Mitternacht vorbei - Neuer Haushalt einerlei
Fijáte 374 vom 13. Dezember 2006, Artikel 5, Seite 5
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Mitternacht vorbei - Neuer Haushalt einerlei
Guatemala, 12. Dez. Innerhalb von 15 Minuten waren 20 Stimmen verloren, 20 Stimmen, die die Opposition gebraucht hätte, um ihren Haushaltsvorschlag für 2007 im Kongress noch vor Mitternacht des 30. November durchzubringen. Offenbar waren die Angebote, die Abgeordnete der Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA) und der sich dieser angeschlossenen Republikanischen Front Guatemalas (FRG) den Wankelmütigen per Handy machten, attraktiv genug, so kurzfristig die Seiten zu wechseln und das finanzielle Schicksal Guatemalas fürs nächste Jahr zu besiegeln. Denn trotz der vermeintlichen Absicht im Vorfeld, noch rechtzeitig den Etat zu verabschieden, konnten sich selbst nach monatelangem Hin und Her die Kontrahenten nicht einigen, mit der Konsequenz, dass für 2007 der gleiche Haushalt steht, wie für das laufende Jahr. In Ziffern sind dies 37,704 Mrd. Quetzales (ca. US-$ 5 Mrd.). Eingereicht hatte die Exekutive einen Antrag auf 39,8 Mrd. Quetzales, der zahlreiche Etaterhöhungen der verschiedenen Ressorts beinhalteten. Als Charakteristikum dominierte im Laufe der wohl eher als Schiebemannöver denn als Verhandlungen zu nennenden Szenarien die Wahlrelevanz der finanziellen Zuweisungen. So war ein wesentliches Diskussionsthema die Geographische Liste der Bauvorhaben. Das Original ist wohl in Zusammenarbeit mit den lokalen Entwicklungsräten und Bürgermeistereien erarbeitet worden - und favorisiert dementsprechend eher die aktuell auf lokaler Ebene jeweils regierende Partei, in ihrer Mehrheit GANA und FRG. Diese konnten ihre Wünsche jedoch heuer nicht so einfach durchsetzen, da sie - das erste Mal seit einer Dekade - derzeit weder das Sagen in der Kongressdirektion noch ausreichende Stimmenstärke in der Finanzkommission haben. Augenscheinlich sah sich die Opposition nun in der Heldenrolle, endlich verhindern zu können, dass die Regierungspartei für ihre Wahlkampagne auf den Staatshaushalt zurückgreifen kann. Doch genau betrachtet waren sowohl ihr erster, schliesslich fehlgeschlagener Vorschlag, den gesamten Etat um 10% auf 35,6 Mrd. zu kürzen - hatten doch die meisten Ministerien - ausser das der Verteidigung - bis November im Schnitt erst 65% ihrer Gelder ausgegeben und es sollte vermieden werden, dass die Überreste im nächsten Jahr zweckentfremdet und wahlpolitisch missbraucht werden - sowie die zweite Idee, 931 Mio. aus unwichtigen Posten neu zu verteilen, darauf ausgerichtet, sich selbst Vorteile für die Präsidentschaftswahlen 2007 zu sichern. Nun, mit 2 Mrd. weniger, die von Staatsinstanzen und -programmen bereits für ihre Jahresplanung ´07 einkalkuliert waren, und bislang noch in der gleichen Verteilung, wie für 2006 festgelegt sind, erweisen sich zahlreiche, im jeweiligen Moment von verschiedensten Seiten begrüsste Initiativen als Farce. So bleibt die für das kommende Jahr angekündigte Schaffung des Zivilen Geheimdienstes DIGICI genauso fraglich wie die des Forensischen Ermittlungsinstituts INACIF, die Umsetzung des Gesetzes der organisierten Kriminalität und die Stärkung der Zivilen Nationalpolizei (PNC). Auch wenn bereits das Neuverhandeln der Zuteilung von Seiten des Kongresses in Angriff genommen wurde, ändert sich vorerst nichts an der Tatsache, dass dem in den letzten Monaten schwer in Verruf geratenen Programm für ländliche und urbane Entwicklung (PACUR) trotz der Kritik und nachgewiesenen Korruptionspraxis automatisch 400 Mio. Quetzales zugeschustert werden, während die im Vorhinein als dringend eingestuften und der betroffenen sowie fordernden Zivilgesellschaft versprochenen Etaterhöhungen des Bildungs- und des Gesundheitsressorts noch keine Quellen sicher haben. Auch das Justizsystem und die Staatsanwaltschaft müssen ihre Pläne ändern, letztere vor allem die Ausschreibung von 300 Neuanstellungen generell und von zusätzlich 350 Stellen für ErmittlerInnen suspendieren. Und obwohl dem Obersten Wahlgericht (TSE), das ohnehin aufgrund der anstehenden Wahlen höhere Ausgaben haben wird, gemäss Wahlgesetzreform auferlegt wurde, die Zahl der Wahllokale deutlich zu erhöhen, verfügt es bislang nur über den Etat eines "Nicht-Wahljahres". Derweil hält Verteidigungsminister Bermúdez seinen Anspruch auf Haushaltserhöhung lautstark aufrecht, würde die Armee doch höhere Ausgaben für Lebensmittelversorgung, Strom und Wasser haben, ausserdem müssten im nächsten Jahr die Gehaltserhöhungen realisiert werden können und überhaupt brauche das Militär mehr Geld, um sein Engagement für die Innere Sicherheit aufrechterhalten zu können. Dass das Verteidigungsministerium bereits den ihm in den Friedensverträgen als Höchstgrenze empfohlenen Anteil von 0.33% des Bruttoinlandproduktes bekommt und, wie Menschenrechtsorganisationen bemerken, es äusserst fragwürdig ist, in Friedenszeiten das Militär finanziell zu stärken, lässt Bermúdez kalt. Nach oben |
Im Moment steht im Kongress noch die Billigung von vier Krediten, u.a. von Weltbank und Interamerikanischer Entwicklungsbank, an, was zwar zumindest den verabschiedeten Etat etwas absichert, gleichzeitig aber sowohl die interne als auch externe Verschuldung anhebt und zwar auf Q 53,473 Mrd. in 2007, also 20.5% des vor kurzem neu berechneten BIP. (¡Fijáte! 370) Die organisierte Zivilgesellschaft, allen voran das Kollektiv Sozialer Organisationen (COS) warnte unterdessen mit öffentlichen Aktionen, sollten die Gelder nicht den Bedürfnissen entsprechend auf die gesellschaftlich brisanten Ressorts umverteilt werden. Angesichts der offensichtlich wahlpolitisch-motivierten Mauscheleien unter den Parteien in Sachen Projektvergabe, schlägt das COS die Einberufung einer Beobachtungskommission der Haushaltsdiskussion vor, bestehend aus VertreterInnen der Regierung, politischen Parteien und sozialen Organisationen. Zudem soll es einen neuen Vorschlag für die Geografische Liste der Bauvorhaben geben. Die Menschenrechtsorganisation Grupo de Apoyo Mutuo (GAM) hat derweil das Ergebnis eines Monitorings vorgelegt, demnach 80% der öffentlichen Ausgaben in Strassen und öffentliche Gebäude gesteckt werden, obwohl Präsident Berger noch vor der Versammlung der Vereinten Nationen angegeben hatte, dass die Achsen für die Investitionsstrukturierung des Haushaltes während seiner Regierungszeit die Sektoren Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Sicherheit seien. |
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