Guatemalas Kaffeewirtschaft in der Krise
Fijáte 232 vom 5. April 2001, Artikel 5, Seite 4
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Guatemalas Kaffeewirtschaft in der Krise
Der Kaffeesektor, dessen Bohnen mengen- und auch wertmäßig über mehr als 100 Jahre das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt Guatemalas waren, durchlebt eine der schwierigsten Etappen. Die weit auseinanderklaffende Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt ist einer der Hauptgründe für den Preisverfall des Kaffees. Angesichts dieser Situation präsentierte die Regierung Portillo den KaffeeproduzentInnen einen Finanzhilfeplan, der diesen durch die Ausgabe staatlicher Schuldverschreibungen in den USA und Europa subventionierte Kredite gewähren soll. Nach Untersuchungen der Weltbank wird jedoch die aktuelle Preisflaute noch einige Jahre anhalten, weshalb es notwendig sei, eine andere Art von Agrarpolitik in die Wege zu leiten. Ein Vorschlag unter anderen, der von verschiedenen Sektoren favorisiert worden ist, sei die Diversifizierung der Agrarproduktion. (Der Artikel basiert auf Nachrichten von Inforpress und Centro de Estudios de Guatemala) Unbewirtschaftete FinkasVerlassene Gebäude, wenige Arbeitskräfte, geringe Ernte, leere Trockenhöfe, Totenstille, das ist der vorherrschende Eindruck, den die Kaffeeregion von San Marcos in diesen ersten Monaten des Jahres 2001 bietet. Die seit Jahren international fallenden Rohkaffeepreise greifen die Wirtschaft der Menschen dieses hervorragenden Kaffeeanbaugebietes heftig und substantiell an. EinwohnerInnen erzählen, wie sonst immer im Februar der vergangenen Jahre beobachteten, wie viele, viele ArbeiterInnen die Kaffeeplantagen gesäubert, gedüngt und die Wege fürs neue Ernten hergerichtet hätten. Jetzt aber prägten Angst und Unsicherheit die Gesichter vieler Campesin@s, die intensiv nach anderen Arbeitsmöglichkeiten suchten, um ihre Familien zu ernähren. Die Finkeros der Region, die sich für die größten Arbeitgeber halten, geben zu bedenken, dass das nur der Anfang der Probleme sei, in einigen Wochen würde sich die Krise erst recht manifestieren in noch größerer Arbeitslosigkeit und dann auch in Gewalt. Ungefähr 61500 KaffeeproduzentInnen der Region (kleine, mittlere und große zusammen) haben bisher ca. 11% der ökonomisch aktiven Bevölkerung Arbeit gegeben, das entspricht ungefähr 2,2 Millionen Personen , die damit ihr überwiegendes Haushaltseinkommen verdient haben. Zur Abwendung einer noch schlimmeren Krise fordern die Finkeros staatliche Unterstützung, insbesondere günstige Produktionskredite. Regierung sagt Hilfe zuDer Nationale Zusammenschluss der KaffeeproduzentInnen (ANACAFE) machte im Laufe des Februars mittels seiner Verlautbarungen über den wirtschaftlichen Niedergang des Kaffeesektors starken Druck auf die Regierung, die dann auch ein Hilfspaket vorstellte. Um 23,6% sei der Kaffee-Export von Guatemala, Mexiko, El Salvador, Nicaragua und Peru gefallen im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres; auf 59,8 $ pro Sack sei der Preis auf dem internationalen Markt gesunken, der dem Verkaufserlös des Jahres 1993 entspräche; Guatemala würde dieses Jahr deswegen im Vergleich zum letzten ca. 300 Mio. $ weniger an Devisen einnehmen und die ANACAFE-Mitglieder müssten entsprechende Verluste verzeichnen. Angesichts dieses dargestellten Infernos bot die Regierung Portillo dem Kaffeesektor ein Hilfspaket an, das 150 Mio. $, technische Beratung