Erwägung gezogen worden, den Eintritt der Norm auf April zu verschieben. Der Grund: die Den Haager Konvention hat in den USA erst ab April Gültigkeit, wenn diese in Guatemala aber schon früher in Kraft trete, könnten vier Monate lang keine Kinder in die Vereinigten Staaten zur Adoption gegeben werden. Denn die Konvention setzt die Mitgliedschaft beider an einer Adoption beteiligten Länder voraus. Und die meisten guatemaltekischen Kinder werden nun mal von US-amerikanischen Adoptiveltern entgegengenommen. Nur China übertrifft die Zahl seiner in die USA abgegebenen Kleinen. Gerüchten zufolge hatte eine Reihe von Kongressabgeordneten im Vorfeld zumindest Angebote, wenn nicht auch Bestechungsgelder von der zum florierenden Geschäftszweig avancierten Gruppe erhalten, die sich wenigstens in den fraglichen vier Monaten ihre Einkünfte noch sichern wollten. Ein Ring von AnwältInnen, ÄrztInnen, ÜbersetzerInnen, KinderpflegerInnen und LogistikerInnen hatte von der bislang äusserst laxen Handhabung der Adoptionsvergabe in Guatemala seit Jahren profitiert und im Zweifelsfall - wenn also keine Eltern überredet, bezahlt oder Frauen zeitnah geschwängert werden konnten - der Kindesbeschaffung nachgeholfen, indem sie die benötigten Säuglinge einfach den Müttern zum Teil gar auf offener Strasse entrissen, Kinder entführten und auch entsprechende Kontakte zu Privatkliniken im ganzen Land pflegten. Dem Generalprokurat (PGN) liegen derzeit mehr als 1´900 Anzeigen wegen Kindesentführung vor. Laut dem Jahresbericht des Menschenrechtsprokurats (PDH) seien im Jahr 2006 4´803 internationale Adoptionen registriert worden. Von diesen seien jedoch lediglich 3% juristisch als "adoptierbar" deklariert, also ohne jegliche Möglichkeit im weiteren Umkreis in der biologischen Familie untergebracht werden zu können. Dagegen wurden 97% "freiwillig von den Eltern abgegeben". Offizielle Daten belegen, dass zwischen 1997 und 2006 23´474 guatemaltekische Babys praktisch ins Ausland verkauft worden seien und belegen den Ruf Guatemalas als Kinderexportland - dem zweiten nach Russland. Allein im endenden Jahr sind laut Angaben der US-Botschaft 4´758 guatemaltekische Kinder von US-AmerikanerInnen adoptiert worden. Das sind 15% mehr als im Jahr zuvor. Jorge Meng von der PGN vermutet wohl zu Recht, dass die Adoptiveltern und beteiligten NotarInnen die Verfahren noch vor Eintritt der Konvention über die Bühne bringen wollten. Die Menschenrechtsaktivistin Iduvina Hernández erinnert an die historische Reichweite der Adoptionspraxis in Guatemala: "Während der Zeit der Aufstandsbekämpfung und mit dem Tenor der "Klandestinität", die die Staatsaktionen gegen seinen "inneren Feind" deckten, entstand ein Netzwerk, dass sich der Adoption widmete. Dieses Netz nährte sich in erster Linie durch Jungen und Mädchen aus Dörfern, in denen vorher Massaker an der Bevölkerung verübt worden waren, die von den Kleinen überlebt wurden. Diese wurden dann wie Ware von einer Kaserne zur nächsten weitergereicht. Weitere Kinder, denen sich besagtes Netzwerk "annahm", waren in der Gefangenschaft geboren worden und ihren Müttern, die festgenommen und verschwunden gelassen worden waren, als eine weitere Foltermassnahme aus den Armen gerissen, um in die Adoption gegeben zu werden, zumeist ins Ausland. Nach oben |
Mit den Jahren hat sich daraus eine äusserst mächtige Gruppe entwickelt, zu der AnwältInnen gehören, die darauf spezialisiert sind, "Adoptionen zu organisieren"." Soweit Hernández. Noch-Präsident Oscar Berger zeigte nicht nur seine Zufriedenheit ob der Gesetzesverabschiedung - "Es ist wunderbar, über eine Adoptionsnorm zu verfügen" - sondern auch eindeutig sein patriarchales Unverständnis der Situation: "Wir wollen, dass dieses Adoptionsgeschäft aus der Welt geschafft wird. Wir wissen von Müttern, die sich gegen einen bestimmten Preis schwängern lassen. Jetzt wird man eine bessere Kontrolle haben können." Die Anwältin Susana Luarca von der Vereinigung der VerteidigerInnen der Adoption kündigte an, Einspruch gegen das Gesetz einzulegen. Zudem stellte sie die Kapazität des Staates in Frage, sich um die Kinder in den staatlichen Waisenheimen zu kümmern. Sollten die notariellen Adoptionen - also die Kindesvergabe allein mittels NotarInnen verschwinden, gäbe es auch keine privaten Kinderheime mehr. Luarca meinte dies als Warnung, doch immer wieder waren nicht erst in letzter Zeit solche Kinderheime ohne staatliche Lizenz entdeckt worden, in denen nicht registrierte Kinder unter katastrophalen Bedingungen ihrer "Auslieferung" harrten. Mit 109 Ja- und einer Gegenstimme - von eigentlich 158 Abgeordneten, von denen sich jedoch die fehlenden just für diese entscheidende Sitzung entschuldigt hatten, wurde das Adoptionsgesetz letztendlich verabschiedet. Dieses schafft nun den Nationalen Adoptionsrat (CNA), der wiederum die Verfahren und Prozesse reguliert und die nationale Gesetzgebung der Den Haager Konvention anpasst. Nur der unabhängige Abgeordnete Julio Lowenthal votierte mit Nein, seines Erachtens nach müsse das Justizsystem sich der Adoptionsverfahren annehmen. Der Adoptionsrat autorisiert und verifiziert die zukünftigen Anträge ohne jede Gebühr. EinE Kinder- und JugendrichterIn muss mit Zustimmung der biologischen Eltern, die vorher eine Beratung erhalten sollen und kein Geld, die Adoptionsfreigabe bestimmen. Zwei Verbote wurden im Laufe der Lesungen noch eingebracht: Danach gilt die Zustimmung einer minderjährigen Person zur Adoption nicht als ausschliessliche Rechtfertigungsgrundlage und die Zustimmung der biologischen Eltern darf erst nach der Geburt erfolgen. Der CNA wählt die Adoptionseltern aus und soll guatemaltekischen Eltern den Vorzug geben, eine internationale Adoption wird nur eingeleitet, wenn die höheren Interessen des Kindes gewahrt bleiben. Und schliesslich müssen die Einrichtungen, die sich derweil um die Kinder kümmern, vom Adoptionsrat bewilligt und kontrolliert werden. Auch einige europäische DiplomatInnen begrüssten die Gesetzesverabschiedung und kündigten ihr Interesse an, die Adoption von guatemaltekischen Kindern wieder aufnehmen zu wollen, die vor rund fünf Jahren aufgrund der offensichtlichen Rechtslücken unterbunden worden war. |
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