Präsidentin Menchú?
Fijáte 379 vom 21. Februar 2007, Artikel 3, Seite 3
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Präsidentin Menchú?
Guatemala, 16. Feb. Anfang Dezember machte Rigoberta Menchú, Friedensnobelpreisträgerin und von der jetzigen Regierung als Botschafterin des Guten Willens zu Gunsten der Friedensverträge ernannt, noch eher langfristige Pläne, als sie bei einem Besuch in Costa Rica ankündigte, eine indigene Partei zu gründen, um für 2012 für die Präsidentschaftswahl zu kandidieren. "Ich werde eine der Schlüsselpersonen bei der Formierung dieses Instrumentes sein, das gerade entsteht", versicherte sie mit dem Zusatz, dass die Indígenas Guatemalas, die 60% der Bevölkerung ausmachen, dem Beispiel des bolivianischen Präsidenten Evo Morales nacheifern wollen. Doch die Guatemaltekischen Vereinigung der indigenen BürgermeisterInnen und Autoritäten (AGAAI) versagte Menchú bereits die Unterstützung für ihr Präsidentschaftsprojekt 2012, da ihr nach Ansicht des landesweiten Gremiums noch sehr viel fehle, um dem selbstpostulierten Anspruch gerecht zu werden, Repräsentantin der Mehrheit der Bevölkerung zu sein. Gemäss dem AGAAI-Präsidenten Alberto Aguilar, der Bürgermeister in Santiago Chimaltenango, Huehuetenango, ist, hätte Menchú keine Ahnung von den aktuellen realen Bedürfnissen der indigenen Völker und habe diese bislang auch in keiner Weise unterstützt. Auch wenn sie in ihren Diskursen Anspielungen auf diesen Bevölkerungssektor mache, käme dieser in ihrer Praxis doch zu kurz. Bei einer Pressekonferenz warnte der Sprecher des Gremiums, Carlos Guárquez, die Maya-Gemeinden vor der möglichen Bestechung ihre Führungsleute durch die parteipolitischen KandidatInnen. Vor der Stimmabgabe bei den nächsten Wahlen im September, dessen offizieller Prozess im Mai vom Obersten Wahlgericht (TSE) eingeläutet wird, sollten die WählerInnen sich die reale Offenheit der politischen Gruppierungen ansehen und schauen, ob sie tatsächlich Indígenas, Frauen und Jugendliche ohne Diskriminierung einbezögen. Anstatt gleich auf die Präsidentschaft zu spekulieren, sei es sinnvoller, so Guárquez, wenn die indigene Bevölkerung auf die politische Beteiligung auf lokaler Ebene setze. Auch andere indigene Führungspersönlichkeiten, wie die Organisatoren des III Kontinentalen Gipfels der indigenen Völker und Nationalitäten Lateinamerikas, der im März in Chimaltenango stattfinden wird, raten Menchú, die indigene Bevölkerung zu konsultieren, um ein solides Projekt mit strategischen und repräsentativen Allianzen zu konstruieren. So begrüsst der Zuständige für den Gipfel, Jorge Morales, Menchús Kandidatur, doch die Aspirantin sollte sich der Basis auf Gemeindeebene nähern, um herauszufinden, was diese denkt. Rigoberta Menchú geht indes auf Risiko und gibt sich überzeugt: "Das Wichtigste ist, dass ich nicht als Rigoberta Menchú auftrete, sondern als indigene Bewegung, was mich begeistert. Ich bin mitten in der Politik drin, denn ich bin nicht alleine". Und ihr Interesse an der Präsidentschaft hat sie inzwischen vorgezogen, auf die Wahlen in diesem Jahr. Schon im Laufe des Januars wurde bekannt, dass sowohl die Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas (URNG) als auch das Encuentro por Guatemala (EG) um die Abgeordnete Nineth Montenegro mit der Maya-Quiché ins Gespräch kommen wollen, um ihre Kandidatur im Namen der jeweiligen Partei zu sondieren. Aufgrund von offenbarer Ablehnung gegenüber ehemaligen Kampf-GenossInnen stehen die Chancen auf eine Beziehung zwischen Rigoberta und URNG nicht gut. Auch Montenegro zeigte sich nach erstem Enthusiasmus etwas zurückhaltender, als bekannt wurde, dass die indigene politische Vereinigung Winaq - Begriff in der Maya-Sprache Kaqchiquel für Ausgewogenheit und Integrität - jene von Menchú angekündigte Gruppierung ist, die diese als Aspirantin lancieren wird. Nach oben |
