Stürmische Zeiten am Izabal-See
Fijáte 374 vom 13. Dezember 2006, Artikel 3, Seite 4
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Stürmische Zeiten am Izabal-See
Guatemala, 7. Dez. Der Nationale Rat für Naturschutz (CONAP) fällte ein negatives Urteil gegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung der Guatemaltekischen Nickelkompanie CGN. Diese plante, zur Erweiterung ihrer Mine Fénix in El Estor, Departement Izabal, Industrie- und Minengüter auf über 60 Meter langen Schiffen durch das Naturschutzgebiet des Izabal-Sees und des Río Dulce zu transportieren. Vorgesehen waren 25 Grosstransporte im Verlauf von 10 Monaten. CONAP bezieht sich in seinem Entscheid auf eine entsprechende Resolution gegen das Holzunternehmen Simpson, dem untersagt wurde, Baumstämme per Schiff durch dasselbe Naturschutzgebiet zu transportieren. Als weiterer Grund wird angefügt, dass es in diesem Naturpark noch letzte Exemplare des manantí, einer Seekuh gibt, die vom Aussterben bedroht ist. Ausserdem werden die mögliche Verbreitung der schädlichen Wasserpflanze Hydrilla Verticillata sowie der "visuelle Aspekt" als Argumente genannt. UmweltschützerInnen freuen sich vorerst einmal über das Urteil des CONAP. Laut Eloyda Mejía von den Freunden des Izabalsees (siehe ¡Fijáte! 371) würden vor allem die vom Fischfang lebenden AnrainerInnen des Sees die Folgen des durch den Schiffsverkehr gestörten Ökosystems des Sees zu spüren bekommen. Gemäss der Umweltverträglichkeitsprüfung der CGN sind dies etwas 85% der in der Region lebenden Bevölkerung. Die UmweltschützerInnen zeigen sich aber auch besorgt darüber, dass es noch eine weitere Instanz gibt, nämlich das Ministerium für Umwelt und Ressourcen (MARN), dem der CONAP untersteht und das offenbar in dieser Sache auch noch ein Wort mitreden will. Im Moment befindet sich die Umweltverträglichkeitsprüfung dort "im Studium". Während Carlos Noriega vom MARN den CONAP nur als "einen unter mehreren Meinungsträgern" in dem Evaluationsverfahren bezeichnet, weist Yuri Melini von der Umweltorganisation CALAS darauf hin, dass sich das Urteil des CONAP auf das Gesetz bezieht, das industrielle Tätigkeiten in Naturschutzgebieten verbietet und das MARN, falls es den Entscheid des CONAP ignorieren würde, gegen dieses Gesetz verstossen würde. Diese momentane Pattsituation nährt die Befürchtung, dass es sich mehr um einen politischen denn um einen rechtlichen Disput handelt, und dass das MARN von höheren Mächten in der Regierung unter Druck gesetzt wird, die Minenaktivitäten zu begünstigen. Erst kürzlich machte die Guatemaltekische Industriekammer (CIG) einen Vorstoss, das Gesetz abzuschaffen, dem der CONAP seine Existenz zu verdanken hat. Nach oben |
Falls das MARN den Entscheid des CONAP akzeptieren sollte, bliebe der CGN noch der Landweg, um das für die Erweiterung der Mine notwendige Material zu transportieren. Diese Möglichkeit ist jedoch nicht sehr attraktiv und in der Umweltverträglichkeitsprüfung gar nicht erst vorgesehen, da die Strassen entsprechend ausgebaut und verbreitert werden müssten. Die Bevölkerung der Zone ist zudem laut Eloyda Mejía nicht bereit, ihr Land dafür herzugeben. Ausdruck für den Widerstand der lokalen Q'eqchi'-Bevölkerung sind zahlreiche Landbesetzungen und Proteste. Mitte November besetzte eine Gruppe von rund 60 Familien ein Stück Land gegenüber dem Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Guatemaltekischen Nickelkompanie (CGN). Dies war die vierte Landbesetzung, mit der die CGN gleichzeitig konfrontiert war, bereits im September wurden drei weitere begonnen. Die Polizei versuchte, diese vierte Besetzung gewaltsam zu räumen, wobei es mindestens zwei verletzte Personen gab - derweil eine Delegation der BesetzerInnen mit dem Sekretariat für Agrarfragen (SAA) ergebnislos verhandelte. Laut der Version der Staatsanwaltschaft räumten die BesetzerInnen nach Gesprächen mit einem Abgeordneten der Staatsanwaltschaft das Gelände freiwillig. Gemäss der Version der BesetzerInnen und der Defensoría Q'eqchi' kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, wurden mehrere Personen festgenommen, zwei verschwanden und einer wurde am darauf folgenden Tag schwer verprügelt und bewusstlos gefunden. Offenbar dehnten sich die Zusammenstösse auch auf die anderen besetzten Gelände aus und vertrieben u.a. 200 Familien von dem Landstück La Revolution. Diese kehrten aber unmittelbar nach dem Abzug der Polizei dorthin zurück - in der darauf folgenden Nacht brannte das Büro für Öffentlichkeitsarbeit der CGN nieder, ein Tag später ein Haus des Bürgermeisters von El Estor, der dafür bekannt ist, die Minentätigkeit tatkräftig zu unterstützen. Ursache des ganzen Streites sind unklare Besitzverhältnisse über das Land. Das Minenunternehmen hat zwar Landtitel vorgelegt, ebenso aber die besetzenden BürgerInnen, die ausserdem sagen, dass gewisse relevante Dokumente vom unterdessen aufgelösten Institut für landwirtschaftliche Entwicklung (INTA) spurlos verschwunden seien. Weiter beziehen sie sich auf das Gewohnheitsrecht: Ihre Grosseltern seien vor über 50 Jahren auf diese Ländereien gekommen, viel früher als die erste Besitzerin der Mine, Exmibal. Vorläufig haben sich die vier Gruppen von den besetzten Gebieten zurückgezogen und fordern Verhandlungen mit der CGN, was die Staatsanwaltschaft zu dem Kommentar verleitete, die ganze Besetzungsgeschichte sei von aussen gesteuert und die BesetzerInnen manipuliert worden - womit sie einen Seitenhieb auf die Defensoría Q'eqchi' austeilte. |
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