Handel vereinigt? - Verhandlungsstart zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union
Fijáte 381 vom 21. März 2007, Artikel 1, Seite 1
Original-PDF 381 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte
Handel vereinigt? - Verhandlungsstart zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union
Die Europäische Union (EU) und Zentralamerika beginnen im März die Verhandlungen, die es erlauben werden, einen Handelsvereinigungsabkommen zwischen beiden Regionen aufzustellen. Doch angesichts der Tatsache, dass Mittelamerika keine grosse Handelsbedeutung für Europa hat und auch für die Zukunft keinen signifikanten Absatzmarkt darstellt, muss man sich zwangsweise die Frage nach dem Warum dieses Abkommens stellen. Laut AnalystInnen besteht dessen Hauptzweck darin, europäischen transnationalen Unternehmen die Türen in die Winkel zu öffnen, wo die Region noch Perspektiven zur Privatisierung anbietet. Dies wird gleichzeitig der EU ermöglichen, ihre Positionen auf dem multilateralen Handelsfeld zu stärken, speziell in den Themen, bei denen auf der Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) kein Fortschritt zu verzeichnen ist. Die VertreterInnen der EU gestehen diese Gründe durchaus zu, ziehen es jedoch vor, andere Aspekte des Abkommens hervorzuheben, wie den politischen Dialog, die Zusammenarbeit und eine spezielle Menschenrechtsklausel. Doch hier stellt sich für bestimmte Gruppen der Zivilgesellschaft, die noch nicht wissen, ob sie an den Verhandlungen teilnehmen werden, eine neue Frage: Wäre es möglich, den kommerziellen Teil der Vereinbarungen abzulehnen, ohne andere Abschnitte zu gefährden (eingeschlossen der Ressourcenfluss aus der EU)? Wir veröffentlichen einen Artikel, der in der Nr. 1692 von Inforpress Centroamericana erschienen ist. Die Schaffung eines Vereinigungsabkommens zwischen EU und Zentralamerika wird seit dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs/chefinnen der EU, Lateinamerika und der Karibik vorangetrieben, der im Mai 2004 im mexikanischen Guadalajara stattfand. Im Mai 2006, während eines entsprechenden Gipfels in Wien, konkretisierten die VertreterInnen der EU und des Isthmus bereits einige Details des Abkommens, das zum ersten Mal zwischen beiden Regionen ein Freihandelsabkommen (TLC) enthält. Doch die EU hat wissen lassen, dass sie mit Zentralamerika nur en bloque verhandelt. Auf diese Weise hat sie die Verhandlungseröffnung für den TLC gleich mit einer grundlegenden Voraussetzung konditioniert: die Vertiefung der regionalen Wirtschaftsintegration. Gemäss der Deklaration von Wien handelt es sich bei dieser Integration vor allem um einen institutionellen Rahmen, die Zollunion und die Eliminierung von nicht-tariflichen Handelsbarrieren im innerregionalen Handel. "Diese Voraussetzung trägt zur Vereinfachung des Handelsprozesses bei und zur zukünftigen freien Zirkulierung von Waren- und Dienstleistungen innerhalb der Region, die aus der EU stammen", sagt Analyst Tobias Lambert von der Heinrich Böll-Stiftung. Der Repräsentant der Europäischen Kommission in Guatemala, Joao Melo de Sampaio, ist der Ansicht, dass die Zollunion synonym steht für einen integralen Markt, der erlaubt, alle sechs Länder des Isthmus (Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala) als eine einzige Region zu fördern. Im Interview mit Inforpress berichtet der Diplomat, dass die betroffenen Länder einverstanden seien mit 82% der Vorschläge über die Verteilung der Einnahmen der peripheren Zölle und übrigen Einfuhrsteuern. Gleichwohl gäbe es zwei weitere Schlüsselthemen zu verhandeln: 1. Die Ratifizierung des Zentralamerikanischen Vertrags über Investitionen und Dienstleistungen und 2. die Entwicklung eines Hoheitssystems zur Absicherung der regionalen Wirtschaftsdisziplinen. Hinsichtlich dieses letztgenannten Mechanismus hat die EU bereits 10 Mio. Euro während fünf Jahren investiert, um den Gerichtshof, das Generalprokurat und die anderen juristischen Institutionen zu stärken. Inzwischen zeigt sich die EU, die anfangs von Zentralamerika eine einzelne Verhandlungsperson für die Diskussionen um ein eventuelles Handelsabkommen gefordert hat, dazu bereit, mit einem Team