Sünde oder Recht auf Reproduktive Gesundheit?
Fijáte 351 vom 18. Jan. 2006, Artikel 7, Seite 5
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Sünde oder Recht auf Reproduktive Gesundheit?
Guatemala, 13. Jan. Ein polemisches Hin und Her zwischen der Katholischen und den Evangelikalen Kirchen auf der einen, Frauenorganisationen und - vornehmlich männlichen! - KolumnistInnen auf der anderen Seite, dominiert seit Mitte November letzten Jahres die Debatte um ein für Guatemala, zwischen diesen Fronten steckend, brisantes Thema: In jenen Tagen hatte der Kongress mit 110 Ja-Stimmen das "Gesetz des Universalen und Gerechten Zugangs zu Dienst-/leistungen der Familienplanung" und dessen Integration in das Nationale Sexual- und Reproduktionsgesundheitsprogramm gebilligt. Demzufolge sollte dieser Zugang mittels Informationsverbreitung, Beratung, Unterricht und der Bereitstellung von entsprechenden Methoden wie Verhütungsmitteln gewährleistet werden. Letzteres wurde dabei jedoch (noch) nicht weiter detailliert. Eingereicht wurde der Gesetzesvorschlag von der Abgeordneten der Republikanischen Front Guatemalas (FRG), Zury Ríos Sosa, was insofern verwundert, gilt doch ihr Vater, Efraín Ríos Montt, unter anderem als einer "der" Evangelikalen im Land schlechthin. Kardinal Rodolfo Quezada Toruño, als Wortführer der Konservativen agierend, verstrickte sich dabei in einer Argumentation, die den Informations- und Verhütungsmittelzugang als Förderung der Abtreibungen und Promiskuität ebenso wie den dadurch erhöhten finanziellen Gewinn für die Pharmaunternehmen dämonisierte. Trotz der Belehrung an die Kirchen durch "ExpertInnen", dass Verhütungsmittel gerade den Abbruch ungewollter Schwangerschaften verhinderten und für sich - so hatte der Kardinal behauptet - keine Art der Abtreibung darstellten, beharrte dieser auf seiner Position, unterbrach gar seine Sonntagsmesse, um eine Presseerklärung der Guatemaltekischen Bischofskonferenz (CEG) zu verlesen und kündigte an, mit seiner "Sorge" bis zum Papst zu gehen und sich von diesem im Zweifel bestätigen zu lassen, dass das Gesetz verfassungswidrig sei, seien doch allein die Eltern für die Erziehung - inklusive sexueller Aufklärung - zuständig, aus der sich der Staat herauszuhalten habe. Die BefürworterInnen beriefen sich derweil nicht nur auf die Forderung auf Gewährleistung grundlegender Rechte für die Frauen hinsichtlich der Selbstbestimmung über ihren Körper, sondern wiesen auch auf die bestehende Armut hin, die in kausalem Zusammenhang mit dem Kinderreichtum vornehmlich in den ländlichen Gegenden Guatemalas stünde. Ausserdem machten sie auf die dramatische Situation aufmerksam, in der viele minderjährige junge Mütter aufgrund von Missbrauch und Vergewaltigung und vor allem meistens aufgrund von Nichtwissen steckten. Die von den Gegnern befürchtete Promiskuität sei in Wahrheit herrschende Praxis, die Gefahr der Ansteckung durch sexuell übertragbare Krankheiten, allen voran HIV-/Aids, dagegen durch das Gesetz zu dämmen. Und letztendlich sei das zur Debatte stehende Dekret lediglich die Vervollständigung des schon 2001 eingeführten Gesetzes zur Sozialen und Bevölkerungsentwicklung. Nach oben |
Die zum Teil provokative Diskussion sollte Präsident Berger von der jeweiligen Position überzeugen, an dem es lag, das Gesetz endgültig zu billigen oder aber sein Veto einzulegen. Noch im Dezember beugte er sich schliesslich dem Kirchendruck und verweigerte die Approbierung, sich auf die Existenz des gültigen Reproduktionsgesetzes berufend. Doch so einfach lassen sich die Befürwortenden nicht zum Schweigen bringen. Die Frauenorganisationen kündigten gleich an, ihren Kampf für ihre Rechte fortzuführen und die Kongress-Opposition, bestehend aus 11 Blöcken, ist bereits dabei, die 105 nötigen Stimmen zu sammeln, die für die Annullierung des präsidialen Vetos nötig sind. Zudem fordern sie eine Konsultierung des Verfassungsgerichts und die Schaffung einer Kommission, die sich mit dem Thema speziell befassen soll. Ganz offensichtlich ist Präsident Berger selbst seine Haltung nicht ganz geheuer und wasserdicht, hat doch die Grosse Nationale Allianz ihren Abgeordneten mit dem Rausschmiss aus der Partei gedroht, sollten sie bei der Abstimmung im Kongress nicht hinter Berger stehen. |
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