Tag des Wassers: Nicht allen zugänglicher Lebensspender
Fijáte 356 vom 29. März 2006, Artikel 7, Seite 6
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Tag des Wassers: Nicht allen zugänglicher Lebensspender
Guatemala 22. März. Just zum Internationalen Tag des Wassers verurteilte das Lateinamerikanische Wassertribunal (TLA) die Regierung Guatemalas wegen der Vergabe von Konzessionen an Konzerne für den Übertageabbau von Metallen, der zur Vergiftung und Verschwendung des Wassers beitrage. Dabei seien beispielsweise im Falle des kanadisch-US-amerikanischen Unternehmens Glamis Gold in San Marcos die Belange der BewohnerInnen nicht berücksichtigt worden, obwohl diese auf Eigeninitiative hin eine rechtlich abgesicherte Volksbefragung durchgeführt hatten, die eindeutig die Ablehnung des Minenbergbaus in der Region zeitigte. Der lokale Geschäftsführer der Montana Exploradora (das in San Marcos aktive Tochterunternehmen von Glamis Gold), Milton Saravia, wies die Anschuldigungen zurück und erklärte, dass die betroffenen BewohnerInnen ihre eigenen Trinkwasservorräte hätten, die von dem Abbau nicht berührt werden würden (¡Fijáte! 326, 347). Das Urteil des TLA übte auf moralischer Ebene dreifache Zensur: Beschuldigt wird die Regierung Guatemalas und vor allem Präsident Berger, weil sie hochriskante Aktivitäten im Minenabbau erlaubten, wobei allein partikulare Interessen und die der transnationalen Unternehmen berücksichtigt würden, und das Ganze auf Kosten der indigenen Völker. Die Regierung wird angeklagt, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen, nämlich, mit ehrlichen Absichten im Vorfeld die lokalen indigenen Völker hinsichtlich der Vorhaben zu befragen und ferner, dass sie mit der Lizenzvergabe gegen den Willen der Gemeinden gehandelt habe. Dem Umweltministerium wird ebenfalls die Nichterfüllung ihrer Verantwortung vorgeworfen. Das Urteil wurde sowohl der Regierung als auch dem Minenunternehmen mitgeteilt. Die Reaktion von Montana bestand in der Versendung eines Briefes mit den Ergebnissen einer vermeintlichen Bestandsuntersuchung, durchgeführt von einem Team der Weltbank, die vom Minenexperten Robert Morán bemängelt wurde: "die Schlussfolgerungen sind nicht richtig, da sie sich auf ungeeigneten Informationen und falsche Interpretationen stützten". Auch der Geschäftsführer von Montana meldete sich zu Wort und diskreditierte das Wassertribunal als "eine weitere Nichtregierungsorganisation, die versucht, die Umweltarbeit (sic!), die Montana leistet, in Verruf zu bringen." Magalí Rey Rosa von der Umweltorganisation Madre Selva fühlt sich indes bestätigt: "Dass das Urteil keine sofortigen rechtlichen Folgen zeigen wird, tut der Tatsache keinen Abbruch, dass ein Tribunal von internationalen Fachleuten die Involvierten für schuldig befunden hat. Dieses Verdikt summiert sich zu einer Reihe von Ablehnungsbekundungen gegen den Metallbergbau, die auf seriösen Grundlagen beruhen und reichlich Rückendeckung von der guatemaltekischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft geniessen." Auch in Guatemala selbst, beispielsweise in Zacapa, wurde der Tag des Wassers (22. März) durch Protestkundgebungen begangen. Verschiedene örtliche Sektoren der Zivilgesellschaft forderten von den lokalen wie nationalen Regierungen Taten, die die Leiden der Bevölkerung, die durch Umweltzerstörung verursacht würden, zu beenden. Der Sprecher einer lokalen Umweltschutzorganisation stellte fest, dass die zunehmende Hitze der globalen Klimaveränderung im Land bereits viele Flüsse und Bäche ausgetrocknet habe, z.B. auch den Montagua, einen der grössten Flüsse im Land. Auch in Zacapa gefährdete der Übertageabbau von Gold, Silber, Kupfer, Eisen und anderen Mineralien die Umwelt und damit den Zugang zu sauberem Wasser. Gleichzeitig schreitet die Entwaldung in Riesenschritten voran, täglich gehen 280 Fussbaldfeldgrosse Waldgebiete verloren. Hauptursache ist neben dem illegalen Holzschlag für Direktnutzung und Schmuggel - ironischer Weise vor allem in "Schutzgebieten" - der Teufelskreis der sich verschiebenden Landwirtschaftsgrenze aufgrund von ausgelaugtem Boden und Wasserverschmutzung bzw. -mangel. Nach oben |
Der guatemaltekischen Regierung blieb nichts anderes übrig, als sich angesichts der internationalen Aufmerksamkeit auch zum Thema Wasser zu äussern: das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium, der Präsidentiale Beauftragte für die Nutzung und Bewahrung des Wassers sowie das Hilfsprogramm zur Produktiven Wiederverwertung (PARPA) starteten Mitte März die Kampagne "Aguas con el Agua", in der für den achtsamen Umgang mit der lebensspendenden Flüssigkeit geworben wird. Zeitgleich trat eine neue Abwasserverordnung in Kraft, die hehre Ziele verfolgt. Nach Angaben des Vizeministers für Umwelt und Naturressourcen, Sergio Velíz, werde die Verordnung schrittweise Anwendung finden: in den ersten fünf Jahren solle die Wasserverschmutzung von derzeit rund 80% um 30% reduziert werden, im folgenden Jahrfünft weitere 20 % und schliesslich solle es gar keine Verschmutzung mehr geben. Sich neu ansiedelende Industrien sollen nur genehmigt werden, wenn sie Umweltverträglichkeitsstudien vorlegen, welche aufzeigen, wie sie mit dem Wasser umgingen. Die Inkraftsetzung der Verordnung war zuvor dreimal verschoben worden, weil das Ministerium sich nicht mit der Industriekammer einigen konnte, die die Regulierung vornehmlich im Rahmen des derweil vom 1. April auf unbestimmt verschobenen Eintritt des Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika, der Dominikanischen Republik und den USA (TLC) betrachtet. Die Vorgänge beim Metallabbau in Chisec, Departement Alta Verapaz, oder in El Estor, Izabál, zeigen jedoch, dass auch vorhandene Umweltverträglichkeitsstudien Wasserverschmutzungen nicht verhindern konnten (vgl. Fijáte 354), bzw. von Vornherein auch gar nicht darauf ausgerichtet waren. Viele dieser Studien werden wie oben erwähnt, von den Unternehmen selbst erhoben und interpretieren die Tatsachen für gewöhnlich zu Gunsten des Unternehmen. Die Regierung, die ihrerseits entsprechende Studien in Auftrag geben könnte, entbehrt zum einen an internen Regulierungen, an Fachpersonal und letztendlich am nötigen Kleingeld. In Mexiko-Stadt fand vom 15.-22 März das IV. Weltwasserforum der Vereinten Nationen statt. Mehr als 13.000 TeilnehmerInnen diskutierten über Wasserknappheit und das Menschenrecht auf Wasser. Der Präsident des UN-Weltwasserrates, Loic Fauchon, erklärte bei der Eröffnung der Konferenz, dass durch fehlenden Zugang zu Wasser mehr Menschen stürben als durch Kriege. 1.1 Mrd. Menschen hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 2.6 Mrd. keinen zu sauberem Wasser. 4'000 Kinder stürben täglich an Folgeerkrankungen des Wassermangels. Für einen bedingungslosen Zugang zu sauberem Wasser und gegen die Privatisierung des Wassers demonstrierten Zehntausende auf den Strassen der mexikanischen Hauptstadt. Auf der Gegenveranstaltung zur UN-Konferenz, dem Internationalen Forum für die Verteidigung des Wassers, das soziale Bewegungen und Nicht-Regierungsorganisationen organisierten, kam schliesslich auch die prekäre Situation in Guatemala zur Sprache, wo derweil nicht nur in den trockenen Sommermonaten in vielen Hochlandregionen wie San Marcos sowie im Departement Alta Verapaz der generelle Wassermangel beklagt wird, unter dem die lokale Bevölkerung tagtäglich leidet. |
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