aus VertreterInnen der einzelnen Länder zu verhandeln. Francesca Mosca, die EU-Botschafterin in Nicaragua, wies unterdessen darauf hin, dass der zentralamerikanische Vorschlag vom Block der 27 europäischen Länder akzeptiert werden müsse. Zudem versicherte sie, dass die Zivilgesellschaft der Region an den Verhandlungen beteiligt werden sollte. Dafür sei vorgesehen, Anfang März ein Forum in Honduras zu organisieren. Derweil versicherte Melo de Sampaio, dass die EU nicht vorhabe, einen simplen Freihandelsvertrag mit Zentralamerika schliessen zu wollen, sondern dass ein Abkommen mit einer politischen Dimension und einer Vertiefung der Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen sei. Durch dieses will die Europäische Union Zentralamerika mit US-$ 1 Mrd. unterstützen, deren Auszahlungen zwischen 2007 und 2013 für priorisierte Programme wie den Kampf gegen Armut, Umweltprobleme und die Verbesserung der Niveaus von Sicherheit und Justiz getätigt werden sollen. DR-CAFTA II?Obwohl das Abkommen tatsächlich Themen wie den politischen Dialog, die Zusammenarbeit und eine Menschenrechtsklausel beinhaltet, liegt doch der Nachdruck laut einigen AnalystInnen auf dem Wirtschaftsaspekt. "Es ist ein Abkommen mit all dem neoliberalen Einfluss des Freihandels, der die Grossen begünstigt und die schädigt, die immer benachteiligt werden", sagt Mario Rodríguez vom Entwicklungsstudienrat (CIID). Entsprechend sind die Erläuterungen des Wirtschaftsministers von Guatemala zu interpretieren, gemäss dem das Verhandlungsteam aus vier Rundtischen bestehe: a) Marktzugang, b) Dienstleistungen, c) Institutionelle Angelegenheiten und d) Andere Themen. Ministeriale Aussagen bestätigen, dass die Aufmerksamkeit auf den Zugangsmechanismen zu den Märkten liegt, die erlauben werden, den Warenfluss zwischen den Regionen zu erhöhen. "Diese Ankündigung spiegelt bloss wider, welche Interessen wirklich verfolgt werden, und diesbezüglich unterscheiden sie sich in nichts von denen im Prozess um den Freihandelsvertrag zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA)", bringt es Rodríguez auf den Punkt. Seine Ansicht wird bestärkt durch die Aussagen von Peter Mendelson, dem Handelsbeauftragten der Europäischen Kommission, der meint: "Diese Vereinbarungen schaffen die Grundlagen für deutlich intensivere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den zentralamerikanischen wie andinen Ländern." Nach oben |
Guatemala verfolgt derweil eine ähnliche Strategie wie damals gegenüber den Vereinigten Staaten, indem es versucht, die Vorteile zu festigen, die die EU im Moment der Region durch das Allgemeine Präferenzsystem SGP Plus1 gewährt. "Mit anderen Worten heisst das", erklärt Rodríguez, "dass die Konsolidierung der Zugangsvorteile, die die grossen Exporteure geniessen, die in erster Linie in Verbindung mit Kaffee, Bananen, Tabak und Sesam stehen sowie in geringeren Mengen mit tropischen Pflanzen und Früchten, allein die grossen Unternehmensgruppen begünstigten wird, die die Gewinner des ganzen Prozesses der Handelsliberalisierung sind. Der Analyst setzt hinzu, die EU lasse dabei bereits durchblicken, dass Zentralamerika in ihrer Globalen Strategie nur zwei Dinge bedeuten kann: 1. Die gleichen Vorteile zu erreichen, die die mittelamerikanische Region den USA mittels des CAFTA zugebilligt hat und 2. die Themen aufzugreifen, die bei den WTO-Verhandlungen in der Doha-Runde auf der Strecke geblieben sind und somit sich den Zugang zum Markt der USA zu verschaffen, was zukünftige Vorteile generiere in den multilateralen Verhandlungen angesichts des Scheiterns der Verhandlungen von Hong Kong und des Ins-Stocken-geraten der Entwicklungsrunde in Doha. In diesem Sinne zentriert die Europäische Union ihr Interesse auf die Themen der Dienstleistungen, dem intellektuellen Eigentum, Regierungsinvestitionen und -käufen, schlicht: den Themen von Singapur auf der Agenda der WTO. Die Diskussion der Themen des politischen Dialogs und des Zusammenarbeitsprozesses an den Rundtisch der "Anderen Themen" zu delegieren, weisst darauf hin, dass die Handels- und Wirtschaftsaspekte definitiv vorherrschen, so wie es schon die Presseerklärung der EU-Delegation in