Der Fall der Bancafé - ein politisches Schlachtfeld
Fijáte 371 vom 1. Nov. 2006, Artikel 5, Seite 5
Original-PDF 371 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Der Fall der Bancafé - ein politisches Schlachtfeld
Guatemala, 28. Okt. Mit der zeitlich unbestimmten Suspendierung aller Operationen ist das Ende der viertgrössten Bank Guatemalas, der Banco del Café S.A., kurz Bancafé, eingeleitet worden. Der Überraschungseffekt der mitternächtlichen Nachricht zum 20. Oktober, dem guatemaltekischen Revolutionsfeiertag, durch Währungsaufsicht (JM) und Bankenintendanz (SB) ist nach Sorge und Unsicherheit bei den BankkundInnen inzwischen dem Unmut über den schlechten Service gewichen, den drei andere für den Übergang eingesprungene Banken leisten. Überlange Wartezeiten, unfreundliche Bedienung und eingeschränkte Bargeldauszahlung bemäkeln die ungeduldigen KontoinhaberInnen, die schnellstmöglich an ihr Erspartes wollen. Derweil müssen vor dem 20. ausgestellte Bancafé-Schecks neu geschrieben werden, und NutzerInnen von Kreditkarten und Geldautomaten sowie Leute, die auf Überweisungen aus dem Ausland warten, werden um Geduld gebeten, um diese Dienste regulär wieder in Gebrauch zu nehmen. Doch die Konsequenz des gesetzeswidrigen Handelns durch den Bancafé-Vorstand, das Kreditlimit von 15% des zu belastenden Bankvermögens überschritten zu haben, geht weit über die Unannehmlichkeiten für die mehr als 100´000 PrivatkonteninhaberInnen hinaus und reicht mitten in den aktuellen wahlpolitischen Prozess, während seine Ursprünge einige Jahre zurückliegen. Damals war Eduardo Gonzales Castillo, Sohn und Nachfolger einer Unternehmer- und Bankiersfamilie, Präsident von Bancafé. Heute ist ebendieser Hauptaktionär der Bank, Mitglied im Verwaltungsrat und last but not least Präsidentschaftskandidat der Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA). Als Bancafé-Chef billigte Gonzales für den auf Barbados registrierten off-shore-Arm des Geldinstituts, Bancafé International Bank, einen Kredit über 240 Mio. US-$, den die Filiale wiederum an das US-amerikanische Maklerunternehmen Refco weiterleitete. Doch Refco meldete im Oktober 2005 Konkurs an, nachdem bekannt wurde, dass sein ehemaliger Präsident einen Extra-Schuldenberg von 430 Mio. US-$ verheimlicht hatte, der Teil der 16,8 Mrd. US-$ Gesamtrückstände ist. Infolge des Bankrotts wurden alle Gelder, und somit auch die Bancafé-Einlagen, eingefroren. Bankensuperintendant Willy Zapata bestätigte noch vor wenigen Monaten sein absolutes Vertrauen in Bancafé. Dieser Umstand dreht nun einerseits zahlreichen koreanischen, in Guatemala tätigen Textilverarbeitungsunternehmen den Hahn ab und lässt mehr als 63´000 Angestellte ohne Lohnauszahlung dastehen, denn die Firmen schenkten Zapata Glauben und hatten über Bancafé International in Refco ihre Gelder angelegt, um mit den Rückläufen Rohstoffe zu kaufen und Gehälter zu zahlen. AnlegerInnen von Bancafé International stehen vor der Ungewissheit ob des Verbleibs ihrer Investitionen, ist mit der Suspendierung von Bancafé doch die Finanzgruppe aufgelöst, zu der die off-shore-Filiale gehörte, die nun keine nationale Präsenz mehr hat, jeglicher Zugriff auf die Gelder ist somit versperrt. Andererseits eröffnet die Diskrepanz zwischen Zapatas Einschätzung und der überraschenden Suspendierung einer gewissen Skepsis Raum, wie es zu der, in der Presse als radikal und übertrieben gewerteten Entscheidung kam, gilt die Bank doch weder als Konkursgefährdet noch sei es bislang zu Vermögensverlust oder Ausfällen von Obligationszahlungen gekommen. Die Bankenaufsicht verweist derweil auf mehrere Gründe. Der Vorstand der Bancafé habe bereits wiederholte Mahnungen erhalten und Bussgelder auferlegt bekommen, da er der Aufforderung, die Überschreitung des Kreditlimits zu korrigieren, nicht nachkam. Diese Begrenzung ist in der 2002 verabschiedeten Banken- und Finanzgesetzesreform festgelegt. Selbst ein aufgestellter Regulierungsplan wurde nicht erfüllt. Schliesslich wurde noch bekannt, dass Bancafé einem Unternehmen, das einem der Hauptaktionäre der Bank gehört, einen Kredit von 42 Mio. Quetzales gewährte, was das Fass wohl zum Überlaufen brachte. Unterdessen wurde die staatliche Finanz- und Kreditanstalt CORFINA mit der Verwaltung des Treuhandfonds beauftragt, in den die Bancafé-Aktien deponiert werden, bevor sie an andere Institutionen weitergeleitet werden sollen. Jedoch sprechen weder das Mandat der 1972 zum Zweck der Minen- und Tourismusindustrie gegründeten CORFINA noch deren zweifelhafter Umgang mit öffentlichen Geldern in der Vergangenheit für diese Aufgabenzuteilung. Derweil werden die KundInnen der nationalen Institution beruhigt, alle