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Frieden in Guatemala bleibt eine Utopie

Fijáte 376 vom 10. Januar 2007, Artikel 2, Seite 1

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Frieden in Guatemala bleibt eine Utopie

Leadership eignet man sich nicht auf Auslandsreisen an, sondern im direkten Kontakt mit den Leuten und indem man auf ihre materiellen, moralischen, politischen und ideologischen Bedürfnisse eingeht.

Als Erfolg - wenn man es denn als solchen bezeichnen kann - gilt sicher die Tatsache, dass die Partei URNG legal konstituiert ist, dass sie nach wie vor Neumitglieder werben kann und dass sie einen Vorschlag für einen Regierungsplan erarbeitet hat.

Ausblick auf die Wahlen 2007

Im September 2007 werden in Guatemala Wahlen durchgeführt. Bereits jetzt und trotz des Verbots, länger als sechs Monate vor den Wahlen mit der Propaganda zu beginnen, befinden sich die Parteien schon mitten im Wahlkampf. Die meisten von ihnen sind rechter Ausrichtung und verfolgen eine neoliberale Politik, begrüssen die VGFreihandelsabkommenNF, sind korrupt und haben Beziehungen zum VGorganisierten VerbrechenNF, zur Wirtschaft und zu den VGGrossgrundbesitzernNF. Die Linke ist gespalten und geschwächt. Auf der einer Seite haben wir die Gruppierung VGEncuentro por GuatemalaNF, angeführt von VGNineth MontenegroNF, einer dissidenten Parlamentarierin, die zuerst der URNG und dann der VGAllianz Neue NationNF ANN angehört hat. Auf der anderen Seite steht VGPablo MonsantoNF, Ex-Mitglied der URNG-Führung, der sich von der URNG getrennt hat, um sich an die Spitze der ANN zu setzen und der kritisiert wird, weil er die Partei dreissig ehemaligen Offizieren der guatemaltekischen Armee geöffnet hat, über deren Vergangenheit man nichts Genaues weiss. Als dritte linke Gruppe haben wir die URNG, geschwächt und wegen ihrer hierarchischen Strukturen und sektiererischen Praktiken in Frage gestellt.

Es gibt in Guatemala ein Sprichwort, das sehr gut zur aktuellen Situation passt: "Auch das Unglück hat (s)ein Gutes". Die URNG hat offenbar aus der Wahlniederlage und dem Austritt von VGMonsantoNF ihre Lektionen gelernt und sich der "Sozial-Politischen Linken Front" (unterdessen: Movimiento Amplio de Izquierdas VGMAIZNF, die Red.) angeschlossen, einer Initiative, die versucht, Einzelpersonen und VertreterInnen von sozialen oder politischen Gruppierungen zusammen zu bringen, die eine demokratische und progressive Vision von einem neuen Guatemala haben. Es ist zu hoffen, dass die URNG diesen Kompromiss ernst nimmt und sich als eine von mehreren Organisationen versteht und nicht versucht, sich diese Initiative zu unterwerfen.

Persönlicher Rück- und Ausblick

Persönlich habe ich in den letzten Jahren verschiedene Prozesse durchlaufen. Während der Phase der Demobilisierung und der Eingliederung war ich sehr frustriert und verspürte viele Ressentiments. Mit der Zeit habe ich die neue Realität akzeptiert und mich an sie gewöhnt.

Ob sich der bewaffnete Kampf gelohnt hat? Unsere Ideale waren damals sehr schematisch und geprägt von politischen Modellen anderer Länder. Modelle, die durchaus ihre Richtigkeit hatten, aber nicht ganz mit unserer Realität eines multikulturellen und mehrsprachigen Guatemala kompatibel waren. Wenn wir eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung machen, sind sich wohl alle einig, dass der Preis zu hoch war im Vergleich zu den wenigen Früchten, die wir ernten konnten. Vor allem die Zivilbevölkerung musste teuer bezahlen. Dem gegenüber ist der individuelle Preis derer, die gekämpft haben - mit Ausnahme der Gefallenen - nichtig. Aber ... hat es sich wirklich gelohnt, sich diesem blutigen Kampf zu verschreiben?

Vielleicht müssen wir die Frage anders herum stellen: Würde es sich heute zu leben lohnen, wenn wir nicht gekämpft hätten als es notwendig war? Welches Guatemala hätten wir heute, wenn wir nicht gekämpft hätten? Für mich persönlich, der ich in Armut geboren und aufgewachsen bin, der die Armut in all ihren Facetten kennt, wäre es eine grosse Beschämung, nicht gekämpft zu haben. Und das sage ich als Mestize. Für die indigene Bevölkerung war der Kompromiss noch viel grösser, sie hatten neben der Armut noch gegen den VGRassismusNF und die VGDiskriminierungNF zu kämpfen - generell gesagt, gegen die Erniedrigung.

Wir haben gekämpft und nicht erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Dies verpflichtet uns heute zu einem Leben in Würde und Stolz. Für mich reduzieren sich die 36 Jahre des bewaffneten Kampfes zu einer einzigen Schlacht - die wir weder gewonnen, aber auch nicht ganz verloren haben. Auch wenn wir damals die Situation nicht verändern konnten bin ich überzeugt davon, dass es eines Tages soweit kommen wird. Irgendwann wird sich die guatemaltekische Bevölkerung vom Krieg erholt haben und bereit sein - mit den dafür angemessenen Mitteln - für Veränderungen zu kämpfen.

Das Ideal, für das wir gekämpft haben, scheint manchmal etwas verloren gegangen zu sein. Vielleicht ist es verschwunden, vielleicht haben wir es vergessen. Doch mit den Wahlerfolgen der sozialen und linken Bewegungen in Ländern wie VGVenezuelaNF und VGBolivienNF, eröffnen sich auch für Guatemala neue Horizonte. Einer davon ist die erwähnte Gründung der "Sozial-Politischen Linken Front".

Wir müssen tagtäglich für unsere Ideale kämpfen, wo immer dies möglich ist. Persönlich mache ich das im Rahmen meiner Arbeit in einer Organisation, die sich in der Gemeindepolitik engagiert. Wir versuchen, Theorie und Praxis zusammenzubringen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Mit Worten allein kann man nichts verändern, mit assistentialistischen Hilfsprojekten auch nicht. Deshalb versuchen wir, das Politische mit dem Materiellen zu verknüpfen. Wir sagen den Leuten immer, dass Projekte ein Mittel und kein Ziel sind, dass man Veränderungen politisch erreichen muss und man sich darauf früh genug vorbereiten muss.

Für mich ist das eine Lebensaufgabe, die ich übernommen habe, als ich mich entschied, etwas für meine Leute zu tun. Ich erinnere mich an den compañero Felipe, mit dem ich zusammen eine zeitlang eine militärische Einheit der Guerilla geführt habe. Er sagte zu mir: "Wenn ich eines Tages sterben sollte - was man ja nie weiss - erwarte ich, dass du weiter kämpfst, denn auch wenn ich tot bin, sehe ich, was du machst." Diese Worte haben sich mir für immer eingeprägt; mit ihm zusammen sind 22 weitere compañeros unserer Einheit gefallen. Sie begleiten mich bei meiner täglichen Arbeit. Und immer, wenn mir etwas gelingt oder ich etwas für die Bevölkerung erreichen kann, weiss ich, dass sie sich mit mir freuen. Und wenn mir etwas nicht gelingt, bitte ich sie um Verzeihung - man kann ja nicht immer perfekt sein. Aber gemeinsam ziehen wir den Karren immer weiter.


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