Aids eine ignorierte Epidemie
Fijáte 348 vom 23. Nov. 2005, Artikel 1, Seite 1
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Aids eine ignorierte Epidemie
Vor einem Jahr, am 1. Dezember 2004 kündigte der guatemaltekische Präsident Oscar Berger die Politik seiner Regierung zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten, speziell von HIV/Aids an. Heute, ein Jahr später, wartet man immer noch auf die Offizialisierung dieser Politik durch ein entsprechendes Regierungsdekret, von einer Umsetzung ganz zu schweigen. Woran liegt das Problem? Wir veröffentlichen den folgenden Artikel aus Anlass des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember. Als Grundlage dazu diente ein Text aus Inforpress Centroamericana Nr. 1632. In Guatemala wurde bereits im Jahr 2000 ein Gesetz angenommen, das AIDS-infizierten Personen ihre Grundrechte sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung, inklusive der Behandlung mit anti-retroviralen Medikamenten garantiert. In Guatemala sind schätzungsweise rund 78'000 Personen HIVpositiv, doch nicht einmal 30 Prozent der nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen rund 13'000 Personen, die dringend eine lebensverlängernde antiretrovirale Behandlung benötigen, erhalten diese auch. Die VorwürfeIm Moment finden in Guatemala Gespräche zwischen Nicht-Regierungs-Gesundheitsorganisationen, namentlich der Ärzte ohne Grenzen (MSF für ihre original-französischen Initialen) und der Regierung, über eine mögliche Übergabe der HIV/Aids-Programme an die Gesundheitsbehörden für das Jahr 2007 statt. Doch leider scheint die dringend benötigte Dezentralisierung des staatlichen Aids-Programms noch in weiter Ferne. Ende September fand ein nationaler HIV/Aids-Kongress statt, auf dem die Regierung stark kritisiert wurde und seitens von MSF klare Forderungen gestellt wurden. Die Gesundheitsorganisation, die seit fünf Jahren so genannte integrale HIV-Aids-Behandlungen in Guatemala anbietet, ist nämlich davon überzeugt, dass der Zugang zu antiretroviralen Medikamenten für alle möglich ist, sofern gewisse Bedingungen erfüllt sind und der politische Wille dazu vorhanden ist. So fordert sie z. B. die Regierung auf, ambitiösere Ziele zu stecken was die Anzahl behandelter Personen betrifft. Mit den 41 Mio. US-$ aus dem Welt-Aids-Fonds will die Regierung 5'000 Personen während fünf Jahren behandeln können. Gemäss MSF gelingt es anderen Ländern, mit der selben Summe Geld und über die selbe Zeitdauer, 15'000 Personen zu behandeln. Die höher gesteckten Ziele könnten aber nur erreicht werden, wenn sie von einer entsprechenden Budgetpolitik begleitet würden. Dies heisst unter anderem: Immer genügend Medikamente in Reserve zu haben und diese zu günstigen Preisen einzukaufen. Eine dringend notwendige Massnahme ist gemäss MSF die Umsetzung des Nationalen Strategie-Plans zur Bekämpfung von HIV-Aids, der eine Dezentralisierung und Vereinfachung der Behandlung vorsieht. Momentan werden staatlicherseits retrovirale Behandlungen nur in zwei Vergabezentren angeboten, das Ziel sollen gemäss MSF mindestens zehn, regional verteilte Anlaufstellen für Betroffene sein. Dazu könnten bereits existierende regionale und lokale Strukturen genutzt werden, z. B. Orte und Strukturen, über die auch Tuberkulosebehandlungen durchgeführt werden. Eine Dezentralisierung müsse ferner in dem Sinne geschehen, dass nicht auf HIV-Aids spezialisierte ÄrztInnen die notwendigen Instruktionen erhalten, um eine Fortsetzung der Behandlung durchzuführen. Ärzte ohne Grenzen hat bereits erfolgreich solch Dezentralisierungsprozesse durchgeführt und nebst einer Klinik in der Hauptstadt auch in Coatepeque und in Puerto Barrios Zentren eröffnet, in denen HIV-positive Menschen fachliche Beratung und Behandlung finden. Neben den erwähnten 41 Mio. US-$ aus dem WeltAids-Fonds, gibt es in Guatemala das Nationale Aids-Programm mit einem jährlichen Budget von rund 13 Mio. Quetzales (ca. 1,62 Mio US-$) sowie einzelne Nichtregierungsorganisationen, die in der HIV-Aids-Prävention und Behandlung tätig sind. Ein zentrales Problem