ihre Gelder seien geschützt und über die Banken Banrural, Reformador und Agromercantil zugänglich gemacht. Dies sei unter anderem über den seit 2002 existierenden Fond zum Schutz von Ersparnissen (FOPA) gesichert. Nicht nur die Ungewissheit, in welcher Höhe der Rückgriff auf den FOPA geplant bzw. notwendig wird, ruft die Opposition auf den Plan. Sie fordert von der Regierung eine Rechenschaftserklärung über die Vorkommnisse, habe doch seit Oktober 2005 das Nationale Kredit- und Hypotheksinstitut CHN sowie das Programm zur Städtischen und Ländlichen Gemeindeunterstützung (PACUR) die Bancafé finanziell über Wasser gehalten. Alles deutet indes auf eine vielschichtige Kampagne hin, die sich auf persönlicher Ebene gegen Eduardo Gonzalez richtet, sich partei- und wahlpolitisch in der GANA abspielt und auf landespolitischer Ebene auf die Besitzstandswahrung der guatemaltekischen Oligarchie sowohl im Finanzwesen als auch in der Politik konzentriert ist. Der sich am liebsten mit seinem Spitznahmen "Guayo" ansprechen lassende Gonzalez bereitet sich in gewisser Weise seit langem auf die Macht vor und kandidierte bereits 2001 für die Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) als Präsidentschaftskandidat, wurde jedoch zuerst von Oscar Berger und dann zugunsten von Eduardo Stein als Vizepräsident aus dem Weg geräumt. Nach oben |
Seit 2003 widmet er sich nun als Staatssekretär der Exekutive und Vertrauensmann von Berger vornehmlich der Politik und ist einer von drei ursprünglich aufgestellten Präsidentschaftskandidaten der GANA. Neben ihm sind der bisherige Landwirtschaftsminister Álvaro Aguilar und der als Aussenseiter geltende Francisco Arredondo nominiert. Für den 3. Dezember waren die parteiinternen Wahlen der Aspiranten angesetzt. Doch in kürzester Zeit hat sich das GANA-Panorama komplett verzerrt. Aguilar erlitt einen Verkehrsunfall und fällt potentiell aus und Gonzalez ist in den Bancafé-Fall verwickelt, verliert selbst dabei an Glaubwürdigkeit und steht der GANA möglicherweise damit im Weg. Nach Bekanntwerden der Suspendierung sagte er spontan seine Kandidatur ab, erhielt jedoch offenbar Rückendeckung durch die GANA-Spitze und lässt seine Kampagne derweil ohne eigene Präsenz erst einmal weiterlaufen. GANA-intern wird unterdessen alles daran gesetzt, die Kandidatenwahl stattfinden zu lassen, wofür mehr als ein Anwärter notwendig ist. Dass Arredondo der lachende Dritte ist, will man im Zweifel durch die Suche nach neuen Kandidaten tunlichst verhindern. Doch warum war Gonzalez mit seinen vermeintlich guten Beziehungen zu Politik und Bank nicht rechtzeitig gewarnt worden? Selbst mitwissende Parteigenossen haben ihn dabei klar im Stich gelassen. Und der Einfluss einer anderen "Partei" scheint sich durch die Tatsache zu bestätigen, dass sowohl die kürzlich zur Präsidentin der Staatsbank BANGUAT und gleichzeitig zur Präsidentin der Währungsaufsicht gewählte María Antonieta del Cid de Bonilla, ausgeschiedene Finanzministerin, als auch der Bankensuperintendant Zapata, die das Schicksal der Bancafé zusammen besiegelten, "gewissen" Unternehmenskreisen nahe stehen. Der Analyst von incidencia democrática, Erwin Pérez, setzt denn auch als bekannt voraus, dass der Kreis der nationalen Banker kein Interesse daran hat, dass internationale Finanzinstitute den Bankenwettbewerb auf guatemaltekischem Boden anheizen. So hat sich beispielsweise die inzwischen besiegelte Ansiedlung der mexikanischen Banco Azteca extrem in die Länge gezogen, währenddessen der Kauf just der Bancafé durch eine Finanzgruppe aus El Salvador verhindert wurde. Die Haltung, das Bankensystem unter nationaler Kontrolle zu halten, widerspricht dabei zwar der gerade vom Unternehmertum gelehrten Neoliberalen Logik. Doch besser, die Bancafé verliert an Wert, um sie selbst erschwinglich aufkaufen zu können und die Aktien im Land neu zu verteilen, als anderen den Zugriff zu gewähren. Neben dem Spiel um Milliarden ist ein weiterer Gewinn, so Pérez, politischer Natur, und richtet sich wiederum gegen Gonzalez, der weder zum erlauchten und politisierten Unternehmergremium CACIF gehört, noch mit den mächtigen Familien des Landes anbändelt, die mehr als 300 Firmen unter sich aufteilen und wirtschaftliche Interessen auf internationaler Bühne vertreten. Mit Gonzalez hätte "die Oligarchie" also kein dressiertes Pferd im Rennen. Als Marionetten dienen ihr bei der Sabotage die politischen Parteien, die die Regierungspolitik in Frage stellen, erhalten sie zum einen ja selbst Gelder aus dem Unternehmenssektor und können sich zum anderen eines politischen Konkurrenten entledigen. |
Original-PDF 371 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte