Ein Neuer im Korruptionssumpf Rechnungsprüfungsstelle
Fijáte 370 vom 18. Oktober 2006, Artikel 6, Seite 5
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Ein Neuer im Korruptionssumpf Rechnungsprüfungsstelle
Guatemala, 10. Okt. Allein die Menschenrechtsorganisation Grupo de Apoyo Mutuo (GAM) machte sich die Mühe, in aufeinander folgenden Kommuniqués ihre Besorgnis auszudrücken. Den Anlass stellte die Neuwahl des Nationalen Rechnungsprüfers dar, ein Prozess, der alle vier Jahre stattfindet und in der Vergangenheit weder Vertrauen geweckt noch grosse Erwartungen an die Ausübung der institutionellen Funktion, die Gewährleistung der Kontrolle und Transparenz öffentlicher Ausgaben, gerechtfertigt hat. Der Analyst Erwin Pérez bezeichnet diese Vergangenheit gar als traumatische Erfahrungen. Der derzeitige Leiter der Rechnungsstelle (CGCN), Joaquín Flores España, der in diesen Tagen das Zepter an seinen Nachfolger übergeben wird, war ohne grosse Prüfung als Ersatzmann auf den Plan gerückt, nachdem der offiziell gewählte, Óscar Dubón Palma, die internationale Flucht antrat, sah er sich doch verwickelt in den politischen Skandal der Triangulierung von Staatsgeldern, mittels derer die Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) und die Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) begünstigt wurden. In Nicaragua gefasst, sitzt Dubón Palma inzwischen hinter guatemaltekischen Gittern. Dort befindet sich auch Dubóns Vorgänger in der CGCN, Marco Tulio Abadío, der vom damaligen Präsidenten Portillo im Anschluss auf den Chefposten der Steueraufsichtsverwaltung setzte. Aufgrund einer Korruptionsanschuldigung von über 60 Mio. Quetzales, setzte sich auch Abadío ab, ist indes gemeinsam mit seinem ebenfalls in den Korruptionsfall involvierten Sohn in Untersuchungshaft. Während seiner Amtszeit als Oberster Rechnungsprüfer galt Abadío als aggressiv und wenig Presseumgänglich, oftmals wurde er aufgrund seiner Passivität gegenüber den Korruptionsskandalen in zahlreichen staatlichen Behörden in Frage gestellt. Schon früher, unter der Regierung von Jorge Serrano Elías (1991-93), war die CGCN in Verruf geraten, war doch auch deren damaliger Leiter, Manuel Maza Castellanos, späterer Finanzminister unter Portillo, den Fängen der Korruption und dem Amtsmissbrauch nicht entkommen. Ihm wird vorgeworfen, Zahlungen für vermeintliche Bauvorhaben zu tätigen, die nie errichtet wurden. Derweil ist er auf der Flucht. Nun hatte also eine dreizehnköpfige Kommission nach erstem Hin- und Her ob der verfassungswidrigen Konstellation und potentieller Interessenkonflikte innerhalb derselben, dem Kongress sechs KanditatInnen für den Leitungsposten der Rechnungsprüfungsstelle vorgelegt. Kritisiert wird dabei zum einen die knappe Zeit für die Auswahlkommission, die allein aufgrund der schriftlichen Unterlagen der AspirantInnen - inklusive polizeilichem und steuerlichem Führungszeugnis - ihre Entscheidung zu treffen hatten. Für Bewerbungsgespräche reichte die Zeit nicht. Skepsis rief zum anderen die Tatsache hervor, dass alle sechs Vorgeschlagenen prominente Mitglieder der Gruppe IDEA sind, eine Wirtschaftsinteressensvereinigung, die sowohl ehemalige Rechnungsprüfer, politische Wirtschafts- und Finanzleute, als auch UnternehmerInnen zu ihren Mitgliedern zählt. Die GAM bezeichnet unter diesen Vorzeichen die Zukunft der Prüfungsstelle als wenig vielversprechend, bliebe doch die gleiche Machtgruppe und mit dieser die Vergangenheit der CGCN weiterhin am Ruder; eine grundsätzliche Kursänderung in Richtung mehr Transparenz ist folglich wenig wahrscheinlich. Auch wenn der Auserwählte, Carlos Enrique Mencos Morales versichert, nie irgendwelchen politischen Interessen nachgegeben zu haben und bei der kleinsten Andeutung politischen Drucks kündigen zu wollen, zeugt auch seine Vergangenheit kaum von purer Reinheit. Unter der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) und dem aktuellen FRG-Abgeordneten für Jalapa, Mario Estrada, war Mencos stellvertretender Leiter des kurzlebigen Sekretariats für Soziale Entwicklung (SEDESOL). Gegen Estrada läuft ein Prozess nicht nur wegen der Hinterziehung von mehr als 300 Mio. Quetzales im SEDESOL. Nach oben |
Mit Misstrauen wurde die Tatsache betrachtet, dass die Wahl Mencos bereits im Vorfeld als sicher gehandelt wurde, der Kongress trotz seiner Tagesordnung, die die Billigung des Wahl- und Parteiengesetztes vorsah, auf einen privilegierten Antrag hin in vorgezogener Wahl für Mencos stimmte und sich die Gerüchte auf parteiliche Kungeleien verdichteten. Die Tageszeitung Prensa Libre bezeichnet die Wahl als zwischen FRG und der Regierungspartei GANA verhandeltes Resultat. Seit Beginn der aktuellen Amtsperiode sei die Version zirkuliert, dass die Leitung der Rechnungsprüfungsstelle in Händen der FRG Teil der Vereinbarung mit der GANA war, mit der sich diese das Kongressdirektorium sicherte. Auch die GAM kommentiert die Parteienpositionen als klar interessensgeleitet. "Die Wahl von Lic. Mencos garantiert sowohl die Fortdauer der Politik der Straflosigkeit, mit der die FunktionärInnen und Ex-FunktionärInnen durchkommen, als auch das Fehlen von ernsthaften Ermittlungsprozessen der bestehenden Korruption der öffentlichen Verwaltung. Es ist also kein Zufall, dass die Partei, der am stärksten der Korruptionsvorwurf anhängt, nämlich die FRG (Regierungszeit 2000-2004, die Red.), Mencos unterstützt hat. Ebensowenig ist es Zufall, dass die UNE ihn unterstützt, ist doch bekannt, dass diese Partei in ihren Reihen Leute hat, die ins organisierte Verbrechen, den Drogenhandel und die Unterschlagung von Staatsgeldern involviert sind. Auch die Unterstützung durch PAN (Regierung von 1996-2000, die Red.) und GANA (seit 2004, die Red.) kommt nicht von Ungefähr, können auch sie sich doch somit die Untersuchung ihrer jeweiligen Staatshaushaltsführung vom Halse halten." |
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