Der Staatsetat 2006 als Russisch-Roulette
Fijáte 349 vom 7. Dez. 2005, Artikel 2, Seite 3
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Der Staatsetat 2006 als Russisch-Roulette
Guatemala, 02.12. Wieder einmal auf den letzten Drücker winkte der Kongress auch heuer den Etat für das kommende Jahr durch. Und wieder einmal fehlte es nicht an Skandalen und Ungeschicklichkeiten von Seiten der Regierung, um diverse Interessen unter einen Hut zu bringen und andere aussen vor zu lassen. Wäre nicht bis zum 30. November die Verabschiedung getroffen worden, stände für 2006 die gleiche Summe wie für 2005 zur Verfügung, das wären 32 Mrd. Quetzales (ca. US-$ 4,2 Mrd.) so geschehen im Jahr 2004. Inmitten von bis zum Schluss nicht vollständig geklärten Umverteilungsfragen und Zeitschindenden Anträgen auf Veränderung des Prozederes, wurde das ursprünglich vom Finanzministerium eingereichte Haushaltsvorhaben über knapp 36 Mrd. Quetzales um mehr als die für den Wiederaufbau nach Stan eingeplanten 1,5 Mrd. Quetzales auf letztendlich 37,8 Mrd. Quetzales aufgestockt und gebilligt. Doch zugleich ist klar, dass diese Gelder, und vor allem der für die Rekonstruktion vorgesehen Betrag längst nicht ausreichen, um alle in 2006 aufkommenden Kosten zu decken. Es ist noch nicht einmal das verabschiedete Budget gedeckt, schaffte es die Regierung doch nicht, das notwendige Kongressquorum für die Billigung von Krediten über 600 Mio. Quetzales von der Zentralamerikanischen Wirtschaftsintegrationsbank (BCIE), der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IADB) sowie der Weltbank zusammenzubekommen. Abgeordnete der Patriotischen Partei (PP), der Allianz Neue Nation (ANN) und vom Encuentro por Guatemala denunzierten derweil dunkle Machenschaften und Korruptionsversuche von Seiten der Exekutive. Demnach sei von der Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA) angeboten und gegenüber den für den Etat votierenden Mitgliedern der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) und der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) auch eingehalten worden, dass jeder und jedem AbgeordneteN im Gegenzug für ihr Etat-Plazet Bauprojekte in Höhe von 2 Mio. Quetzales zur eigenen Verfügung gestellt wurde, für Fraktionsvorsitzenden und Mitglieder der Finanzkommission gar über 5 Mio. Quetzales. Zur eigenen Verfügung heisst in diesem Fall, dass die Abgeordneten zwar die Projekte über die lokalen Entwicklungsräte laufen lassen müssen, jedoch sich die Freiheit herausnehmen können, sowohl über die Art der konkreten Vorhaben in den für sie relevanten Wahlbezirken zu entscheiden als auch sie an von ihnen ausgewählte Firmen vergeben zu können, das Einziehen einer Vermittlungskommission nicht zu vergessen. Ein UNE-Abgeordneter gibt gar zu, dass ,,wir eigentlich je 2,5 Mio. Quetzales gefordert haben, aber sie haben uns nur 2 Millionen gelassen." Der Fraktionsvorsitzende der Partei des Nationalen Fortschritts (PAN), Mario Taracena, der dem Anschein nach in Abwesenheit von seinen ParteikollegInnen seines Postens enthoben wurde, versicherte indes gegenüber den Bestechungsvorwürfen, dass diese bloss ,,zerstörten, um zu zerstören" und absurd seien. ,,In Wirklichkeit hat (Roxana) Baldetti (von der Patriotischen Partei, die als erste die Angebote der Regierungspartei publik machte, die Red.) Bauprojekte zur Billigung eingereicht hat, die aber nicht autorisiert wurden und das hat sie ,,geärgert"", verteidigt sich Taracena. Im Kongress wurden im Zusammenhang mit dem Haushalt rege Diskussionen geführt, um verschiedenste Vereinbarungen zu treffen, was von der Öffentlichkeit mit Skepsis beobachtet worden ist, waren doch die Verhandlungen ganz offensichtlich wenig transparent. Klar ist hingegen, dass einige der Abgeordneten neben dem politischen Vorteil nicht zu verachtende ökonomische Gewinne einstreichen werden, erinnert sei neben den oben genannten Projekten nur an die Billigung zum Bau des Strassenvorhabens der Franja Transversal del Norte (siehe ¡Fijáte! 348). Nach oben |
Nicht zum ersten Mal wurde zeitnah zur Etatverabschiedung von aktuellen und in diesem Jahr vornehmlich ehemaligen Kongressabgeordneten der Antrag eingereicht, ihnen rückwirkend Entschädigungsleistungen für ihre Dienstjahre zu zahlen, die allen anderen staatlichen Angestellten in Form von Lohnzusatzleistungen zustünden. Dass ihr Gehalt ohnehin diverse Vergünstigungen enthält, scheint für die ,,Eltern des Vaterlandes" nicht auszureichen. In manchen Fällen, beispielsweise für den geleisteten ,,Kongressdienst" von ExGeneral Ríos Montt und andere Veteranen, würden diese ,,Entschädigungen" locker die 100 Mio. Quetzales-Grenze überschreiten. Während in diesem Jahr der Vorschlag zwar wieder durchaus kritische Gegenstimmen laut werden lässt, scheinen die BefürworterInnen deutlich im Vorteil zu liegen. Über eine Entscheidung ist jedoch bis dato nichts bekannt geworden. Doch zwei andere Meldungen stellen die Geldverteilungspläne des Kongresses generell in Frage: Zum einen meint Vizepräsident Eduardo Stein selbst: ,,Wir sind sehr besorgt, weil die Fonds für den Wiederaufbau nicht den am meisten von Stan betroffenen Regionen zugewiesen wurden, für San Marcos gibt es 66 Mio. Quetzales weniger als ursprünglich kalkuliert." Nach Verabschiedung des Budgets erhoffen nun die Autoritäten, die Ausgaben für das nächste Jahr doch noch anzupassen. Zu den Sorgen gehören ausserdem das Kapitel der Agrarkonflikte, dessen Budget fast komplett gekürzt wurde, und die lauthals für Januar angekündigte Generaldirektion für zivile Geheimdienstund Informationstätigkeit (DIGICI) (siehe ¡Fijáte! 347), für deren Funktion 200 Mio. Quetzales an Startkapital benötigt würden, die jedoch laut verabschiedetem Etatplan ebenfalls ohne jeglichen Centavo bleibt. Zum anderen legte Präsident Óscar Berger sein Veto ein und verhinderte somit den Eintritt des Pensionsgesetzes für SeniorInnen, das eine monatliche Zahlung von knapp 400 Quetzales (ca. US-$ 52) für all jene Übersechzigjährigen vorsieht, die keine Leistungen der Sozialversicherung erhalten. Der Mandatsträger argumentierte, dass es keine Gelder gäbe, diese Ausgaben zu decken; in Zahlen bräuchte es 240 Mio. Quetzales jährlich, um schätzungsweise 60 Tausend bedürftige SeniorInnen zu versorgen. Damit würde sich das bestehende Steuerdefizit erhöhen, so Berger. Mitte November war ohne die Stimmen der GANA das entsprechende Legislativdekret vom Kongress gebilligt worden, in dem auch die Finanzquellen benannt waren. Doch, so die Exekutive nun, diese vorgeschlagenen Fonds hätten schon anderweitige spezifische Bestimmungen. Mit 105 Stimmen könnte der Kongress auch ohne Zustimmung des Präsidenten die Forderungen der SeniorInnen erfüllen. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Vox Latina unterstützen 95,3% der GuatemaltekInnen die Schaffung einer Pension für die Bedürftigen, 32% sind zudem der Meinung, dass die nötigen Gelder aus Gehaltskürzungen der Abgeordneten stammen könnten. Inmitten aller öffentlichen und Kongressinternen Kritik ob seiner Entscheidung, bot Berger nun an, einen Alternativvorschlag einzureichen, deren Quintessenz darin bestehen soll, dass die Pension letztendlich von den Begünstigten selbst finanziert werde. |
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