sieht MSF darin, dass, wenn die Welt-Aids-Fonds-Gelder nicht durch eine ähnlich grosse Investition seitens des Staates sekundiert werden, nie adäquat auf die Epidemie reagiert werden kann. Über die Anzahl der Menschen, die täglich an Aids sterben, gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Die einen sprechen von landesweit sieben, die Organisation Gente Nueva spricht davon, dass es in einem einzigen Krankenhaus in der Hauptstadt wöchentlich vier bis fünf Personen an Komplikationen im Zusammenhang mit Aids sterben. Ein Grund für die unterschiedlichen Angaben sei, dass vor allem in ländlichen und indigenen Regionen, wo der Zugang zu einem Aidstest viel komplizierter ist, die Registrierung von infizierten Personen mangelhaft und die Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-positiver oder aidskranker Menschen dort viel stärker sei. Die Antwort der RegierungAuf die Vorwürfe und Vorschläge von Ärzte ohne Grenzen antwortete Annie de Salazar, Direktorin des Nationalen Aids-Programms gegenüber Inforpress Centroamericana, dass es bloss 7'000 Personen seien, die eine Aidsbehandlung bräuchten. Dafür würden 5'000 mit antiretrovialen Medikamenten behandelt. Zum Thema Dezentralisierung meinte sie, das Gesundheitsministerium plane bis ins Jahr 2010 den Bau von acht regionalen Zentren. Bezüglich der geringen staatlichen Investition lobte sie einerseits das Engagement internationaler Organisationen und erinnerte gleichzeitig daran, dass kein Land der Welt einer Epidemie wie HIV/ Aids mit eigenen staatlichen Mitteln beikomme. Deshalb gehöre es auch zu den Strategien des Staates, die Geldmittelbeschaffung zu intensivieren und zu verbessern. Ein Resultat davon seien die Beiträge des Welt-Aids-Fonds. Nach oben |
Diese Gelder werden über die Nichtregierungsorganisation World Vision kanalisiert, was laut KritikerInnen sehr langsam und nicht transparent vonstatten geht. Seit dem Moment, wo der Vertrag mit World Vision geschlossen wurde und die ersten Gelder flossen, bis zum Moment, wo die ersten Behandlungen durchgeführt werden konnten, seien 21 Monate vergangen und rund 4'000 aidskranke Menschen gestorben, kritisierte Eduardo Arathoon, Arzt in einer Aids-Klinik. Auch der Welt-Aids-Fonds selber äusserte sich besorgt über die Entwicklung des Fonds-Projekts in Guatemala. Zwar würden keine Beweise für Korruption bestehen, doch die Verzögerungen und Schwächen bei der Durchführung würden doch auf eine schlechte Administration hindeuten, erklärte Margarita Quevedo, beim Welt-AidsFonds verantwortlich für die Projekte in Lateinamerika und die Karibik. Neue VersprechenBei einem Mitte Oktober in San Salvador durchgeführten Treffen der zentralamerikanischen (Vize-)Präsidenten stellte die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (OPS) ihren neuen Strategieplan zur Bekämpfung von HIV/ Aids vor. Bis zum Jahr 2010 soll die Zahl der Neuinfizierten um die Hälfte reduziert und bis 2015 die Fälle von MutterKind-Übertragung verringert werden. Sowohl Unicef wie die OPS sind sich einig, dass Zentralamerika politische und kulturelle Anstrengungen unternehmen müsse, um effiziente Präventionsmassnahmen einzuführen. In Ländern wie Guatemala, Belice, Honduras,Panama, Jamaika, Barbados und der Dominikanischen Republik ist mehr als 1% der Bevölkerung mit dem HI-Virus infiziert (zum Vergleich: In den westeuropäischen Ländern schwanken die Zahlen zwischen 0,5 Promille in Deutschland und 3,3 Promille in Spanien). In der Schlussdeklaration der Konferenz verpflichteten sich die Präsidenten (auch der guatemaltekische) die entsprechenden legalen, aufklärenden und informativen Mittel zu ergreifen, um der Verbreitung von HIV/Aids vorzubeugen und mit ihren Kampagnen auch die sogenannten Risikogruppen konkret anzusprechen. Anerkannt wurde, dass immer mehr Kinder mit dem Aids-Virus infiziert werden. Weiter wurde versprochen, höhere Budgets für die Aids-Bekämpfung freizustellen und Lobbyarbeit bei den Pharmaunternehmen zu leisten, um eine Verbilligung der Medikamente zu erreichen. |
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