und Unterstützung bei der Diversifizierung der Produktion beinhaltet. In drei Paketen von jeweils 50 Mio. $ verschuldet sich Guatemala im Ausland und richtet mit diesem Geld einen Fonds ein beim privaten Bankensystem. Ein Direktorium wird dieses Geld zu getreuen Händen der KaffeeproduzentInnen verwalten, die daran interessiert sind, einen um ca. 10% billigeren Kredit als auf dem normalen Kapitalmarkt zu bekommen. Darüber hinaus begünstigt die Regierung die Umstellung des bisherigen Kaffeeanbaus auf andere landwirtschaftliche Produkte und gewährt dafür technische Hilfe und Beratung. Verteilung nach Art der ReichenDie Interessenvertretung der Kaffee-Finkeros (ANACAFE) befand dieses Vorhaben als gut und schlug des weiteren auch die Subventionierung der Vernichtung von minderwertigerem Kaffee vor, um das Überangebot zu reduzieren und den Preisverfall zu stoppen. Manfredo Töpke, Geschäftsführender Vorstand von ANACAFE, präsentierte nach der außerordentlichen Vollversammlung des Verbandes am 28. Februar auch gleich die Vorstellungen, wie die staatlichen Gelder an die KaffeeproduzentInnen weitergegeben werden sollten: Bis zu 100 Mio. $ der neuen Staatsanleihe sollten den Finkeros zur Verfügung stehen, die mehr als 100 Quintales (46 kg) Kaffee produzieren; für die kleineren reichten die anderen 50 Mio. $. Voraussetzung für die Kreditzuteilung sei die Mitgliedschaft bei ANACAFE, die Registrierung des Eigentums als Kaffeeanbaufläche und deren kommerziellen Bewertung. Im Falle, dass kein Eigentumstitel vorliege, könne als Ersatz die Bestätigung der Gemeindeverwaltung dienen; falls es Kooperativenland sei, müsse die Genossenschaft für den Kredit bürgen. Die Kreditvergabe obliege einem Gremium, das sich aus VertreterInnen der Bank, bei der der Fonds verwaltet werde, aus FunktionärInnen der Ministerien für Finanzen und Landwirtschaft und von RepräsentantInnen von ANACAFE zusammensetze. Die Kredite sollten eine Laufzeit von 10 Jahren haben, wobei die ersten drei Jahre zins- und tilgungsfrei sein sollten mit einem Zinssatz von nur 10% bis höchstens 12% p.a. (banküblicher Zinssatz 18-25%). Die Kredite sollten keine Neuverschuldung für die Cafetaleros darstellen, sondern eher zur günstigen Umschuldung der bereits bestehenden Kredite Verwendung finden. Die GroßproduzentInnen sollten einen Kreditrahmen ausschöpfen dürfen bis zu 80% des Schätzwertes ihres Eigentums, den anderen sollte Kredit zugestanden werden bis zur Höhe von 30tausend Quetzal Ursachen für den NiedergangDie aktuelle Krise nahm ihren Anfang mit dem Überangebot von ca. 5 Mio. Sack Kaffee auf dem Weltmarkt, das dadurch zustande kam, dass sich die Kaffeeproduktion des Hauptlieferanten Brasilien nach erlittenen Klimaschäden wieder konsolidiert hatte und Vietnam als Newcomer mit einigen Millionen Sack auf den Weltmarkt drängte. (Die Weltbank und auch Kaffeekonzerne standen dabei Vietnam als Pate bei.) Nach einer Zusammenstellung von ANACAFE betrug die Exportquote Brasiliens in der letztjährigen Periode nur noch 21,3% des Weltmarktangebotes (eine Reduktion um 8,3%), wohingegen der "Tiger" Vietnam von nahezu 0% zum zweitgrößten Anbieter emporgeschnellt sei mit seinen 12,3%, sich noch vor Kolumbien platzierte (9%) und Guatemala mit seinen gerade noch 4,9% zum mittelmäßigen Exporteur degradierte. Im Jahr 2000 war Guatemala auf dem Rang 6 der Weltproduktion, was den Cafetaleros 598 Mio. Dollar Einnahmen bescherte. Nach dem Untersuchungsergebnis des sozial-ökonomischen Instituts der San Carlos Universität in Guatemala existieren aber auch interne Faktoren für die Verschärfung der Krise. Vor allen Dingen hätten die Kaffeebarone Guatemalas kein Augenmerk darauf gerichtet, modernere Technologie einzusetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Rigoberto Dueñas, Funktionär der AllgemeinenGewerkschaftszentrale Guatemalas (CGTG) bestätigt dies: In anderen Ländern hätten die Finka-Arbeiter Motorsägen zur Verfügung, um Bäume oder die Kaffeesträucher zu fällen und auszuschneiden, hier würde man den Arbeitern miserable Macheten oder mancherorts sogar nur abgebrochene in die Hand drücken. Der Zeitungskommentator Jorge Jacobs kreidet den Kaffee-Plantagen-Eignern an, sie hätten keine Unternehmervision, wenn die Kaffeepreise hochgingen, würden sie ihre Gewinne nicht zur Kapitalisierung und Diversifizierung der Produktion verwenden, sondern würden einfach noch mehr Kaffee anbauen. Nach oben |
Andererseits schiebt ANACAFE die Schuld für die Krise eindeutig der Politik in die Schuhe: Der Staat stelle keine Kredite zur Verfügung, die Zinsen seien zu hoch und vor allem seien die einschlägigen Regierungsdekrete dafür verantwortlich, die den landwirtschaftlichen Mindestlohn um 46% angehoben hätten. Niedriges Lohnniveau, Arbeitslosigkeit, MigrationAufgrund der Krise in der Kaffeewirtschaft strömen Tausende Arbeitsuchende nach Mexiko. Nach den Neujahrs- und Dreikönigsfesttagen haben nach Angaben der örtlichen Migrationsbehörde von El Carmen mindestens 5000 TagelöhnerInnen die Grenze passiert. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern harrten meist unter freiem Himmel aus, nachdem sie zig-kilometerlange Fußmärsche hinter sich gebracht hätten, in der Hoffnung darauf, dass sie frühmorgens ein mexikanischer Arbeitsvermittler verdinge. Jorge Masilla, Verwalter der Finka Nuevo Mundo in Malacatán, Depto. San Marcos, bestätigte, dass er kürzlich 50 seiner ständigen Arbeiter entlassen musste und sehe aufgrund des finanziellen Engpasses kaum eine Möglichkeit, saisonale ArbeiterInnen zu beschäftigen. Genauso äußerte sich der Arbeitsvermittler Daniel López Gabriel, dass er wohl niemanden von den sonst 6000 KaffeepflückerInnen unterbringen könne, die nach Malacatán strömen. Der Gewerkschafter Dueñas weist darauf hin, dass die niedrigen Löhne auch der Grund der Migrationswelle ins Nachbarland seien. Das sei nichts Neues, schon ungefähr zehn Jahre lang sei das so, dass die landwirtschaftlichen WanderarbeiterInnen nach Tapachula, Mexiko, ziehen. Seit der Mindestlohn damals von sieben auf zehn Quetzal erhöht worden sei, und die Cafetaleros diesen nicht auszahlten, oftmals erst auf arbeitsgerichtlichen Druck. In Mexiko bekäme man dagegen im Tagesdurchschnitt 28 bis 30 Quetzal bezahlt. Er könne sich nicht erklären, weshalb in Mexiko für einen Quintal geernteter Kaffeekirschen 30 Quetzal bezahlt werde, in Costa Rica sogar 40 Quetzal, und hier gerade einmal 25. Die guatemaltekischen Cafetaleros hätten keine Verluste erlitten, sondern lediglich sei ihr Gewinn geschmälert worden. Nach Untersuchungen von Campesin@-Organisationen werde auf vielen Plantagen nicht der heute gesetzliche Mindestlohn bezahlt oder umgangen; das Tagesleistungssoll werde hochgeschraubt, ohne die Bezahlung zu erhöhen. So werde z.B. auf für eine Tonne geschnittenen Zuckerrohrs nur sechs bis sieben Quetzal angerechnet. In der Presseverlautbarung von ANACAFE vom 3.12.2000 ist zu lesen, dass die Herstellungskosten von einem Quintal Café Pergamino (getrocknete Kaffeebohnen) im Verlauf des Jahres von 625.- Quetzal auf 703.- Quetzal gestiegen seien. Fünf Quintales Kaffeekirschen ergäben einen Quintal Café Pergamino; dafür müssten 125.- Quetzal Pflücklohn und weitere 125.- Quetzal für andere Arbeiten (Pflege der Plantagen und Weiterverarbeitung der Kirsche) ausgegeben werden. Die Antwort auf die Frage, wie sich die restlichen Produktionskosten von 453.- Quetzal zusammensetzen, abgesehen von den Lohnkosten, blieb ANACAFE schuldig. Dagegen meint Dueñas vom Gewerkschaftsverband CGTG, dass die Cafetaleros nicht nur die Kreditkosten, falls sie Geld aufgenommen hätten, einrechnen würden, sondern auch sämtliche Kosten des kompletten und großzügigen Automobilparks der jeweiligen Großgrundbesitzerfamilie. Mittels derartigen Kalkulationen würden die Gewinne minimiert werden, was dann wieder als Rechtfertigung herangezogen würde, dass sie nicht in der Lage seien, bessere Löhne zu bezahlen oder gar noch Steuern. Angedachte ProblemlösungenDie Interessensverbände der Cafetaleros und somit auch Regierungsstellen schlagen vor, den Anbau von qualitativem Hochlandkaffee zu fördern und dagegen die niederer gelegenen Kaffeeplantagen umzustellen auf rentablere Produkte; insbesondere ist an Kautschuk und Zuckerrohr gedacht. Dabei sollte allerdings in Betracht gezogen werden, dass die Weltmarktpreise auch dieser Produkte seit Jahren tendenziell fallen. Ein Blick auf die Deviseneinnahmen bestätigt dies: Nach knapp 600 Mio. $ im Jahr 2000 für den Export von Kaffee erwartet Guatemala für 2001 nur noch ca. 250 Mio. $. Der Tourismus sei mit seinen 707 Mio. $ an die zweite Stelle als Devisenbringer getreten nach den nicht-traditionellen Exportgütern, die mit ihren 1410 Mio. $ Umsatz an erster Stelle stünden. Auch die bisherigen Exportstandbeine Zucker und Bananen gehen kontinuierlich in die Knie. Seitens Herrn Töpke von ANACAFE sei ins Auge gefasst, neue Märkte für den besten Kaffee der Welt zu finden (bisher gehen 48% in die USA, 14% nach Deutschland, 9% nach Japan) und für Gourmet-Kaffee zu werben, auch auf dem nationalen Markt. Die Kammer der UnternehmerInnen für nicht-traditionelle landwirtschaftliche Exportprodukte (AGEXPRONT) kommt in Zusammenarbeit mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) nach Untersuchungen zu dem Schluss, Guatemala könne sich rentabel verlegen auf den Anbau von vielerlei Zierpflanzen und bereits bekannten und exotischen Früchten, auch die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln wie Artischockenherzen, Sahne, Liköre, Kakao-Pulver und Nüsse böte sich an. Dafür stünde ein Förderungsprogramm mit 2,5 Mio. $ zur Verfügung. Daniel Pascual, Sprecher der Nationalen Koordination der Campesin@-Organisationen (CNOC) bringt in diesem Zusammenhang auch die ökologische, organische Anbauweise ins Gespräch. Nach der Untersuchung von IPES (Institut für politische, soziale und ökonomische Studien) seien von der aktuellen Krise drei Viertel der kleinen KaffeebäuerInnen in ihrer Existenz bedroht. Sie könnten nicht von heute auf morgen ihre Produktion umstellen, sie lebten mehr oder weniger von der Hand in den Mund und bräuchten finanzielle Soforthilfen. (Der Mehrzahl der Kaffee-ArbeiterInnen bleibt indes nur: "Abwarten und Kaffeetrinken." Letzteres gilt allerdings mehr für die hiesigen KonsumentInnen, meint der Übersetzer.) |
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