guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Auf der Suche nach Sicherheit, Teil 1

Fijáte 382 vom 4. April 2007, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 382 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte

Auf der Suche nach Sicherheit, Teil 1

Die Reform des Sicherheitssektors

Die Sicherheit in Guatemala basiert einerseits auf einem normativen Rahmen und hängt andererseits vom Handeln der zuständigen Institutionen ab. Die Sicherheitsdoktrin, die sich auch für eine Reform des Sicherheitssektors ausspricht, wurde im Kontext der Demokratisierung des Staates erarbeitet und stützt sich auf die 1985 überarbeitete Verfassung. 1995 unterzeichnete Guatemala das "Rahmenabkommen über demokratische Sicherheit in Zentralamerika", das ein regionales Sicherheitsmodell unterstützt, welches auf den Vorrang und die Stärkung einer zivilen Macht setzt, auf die Sicherheit der Personen und deren Besitz, auf die Überwindung von VGArmutNF und extremer Armut, auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, auf den Schutz der Umwelt, auf die Bekämpfung der Gewalt, der VGKorruptionNF, der Straflosigkeit, des VGDrogenNF- und Waffenhandels und auf eine Neuverteilung der finanziellen Ressourcen zugunsten der Lösung sozialer Probleme.

Im Rahmen des Friedensprozesses wurde 1996 das Abkommen über die Stärkung der staatlichen Verwaltung und Aufgaben der Streitkräfte unterzeichnet. Darin geht es unter anderem um die Rolle der zivilen Polizei, die Schaffung eines zivilen und strategischen Geheimdienstes sowie um die Einführung einer VGBeratenden Gruppe in SicherheitsfragenNF (CAS), wodurch VertreterInnen der Zivilgesellschaft an der Ausarbeitung öffentlicher Politiken teilhaben können. Die Aufgabe des Militärs wiederum wird auf den Schutz der Grenzen gegenüber Angriffen von aussen reduziert. Ebenfalls wird in dem Abkommen die Erarbeitung einer Sicherheitsagenda festgelegt, die ein sehr breites Konzept umfasst, die Einhaltung der Menschenrechte garantiert, den multiethnischen und mehrsprachigen sowie multikulturellen Charakter des Landes respektiert, die ökonomische Entwicklung an soziale Gerechtigkeit und Partizipation knüpft und eine demokratische Verfassung verspricht.

Dies umzusetzen fordert natürlich eine Modifizierung des bisherigen Sicherheitsmodells. Das bisherige autoritäre, vertikale, repressive und kontrollierende Modell muss abgelöst werden von einem einschliessenden, auf Dialog beruhenden, horizontalen, die Bedürfnisse der einzelnen AkteurInnen berücksichtigenden Modell, in dem Sicherheit auf Solidarität und Organisation der Bevölkerung beruht. Ein solches Modell muss die Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Staat sowie das Vertrauen, speziell in Sachen Sicherheit, berücksichtigen und zum Ziel haben, die Polizei zur Mediatorin in sozialen Konflikten und zur grossen Verbündeten der Bevölkerung bei der Lösung ihrer alltäglichen Probleme zu erheben.

In diesem Kontext kann man Sicherheit als einen permanenten Konstruktionsprozess bezeichnen, in dem sich eine Nachkriegsgesellschaft wie die guatemaltekische im Übergang befindet von einem autoritären Regime, das auf Repression und die Verfolgung von "Staatsfeinden" basierte, hin zu einer Institutionalisierung der öffentlichen Sicherheit in einem demokratischen Staat, der auf eine kollektive Entwicklung setzt, deren Kernelemente Prävention und Partizipation sind.

In einem solchen Prozess ist es logisch, dass es zu einem Ringen zwischen der neuen Sicherheitsdoktrin und den daraus abzuleitenden Handlungsweisen und den Praktiken der Vergangenheit kommt. Eine institutionelle Reform zieht konsequenterweise auch organische Veränderungen nach sich, die sich in der Verhaltensweise gegenüber der Bevölkerung, in der Prioritätensetzung und schliesslich auch im Budget niederschlagen müssen. In dieser Übergangsphase ist zu beobachten, dass, während sich langsam ein Verständnis von Konfliktprävention und Opferschutz durchsetzt, in der nationalen Zivilpolizei nach wie vor Repression und VGMenschenrechtsverletzungenNF an der Tagesordnung sind, wie in den zahlreichen Berichten des Ombudsmannes für Menschenrechte oder der sozialen und internationalen Organisationen immer wieder festgehalten wird.

Das heisst nicht, dass die PNC nicht ihrer Aufgabe der Verbrechensuntersuchung und -bekämpfung nachkommen soll. Im Gegenteil, es braucht eine Institution, die die Bevölkerung vor delinquenten Übergriffen schützt, egal, woher die kommen. Diese Institution muss ausgebildet und darauf spezialisiert sein, Verbrechen vorzubeugen und/bzw. sie braucht die operativen Mittel, um diese zu untersuchen und aufzuklären. Dabei muss klar sein, dass sämtliche ihrer Aktionen streng nach dem Gesetz verlaufen.

Es ist auch wichtig zu verstehen, dass Sicherheit und Justiz Teile desselben Systems sind. Die Polizei ist zuständig für die Vorsorge und Verhinderung von Verbrechen. Dabei arbeitet sie eng mit der Bevölkerung zusammen. Wird ein Verbrechen trotzdem begangen, muss die Polizei dafür sorgen, dass die Verantwortlichen verhaftet und dem zuständigen Gericht übergeben werden. Gleichzeitig muss sie sich um den Schutz der Opfer kümmern. In diesem Moment beginnt der andere Teil - die Justiz - in Aktion zu treten. Sie muss sich in erster Linie um die Entschädigung der Opfer kümmern und den Täter angemessen bestrafen, sobald seine Schuld erwiesen ist. Dazu ist das Beweismaterial wichtig, das die Polizei bei ihren Untersuchungen sichergestellt hat. Schliesslich, wenn der Täter schuldig gesprochen ist, muss dieser seine Strafe verbüssen. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass das Gefängnis nicht das letzte Glied in der Kette ist, sondern eine Phase der Rehabilitierung, damit der Täter sich wieder in die Gesellschaft integrieren kann.

(Fortsetzung im nächsten ¡Fijáte!)


PDF Original-PDF 382 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte