¡Híjole...! Die einmonatliche Kolumne von Fernando Suazo: Der untergrabene Staat
Fijáte 381 vom 21. März 2007, Artikel 7, Seite 6
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¡Híjole...! Die einmonatliche Kolumne von Fernando Suazo: Der untergrabene Staat
Der erbarmungslose Mord an drei Salvadorianern, Abgeordnete des Zentralamerikanischen Parlaments, am 19. Februar ist den Tätern nicht gut gelungen, obwohl sie Experten in dieser Arbeit waren. Die Tat löste eine Kettenreaktion von Ereignissen aus, die trotz der Verwirrungsmanöver mit Bestimmtheit klarstellen, dass die Staatsinstitutionen von unheilvollen Gruppen eingenommen sind, mit dem Einverständnis der höchsten Autoritäten. Schauen wir uns ein paar Tatsachen an: 1. Sechs Tage nach dem Verbrechen, ebenfalls mit professionellem Hass, werden vier der beschuldigten Polizisten im "Hochsicherheitsgefängnis" El Boquerón beseitigt, vier Männer, die über kostbare Information zu den intellektuellen Tätern des Verbrechens an den Abgeordneten verfügen. 2. Die Versionen über dieses neue Verbrechen widersprechen sich: Der Innenminister, Carlos Vielmann, beharrt darauf, dass es von aufständischen Gruppen der Inhaftierten begangen wurde und er benutzt einen Medienaufmarsch, um es zu beweisen. Während dessen versichern ZeugInnen, ein schwer bewaffnetes und maskiertes Kommando ins Gefängnis hineingehen gesehen zu haben, das mit Leichtigkeit sieben mit verschiedenen Schlüsseln versperrte Türen passierte. 3. Ein Polizist, der in ZeugInnenschutz genommen wurde, sagt aus, er habe bereits 2006 beim Menschenrechtsprokurat Anzeige erstattet ob der Existenz von zwei Gruppen des organisierten Verbrechens in der Polizei und er bezeichnet als deren Verantwortliche die direkten Vorgesetzten der ermordeten Polizisten. 4. Mehr als 20 Tage nach den Taten ist weder der Innenminister noch der Polizeidirektor seines Amtes enthoben worden, trotz der weltweiten Wogen, die die Nachricht schlug, trotz des diplomatischen Aufruhrs und der Spannungen mit der salvadorianischen Regierung. 5. Die erste Phase der folgenden Interpellation des Innenministers war eher ein Witz denn die Bemühung des Funktionärs, zur Aufklärung der Wahrheit beizutragen: Er verwendete den Grossteil der Zeit darauf, in aller Ruhe und mit allen Details die lange Liste der BeraterInnen seines Ressorts vorzulesen… Zu diesen Tatsachen summieren sich weitere, wie das verdächtige Vertrauen von Präsident Berger in seinen Minister und seinen Polizeichef und das seltsame Schweigen der mächtigen konservativen Unternehmensgremien, wie der Unternehmensverband CACIF und seine neoliberalen Ideologen, die sonst sich mit Elan an den Debatten der Presse beteiligen. Ich bin kein Ermittler, aber ich bin auch nicht völlig blöd und habe viele Fragen zu der ganzen Geschichte: Warum waren es just Elitepolizisten, wie stets versichert wird, die die Abgeordneten ermordet haben? Wenn solche Verbrechen in Guatemala unter Beteiligung von qualifizierten Polizeikräften verübt werden können, welches Schicksal erwarten dann VerteidigerInnen der Menschenrechte, der natürlichen Ressourcen oder der Maya-Kultur? Wer kann da noch die innere Sicherheit für die BürgerInnen garantieren? Was bleibt von der Befehlskette der Sicherheitsinstitutionen übrig? Warum will uns der Innenminister entgegen ZeugInnenaussagen weismachen, dass die beschuldigten Polizisten nicht von einem Kommando sondern von Häftlingsbanden umgebracht wurden, die die Polizisten angeblich hassten? Wenn man für diese tatsächlich höchste Sicherheit anstrebte, warum wurden sie dort eingesperrt, wo die Häftlinge sie töten konnten? Wer öffnete all die sieben Türen, vom Eingang des Knastes angefangen? Warum hat die Presse (die von der Oligarchie kontrolliert wird) keine Abzüge der ZeugInnenaussagen veröffentlicht, die das Kommando in das Gefängnis haben hineingehen sehen, ist dies doch eine Information von enormer Tragweite? Warum behalten der Präsident und seine Regierung den Minister und seinen Polizeichef im Amt? Wäre es nicht logisch, sie ihres Amtes zu entheben, um die Ermittlungen zu erleichtern? Warum schweigt die Oligarchie? Warum schweigen die neoliberalen Ideologen? Ich habe gelesen, dass der Polizeichef der Sohn von Erwin Sperisen ist, einem Schweizer Guatemalteken, der Guatemala vor der Welthandelsorganisation (WTO) vertritt und Schlüsselfigur bei der Unterzeichnung des Freihandelsvertrages (TLC) war. Nach oben |
Eine besondere Rolle hat er wohl bei der Aufhebung des Speziellen Agrarschutzes (SEA) gespielt, dem einzigen Verteidigungsmechanismus, der den guatemaltekischen BäuerInnen angesichts der neoliberalen Gier geblieben war. Der andere, Sperisen junior, wurde zu Beginn der Regierung Berger im Januar 2004 ohne irgendwelche Vorerfahrungen zum Chef der Nationalen Zivilpolizei ernannt. Die Absicht bestand darin, den Unmut des Volkes ob der Politik zu kontrollieren, die die neoliberale Regierung zu Gunsten des Freihandelsabkommens und der Minenkonzessionen entschieden war durchzusetzen. Gezeigt hat sich das später bei den repressiven Massnahmen von Seiten der Polizei gegen die Volksproteste wegen der Minenexplotationen. (Und nach der makabren Geschichte von den ermordeten Abgeordneten und Polizisten kommt der Verdacht auf, dass just diese Polizei nicht nur mit dem Tod von gesellschaftlich Marginalisierten, sondern auch von führenden UmweltaktivistInnen zu tun hat.) Es ist bekannt, dass die Regierung Berger Prioritäten gesetzt hat und sich der Fortsetzung der Ausverkaufspolitik widmet, die bereits die Regierung von Álvaro Arzú vorangetrieben hat, der festlegte, dass gerade einmal 1% des Gewinns des Minenabbaus im Land bleibt und damit schamlos 99% unserer Naturressourcen an die ausländischen Unternehmen verschenkt werden. Berger und seine oligarchen Gesellschafter brauchen schlicht und einfach Persönlichkeiten wie den Minister Vielmann oder den Polizeichef Sperisen, die sämtliche Erleichterungen für die neoliberalen Geschäfte und für andere weniger vorzeigbare Deals, wie den Drogenhandel garantieren. Also, mit Leuten wie diesen und den Interessen, die sie verteidigen, verstehen wir jetzt ein bisschen besser die Dimensionen des Niedergangs des Staates in Guatemala und können uns eine Vorstellung davon machen, wer ihn untergräbt. |
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