Guatemala bestätigt: "Die Abkommen werden die Bedingungen schaffen für die graduelle Einführung einer Freihandelszone zwischen der EU und den beiden Regionen (Mittelamerika und Anden, die Red.) und werden sowohl den intra- wie biregionalen Handel entfalten." Angesichts dieser Prämissen schätzen zahlreiche AnalystInnen, dass das Ergebnis ein klassischer Freihandelsvertrag sein wird, im besten neoliberalen Stil der Deregulierung, mit Schutz für Investitionen und verwalteter Handelsvereinbarung in der Absicht, komparative Vorteile zwischen beiden Regionen zu erhalten. Suzan van der Meij vom Lobbyprogramm in Europa für Zentralamerika (PICA), sagt die Konsequenzen des Abkommens voraus: weniger Arbeitsplätze, ein eingeschränkterer Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen aufgrund der Privatisierungen und höhere Lebenshaltungskosten, die unter anderem auf die volkswirtschaftlichen Effekte sowie auf eine ungünstigere Handelsbilanz zurückzuführen sind, da die europäischen Importe zu- und die Exporte abnehmen werden. Geopolitische InteressenAuf diese Ängste angesprochen, gesteht Melo de Sampaio ein, dass die Art der Investitionen, die mit dem Abkommen in Zentralamerika vorangetrieben werden sollen, keine massive Zunahme von Arbeitsplätzen mit sich bringen wird, "aber das ist heutzutage normal, wo die neuen Arbeitsplätze meist Spezialisierungen nachfragen." Die mögliche Privatisierung von Dienstleistungen sieht der EU-Funktionär als ermutigend, "denn obwohl die Preise steigen, werden die Dienste auch besser und der Staat nimmt (von den Privatunternehmen) mehr Steuern ein, um in die öffentlichen Ausgaben investieren zu können." Und hinsichtlich der möglichen unvorteilhafteren Handelsbilanz ist Melo de Sampaio der Ansicht, dass durch das Abkommen wahrscheinlich die Exporte steigen, da es ein enormes Wachstumspotential gebe, traditionelle Produkte nach Europa zu verkaufen. Nichtsdestotrotz besagen Daten der EUROSTAT, dass während der ersten vier Jahre des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mexiko (2000-04) der Handel zwischen den Partnern gerade einmal um 3% gestiegen ist. Die Exporte aus Mexiko in die EU wuchsen im Schnitt um 5% pro Jahr, während die Importe aus der EU leicht fielen. Doch, so schliesst Melo de Sampaio letztendlich, das Hauptanliegen des Abkommens sei nicht kommerziell, sondern geopolitisch. "Wir leben in einer unipolaren Welt, und die EU ist daran interessiert eine ausgeglichenere Welt zu schaffen, wo die Länder mehr Macht haben können, um in Blöcken oder als Regionen zu verhandeln. Daher stammt unser Glaube in den Multilateralismus, und Zentralamerika könnte ein strategischer Alliierter sein." Tatsächlich hat die Wiederholung im Verhandlungsmandat, das aus dem Gipfel von Wien hervorging und vorsieht, die Zusammenarbeit zugunsten der sozialen Kohäsion zu stärken, Erwartungen geweckt, die weit über die unternehmerischen Bereiche hinausgehen. "Und dieser Aspekt könnte die Bruchstelle sein dafür, dass dieses Handelsabkommen weder kontrovers ist noch die gleichen Leidenschaften weckt, wie es beim Prozess des CAFTA der Fall war", spekuliert Rodríguez. ------ Fußnote: 1 Der SGP Plus, der für die zentralamerikanischen Länder am 1. Juli 2005 in Kraft trat und rund 7´200 Produkte umfasst, ist ein System, das zusätzliche Präferenzen speziell gefährdeten Ländern zugesteht unter der Bedingung, eine Reihe von Kriterien zu erfüllen. Dazu gehören die Ratifizierung und Implementierung von 27 internationalen Abkommen über nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Arbeitsrechte und Gute Regierungsführung. Ausserdem darf die Produkt- und Exportpalette der involvierten Länder nur wenig diversifiziert sein und keines der Länder darf für mehr als 1% der von der EU importierten Güter verantwortlich zeichnen. Länder, die mehr als 15% der Importe an die EU in einer bestimmten Produktgruppe liefern, verlieren ihren Präferenzstatus. In der Textilindustrie liegt das Limit gar bei 12,5%. Diese Regelungen sollen dafür sorgen, dass vor allem bedürftige Länder in den Genuss von Zollerleichterungen kommen können. |
Original-PDF 381 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte