Leserbrief zum Artikel "Lokale Gesetze gegen herrschende Straflosigkeit" im Fijáte Nr. 368
Fijáte 369 vom 04. Okt. 2006, Artikel 6, Seite 6
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Leserbrief zum Artikel "Lokale Gesetze gegen herrschende Straflosigkeit" im Fijáte Nr. 368
"In dem Artikel "Lokale Gesetze gegen herrschende Straflosigkeit" (Fijáte Nr. 368) ist einiges durcheinander geraten: Weder in Nebaj, noch in Santa Cruz del Quiché gibt es eine lokale "Gesetzgebung", wie in dem Artikel (unter Bezugnahme auf die PDH) behauptet wird. Im Fall von Acul liegt zudem eine ungute Verwechslung vor: Auch dort gibt es keine lokale "Gesetzgebung". Allerdings hat diese Comunidad im vergangenen Jahr ein "Reglamento Comunitario" verabschiedet, so wie das in der Folge auch andere Ixil-Gemeinden wie Salquil Grande und Xejalvinte getan haben. Dieses Reglamento hat aber nichts mit einer "lokalen Verselbständigung der Rechtsanwendung", Willkür oder Diskriminierung zu tun. Noch viel weniger "(hebelt es) das offizielle Justizsystem gleich vollständig aus". Im Gegenteil, es handelt sich dabei um die schriftliche Fassung der internen Regeln, nach denen die Comunidad organisiert ist und die das Gemeindeleben traditionell regulieren. Es ist also keine Neuaufstellung irgendwelcher Normen, sondern die Verschriftlichung einer langjährigen Praxis der Comunidad-Verwaltung. Es versteht sich als Ergänzung sowie Konkretisierung (und nicht als Ersatz) der gültigen Gesetze. Das Reglamento klärt auf über die Funktionen der Dorfautoritäten, der Gemeindeversammlung, Komitees, Hebammen und Maya-Priester und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Gemeindemitglieder in bestimmte Gemeindeämter gewählt werden dürfen. Es beschreibt, welche Aufgaben die Comunidad-Verwaltung zu erfüllen hat, und benennt Gemeindegrundstücke sowie lokale Feiertage. Wenn im Fall von Xejalvinte auch von Geldstrafen die Rede ist (Höchststrafe 100.- Quetzales), so gelten diese nur für Vergehen, die auch traditionell in der Comunidad geahndet wurden: das Laufenlassen von Tieren, unerlaubte Müllentsorgung und Holzeinschlag, das Vergiften von Tieren, Viehdiebstahl, das Liegenlassen toter Tiere auf öffentlichem Grund. Der springende Punkt dieser Reglamentos ist folgender: Sie werden in einer Situation verabschiedet, in der der FRG-Bürgermeister von Nebaj vehement versucht, in die lokalen Angelegenheiten der Comunidades einzugreifen. Grösster Konfliktpunkt ist die Wahl der lokalen Entwicklungskomitees (COCODES), deren Mitglieder laut Gesetz von den Comunidades bestimmt werden. Der Bürgermeister von Nebaj weigert sich jedoch in vielen Fällen, die von den Comunidades ernannten COCODES anzuerkennen und hat COCODES nach eigenem Gusto eingesetzt. Das Reglamento hat demgegenüber die Funktion, die Comunidades gegenüber dem Bürgermeister zu stärken und vor Amtsanmassungen zu schützen, indem es den Freiraum gestaltet, der den Comunidades nach dem Gemeindegesetz auch zukommt - mit der Sicherheitssituation im Land hat es dagegen nichts zu tun. Nach oben |
In einem weiteren Punkt schiesst der Artikel übers Ziel hinaus und packt das Reglamento Comunitario fälschlicherweise in einen Sack mit lokaler Justizwillkür: In der "Auflistung der Übel" heisst es, "in einem Munizip in Quiché (wird) verboten, Personen zu beerdigen, die im Ausland gestorben sind (...)." Anderes als der Artikel glauben macht, geht es hier keineswegs um ein generelles Verbot, mit xenophobischem Einschlag gar. Es handelt sich vielmehr um einen konkreten Einzelfall, der vor dem Hintergrund des genannten Konflikts hochgeschaukelt wurde: Die Comunidad-Verwaltung von Acul hatte sich zunächst tatsächlich geweigert, einen Einwohner des Nachbardorfes Xexuxcap (der in den USA verstarb), auf dem Ortsfriedhof von Acul zu beerdigen, mit dem Argument, der Friedhof sei voll und die letzten freien Quadratmeter sollten für die Verstorbenen aus Acul reserviert bleiben. Dem Bürgermeister aus Nebaj, der die Beerdigung seines Parteigängers aus Xexuxcap in Acul anordnen wollte, mochte man in Acul nicht so schnell entgegen kommen. Der Bürgermeister nahm diesen Konflikt zum Anlass, um das Reglamento Comunitario von Acul öffentlich anzuprangern: Dies sei der Grund für die Widerspenstigkeit der Aculer, das Reglamento sei illegal und öffne politischer Willkür Tür und Tor. Tatsache ist, dass das Reglamento dem Bürgermeister nicht passt, weil die Comunidad mit dem kleinen Schriftstück in der Hand selbstbewusster auftritt. Von Beerdigungsangelegenheiten oder gar obskuren Verboten ist darin allerdings nirgendwo die Rede... Vor Ort ist die Lage längst entspannt: Der in der Fremde Verstorbene wurde inzwischen feierlich auf dem Friedhof von Acul beerdigt und die Comunidad Xexuxcap hat bei der Gemeindeverwaltung Nebaj die Anlage eines eigenen Friedhofs beantragt. Dass es der Bürgermeister von Nebaj mit seiner verzerrten Darstellung der Dinge bis über den Atlantik in die Spalten von Fijáte geschafft hat, wird er als unerwarteten Propaganda-Erfolg verbuchen können." Michael Eberlein (Nebaj) Wir danken Michael Eberlein herzlich für die ausführliche Richtigstellung. Die Redaktion |
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