Einer unter Tausenden
Fijáte 378 vom 7. Februar 2007, Artikel 11, Seite 6
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«Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez» von Heidi SpecognaEr war der erste amerikanische Soldat, der im Irak starb: José Antonio Gutierrez, geboren in Guatemala. Um die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten, liess er sich von den Marines rekrutieren - und wurde in den ersten zehn Kriegstagen getötet. Der illegal Eingewanderte erhielt postum die amerikanische Staatsbürgerschaft und ein Heldengrab in Santa Monica. Sein Leben und sein Tod waren aber alles andere als ruhmvoll, sondern hart und brutal. Die Schweizer Dokumentaristin Heidi Specogna, die bereits Filme über Guerillas in Uruguay und Kuba gedreht hat, geht in ihrer jüngsten Arbeit den Lebensspuren hinter der offiziellen Geschichtsschreibung nach. «Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez», eine schweizerisch-deutsche Koproduktion - die in Solothurn mit dem Schweizer Filmpreis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde -, lässt den Zuschauer Schritt für Schritt die biografischen Recherchen mitverfolgen. José Antonio war einer der vielen Waisen des über 30 Jahre währenden Bürgerkriegs in Guatemala und schlug sich in der Hauptstadt als Strassenkind durch. Eine soziale Organisation nahm ihn in ein Heim auf, bis er eines Tages heimlich nach Mexiko aufbrach und schliesslich die amerikanische Grenze überschritt. In Los Angeles kam er bei verschiedenen Pflegefamilien unter. Er fälschte sein Geburtsjahr, doch schliesslich war er ein volljähriger, fremder Staatsbürger in den USA - und der Militärdienst seine einzige Chance, um legal bleiben zu können. Mittels Fotografien, Dokumenten und Briefen sowie Interviews mit seiner Schwester, mit Waisenhausleitern, Sozialarbeiterinnen, Marines oder einer Pflegemutter verdichtet sich allmählich ein Bild des Greencard-Soldaten, der im Alter von nur 29 Jahren durch «friendly fire» starb. Nach oben |
Doch nicht die Kritik am Irak-Krieg steht im Fokus des bedächtig und unprätentiös erzählten Films, sondern das Schicksal der armen Bevölkerung Lateinamerikas, die für ein besseres Leben alles riskiert. 300 000 Kinder in Guatemala, so die Statistiken, haben kein Zuhause mehr, 32 000 Latinos kämpfen in Afghanistan oder im Irak im Namen der USA. Und 10 Prozent der gefallenen Soldaten starben durch Beschuss aus den eigenen Reihen. Gutierrez war nur einer von ihnen. (...)" Dieser Artikel erschien am 26.01.2007 in der Neuen Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch/2007/01/26/fi/articleETCS0.html |
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