Montenegro ist skeptisch angesichts der Gefahr, dass Winaq ihre Partei bloss als Trittbrett benutzen wird und das Encuentro gespalten werden könnte. Denn Rigoberta stellte ihr Forderungen hinsichtlich einer möglichen Allianz gleich klar: die kulturell gemischte Partei in spe Winaq beansprucht die Hälfte aller Kandidaturen, seien es Bürgermeister-, Abgeordneten- oder Posten in der Parteispitze. Wenn die Verhandlungen für Winaq nicht zufrieden stellend ausfallen, soll die Gruppierung eigenständig gestärkt werden, um 2011 ins Wahlrennen zu gehen. Dabei zählt Menchú auf namhafte MitstreiterInnen: Otilia Lux de Coti, Indígena, Mitglied der Historischen Wahrheitskommission CEH und ehemalige Kulturministerin unter der Republikanischen Front Guatemalas (FRG), der indigene Politologe Amilcar Pop und der Gründer der ArbeiterInnengewerkschaft UNSITRAGUA, Byron Morales. Unterdessen erscheint auch das linke Projekt MAIZ (Breite Bewegung der Linken, ¡Fijáte! 375), das von der URNG unterstützt wird, auf dem Plan und schlägt eine Dreierallianz vor zwischen Winaq, Encuentro por Guatemala und MAIZ. Damit sollen, gemäss der URNG-Abgeordneten Alba Estela Maldonado, Anstrengungen zusammengebracht werden, die auf ein einschliessendes Projekt aus sind, mit Inhalten zu Gunsten eines Nationenprogramms. Montenegro enthält sich derweil eines Kommentars, da der Vorschlag noch nicht persönlich an sie herangetragen wurde, er schaffe jedoch ein neues Szenarium und müsse analysiert werden. Die Anthropologin Irma Alicia Velásquez weist derweil in einer Kolumne auf die Tatsache hin, dass die indigene Bevölkerung in besonderem Masse in Wahlphasen rassistisch konnotiert abgelehnt wird. Dabei weist sie sowohl auf die Zensur der Kommunikationsmedien gegenüber Indígenas als auch auf die Verweigerung der Veröffentlichung von Wahlpropaganda der BürgerInnenkomitees hin, obwohl diese durchaus bereit wären, das Doppelte zu zahlen. Wenn eine bestimmte ethnische Gruppe versucht, ein solches Komitee oder eine politische Partei zu organisieren, tauchen Zeitungsseiten voller Abscheu auf, so Velásquez. Und es ist Rigoberta Menchú selbst, die aufgrund eines fehlenden oder zumindest noch nicht kundgegebenen Regierungsprogramms bzw. eines entsprechenden Politikvorhabens für ihre angestrebte Präsidentschaft die Diskussion um ihr Projekt auf ihre Person, ihr Frau- und ihr Indígenasein beschränkt. Das sind zwei oder gar drei Aspekte, die in der patriachalen Gesellschaft Guatemalas, in der die rassistische und sexistische Diskriminierung an der Tagesordnung sind, eher eine Ressentimentbeladene Debatte anheizen. Gleichzeitig stellt allein die durch ihre Kandidaturs-Ankündigung provozierte öffentliche Erörterung der Option einer indigenen Präsidentin in Guatemala einen enormen Schritt in Richtung Demokratisierung und Integration dar. |
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