guatemala.de > Guatemalagruppe Nürnberg e. V. > Fijate
Fijáte
 

Guatemala - Das Land der Morde

Fijáte 369 vom 04. Okt. 2006, Artikel 1, Seite 1

PDF Original-PDF 369 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte

Guatemala - Das Land der Morde

Frage: Führt dieser Mangel an Vertrauen dazu, dass die Leute die "harte Hand" befürworten?

Ph.A.: Ich sehe zwei Optionen. Erstens die harte Hand, zweitens ein funktionierender Rechtsstaat. Wenn aber ständig demonstriert wird, dass die zweite Option nicht funktioniert, werden damit die Anhänger der harten Hand gestärkt. Der Rechtsstaat funktioniert unter anderem deshalb nicht, weil es ihm an den entsprechenden Gesetzen und den notwendigen finanziellen Ressourcen mangelt.

Frage: Wer ist für die Transformation dieses gescheiterten Systems zuständig?

Ph.A.: Das ist nicht Sache von einer bestimmten Person oder Gruppe, es betrifft die ganze Gesellschaft. Eine wichtige Rolle kommt dem in Entstehen begriffenen neuen Unternehmenssektor zu. Dieser sollte eigentlich ein Interesse an einem funktionierenden Rechtsstaat haben. In Guatemala scheint es aber eher, dass der Privatsektor an einem geschwächten Staat interessiert ist.

Frage: Welche konkreten Empfehlungen geben Sie dem guatemaltekischen Staat?

Ph.A.: Es gibt etwa ein halbes Dutzend Gesetze, die dem Kongress zur Diskussion vorliegen, mit denen die Situation verbessert werden könnte. Es ist schon beeindruckend, dass offenbar niemand die Notwendigkeit sieht, diese Gesetze zu verabschieden. Das Budget ist ein weiterer Faktor: Man kann nicht erwarten, dass ein Justizsystem mit einem so kleinen Budget funktionieren kann.

Frage: Ein Teil des Problems ist doch auch, dass sich die Elite sicher fühlt, weil sie ihre eigenen Miniarmeen haben und im Notfall das Land verlassen können.

Ph.A.: Mehr oder weniger. Die Internationalen Justizmechanismen werden immer besser und es wird immer schwieriger werden, sich ins Ausland abzusetzen. Guatemala ist nicht mehr die Insel von einst. Man mag zwar den Eindruck haben, die Macht der guatemaltekischen Elite sei unantastbar, aber das ändert sich.

Frage: Der Gesetzesartikel über die aussergerichtliche Hinrichtung wurde dahingehend modifiziert, dass er die VGTodesstrafeNF als Höchststrafe erlaubt. Dies hat aber keinerlei Wirkung gezeigt, im Gegenteil, die Anzahl aussergerichtlicher Hinrichtungen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt.

Ph.A.: Die Todesstrafe hat - vor allem in dieser Sache - keine abschreckende Wirkung. Überhaupt ist die Sache mit der Todesstrafe sehr unklar in Guatemala. Sie existiert, aber sie wird nicht angewendet, das Begnadigungsrecht des Präsidenten ist suspendiert. Diese unklare Situation muss vom Kongress unbedingt geklärt werden, denn sie beeinflusst auch das Straf- und Gefängniswesen.

Frage: Wir hören zwar immer die Geschichten über staatliche VGTodesschwadronenNF und Sicherheitskräfte, die soziale Säuberungen betreiben. Und trotzdem fragen wir uns immer wieder, ob das wirklich stimmt.

Ph.A.: Es braucht einen seriösen Journalismus, der den Dingen wirklich auf den Grund geht. Bisher werden all diese Geschichten über Todesschwadronen und soziale Säuberungen als Anekdoten verbreitet. Wirkliche Informationen bekommt man kaum und wer nachfragt, bekommt die Antwort: Dazu kann ich nichts sagen und keine Namen nennen.

Frage: Wie kann man die Leute davon überzeugen, dass soziale Säuberung nicht die Lösung des Problems sein kann?

Ph.A.: Indem man ihnen klarmacht, dass sie der oder die nächste auf der Liste sein können. Indem man mir die "carte blanche" zum Töten gibt, hält mich nichts mehr davor zurück, meinen Nachbarn umzubringen, weil mich das Bellen seines Hundes stört oder die Frau am Ende der Strasse, weil sie mein Kind geohrfeigt hat.

Frage: Was kann man machen, um das VGKorruptionsproblemNF in der guatemaltekischen Polizei zu lösen: Sie transformieren, sie "säubern", oder sie gänzlich auflösen und von neuem beginnen?

Ph.A.: Die Polizeien sind immer und auf der ganzen Welt sehr komplex und eine Herausforderung. Es gibt immer Formen von Korruption, aber es gibt durchaus Länder, die ebenso arm sind wie Guatemala und eine viel effizientere Polizei haben. Ich habe in der guatemaltekischen Polizei nichts Aussergewöhnliches aber auch nichts wirklich Ermutigendes gesehen. Ich war zu einem Gespräch im VGInnenministeriumNF, der Polizeidirektor, VGErwin SperisenNF hat während einer Stunde lang kein Wort gesagt.


PDF Original-PDF 369 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte