Drogenskandal entblösst neue "offizielle" Narcoverbindungen
Fijáte 351 vom 18. Jan. 2006, Artikel 2, Seite 2
Original-PDF 351 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Drogenskandal entblösst neue "offizielle" Narcoverbindungen
Guatemala, 14. Jan. Unbewaffnetes Wachpersonal, Türen ohne Vorhängeschlösser bzw. seit zwei Monaten verlorene Schlüssel von Schuppen und acht angeblich schlafende AgentInnen, sich widersprechende ZeugInnenaussagen gar nicht erst erwähnt, lassen den Diebstahl von 522 kg harter Drogen aus den Lagerräumen des Antidrogen-Analyse-und-Informationsdienstes (SAIA), einer Unterabteilung der Zivilen Nationalpolizei (PNC), als kein grosses Kunststück wirken. Doch noch weitere Ungereimtheiten werfen hinsichtlich der Vorfälle im Morgengrauen des 31. Dez. groteske Fragen auf. Der Reihe nach. Am 15. Nov. vergangenen Jahres waren im Karibik-Hafen Santo Tomás de Castilla, Izabal, insgesamt 1'233 kg Kokain auf ihrem Weg ins honduranische San Pedro Sula bei einer Razzia beschlagnahmt worden. Am gleichen Tag waren der SAIA-Chef, Adán Castillo, und zwei seiner Vertreter im US-Bundesstaat Virginia festgenommen worden, beschuldigt der Konspiration in Sachen Drogenhandel via Guatemala (siehe ¡Fijáte! 348). Dies wurde von Polizeidirektor Erwin Sperisen und Innenminister Carlos Vielmann zum Anlass genommen, die bereits begonnene Umstrukturierung der SAIA und der PNC im Ganzen fortzuführen. Am 25. Nov. stellten sie die SAIA-AgentInnen vor die Wahl: Entweder sie gingen freiwillig aus dem Dienst oder unterzögen sich einer Reihe von Überprüfungen, darunter der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse in Frage zu stellende Lügendetektor, Blut- und psychologische Tests, um möglichen Drogenkonsum festzustellen und die Erfassung von Besitztümern. Mindestens 15 Männer wählten die erste Alternative. Erst am 12. Dezember artikulierte sich der zuständige Richter und setzte die Verbrennung der Razzia-Beute aus Santo Tomás auf den 4. Januar an, 50 Tage nach der Beschlagnahmung, während das Gesetz die Entsorgung innerhalb von 20 Tagen vorschreibt. Gemäss Aussagen der zur Tatzeit anwesenden AgentInnen betraten am 31. Dez. 15 mit Gewehren bewaffnete, teilweise maskierte Personen in Polizeiuniformen die Lagerräume der SAIA und stahlen die Kokainpakete, nachdem sie das Wachpersonal ausser Gefecht gesetzt hatten. Mal ist davon die Rede, dass sie all dies zu Fuss erledigt hätten, dann wieder wird berichtet, dass sie sich ohne behindert zu werden in einem Auto auf dem SAIA-Gelände bewegt hätten. Sowohl von den Tätern als auch vom Diebesgut ist bislang keine Spur, die vier, nach dem Geschehen festgenommenen, Wache schiebenden Agenten wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Der Rest der gelagerten Drogen wurde schliesslich doch noch unter richterlicher Anwesenheit in Brand gesetzt. Die allseits verbreitete Vermutung liegt nahe, dass hinter dem Diebstahl ehemalige SAIA-Männer und PNC-Agenten stecken, über deren Verbindung zum organisierten Verbrechen und namentlich dem Drogenhandel nicht das erste Mal spekuliert wird. Nach oben |
Empörung stiftete schliesslich noch die später dementierte Information, dass Kongressabgeordnete Innenminister Vielmann aufgesucht hätten, um im Namen von Drogenkartellchefs in Verhandlung zu treten darüber, gewisse Mengen an Drogen dem Ministerium zukommen zu lassen - dem gegnerischen Kartell abgeluchst - und im Gegenzug dafür freie Bahn für ihre eigene "Ware" garantiert zu bekommen. Dass ein solches Geschäft von Seiten der Narcos vorgeschlagen wurde, sei richtig, so der Minister, erbost über die Dreistigkeit der Idee. Eine Verdrehung des Tatbestands stelle jedoch die offensichtliche Namensverwirrung dar: Er habe den Ex-SAIA-Chef Adán Castillo als Verhandlungsinitiator gemeint, der lediglich genannte Nachname sei jedoch in Verbindung mit dem Kongressabgeordneten der Nationalen Einheit der Hoffung (UNE), Manuel de Jesús Castillo aus dem Departement Jutiapa, gebracht worden, der aufgrund der vermeintlichen Nähe zum Drogenhandel bereits im Dezember von der Partei suspendiert wurde. Ausserdem wurde diesem die Autorenschaft von E-mails angelastet, in denen er UNE-Chef Álvaro Colóm einige suspekte Machenschaften zur Last legte. Manuel Castillo wies all diese Vorwürfe gegen sich zurück, erinnerte Colóm jedoch daran, dass er aus seinem eigenen Vermögen die Kaution gestellt habe, mit der sich der UNE-Vorsitzende von der Haft aufgrund der Beschuldigung von unseriösem Umgang mit Wahlkampagnengeldern freikaufen konnte (siehe ¡Fijáte! 341). |
Original-PDF 351 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte