URNG: Die Suche nach politischen Leitlinien
Fijáte 243 vom 5. Sept. 2001, Artikel 1, Seite 1
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URNG: Die Suche nach politischen Leitlinien
Am 18. und 19. August fand der erste nationale Kongress der URNG statt. Das Ziel war, unter Beteiligung aller Mitglieder die Zukunft der Partei zu definieren. Um die Diskussion zu vereinfachen, wurde im Vorfeld des Kongresses unter den SympathisantInnen ein Dokument mit den wichtigsten Diskussionspunkten verteilt. Trotzdem nahmen einige Mitglieder aus Protest nicht am Kongress teil. Ihre Kritik ist, dass es an interner Demokratie fehle, dass die Diskussionspunkte aufgezwungen worden seien und zuwenig Zeit gewesen sei, um das Papier auf lokaler Ebene zu diskutieren. Eine Woche später, am 26. August, fand dann die nationale URNG-Generalversammlung statt, auf der die neue Parteileitung gewählt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde offiziell, was schon seit Monaten ein offenes Geheimnis ist: Rund um den bisherigen Generalsekretär Pablo Monsanto (Ismael Soto) hat sich eine Gruppe gebildet, die unter dem Namen Corriente para el Rescate Revolucionario de la URNG für eine offenere, selbstkritischere und demokratischere Diskussion innerhalb der Partei plädiert. Die Wahl fürs Generalsekretariat gewann die von Rodrigo Asturias (Gaspar Ilom) unterstützte Alba Estela Maldonado (Comandante Lola). Wir möchten mit den Artikeln in diesem ¡Fijáte! einen Einblick in die aktuelle Diskussion innerhalb der URNG vermitteln. Dazu veröffentlichen wir zur Einleitung einen Artikel, der im Inforpress vom 27. Juli erschien und die Stimmung vor dem URNG-Kongress beschreibt, sowie eine kommentierte Zusammenfassung des Dokumentes, das vor dem Kongress zur Diskussion gestellt wurde. In erster Linie möchten wir aber Leute zu Wort kommen lassen, die Mitglieder der URNG sind oder der Partei nahe stehen und die Diskussionen 'aus der Nähe' verfolgt haben. Ziel des ersten nationalen Kongresses der URNG ist es, gemeinsam zu definieren, wie die Zukunft der Partei aussehen soll, welche Strategie und welches Programm zu verfolgen sind. Am Kongress werden ehemalige KämpferInnen, historische Persönlichkeiten, die politischen Leader aber auch Parteiangehörige jüngeren Datums teilnehmen. Die auf dem Kongress vereinbarten Abkommen werden anschliessend der Nationalen Versammlung übergeben, die am 26. August stattfindet, damit sie von dieser angenommen oder abgelehnt werden. Im Falle einer Annahme, werden die Abkommen zu verbindlichen, parteiinternen Richtlinien. Zur Vorbereitung der Diskussion wurde das Arbeits-papier "Erster URNG-Kongress" verteilt. Darin heisst es, die guatemaltekische Linke verstehe unter 'neuem Sozialismus' eine "Gesellschaft ohne Vorenthaltungen, Ausschlüsse, sozialer Marginalisierung und Diskriminierung, in der das soziale Zusammenleben innerhalb einer umfänglichen Demokratie garantiert sei". Gemäss Parteimitglied Héctor Nuila ist das nationale Partei- und Wahlgesetz sehr einschränkend und nicht fördernd für die Entwicklung der Parteien. Deshalb musste die URNG einen internen Spiel- und Diskussionsraum schaffen und diesen jetzt auch nützen, erklärte Nuila. Aus dem Dokument geht hervor, dass die Priorität der Partei darin liege, die Demokratie in allen sozialen Zusammenhängen zu verankern. Demgegenüber argumentiert eine Strömung innerhalb der Partei, dass nicht einmal parteiintern diese demokratischen Strukturen eingehalten würden. So seien zum Bespiel die Traktanden für den nationalen Kongress zusammengestellt worden, ohne dass die Parteimitglieder aus dem Landesinnern die Möglichkeit gehabt hätten, sich zu organisieren und gemeinsam eine Position zu den vorgegebenen Themen zu entwickeln. Weiter wird kritisiert, dass das Dokument von einer sehr kleinen Gruppe innerhalb der Parteiführung erarbeitet wurde und nicht zur Diskussion gestellt wurde. Nach oben |
Dies führte dazu, dass eine Gruppe, die sich Strömung zur Rückgewinnung der Revolution in der URNG, kurz Corriente, nennt, ihr eigenes Dokument veröffentlichte. Ricardo Sáenz, Vertreter der Corriente, nennt für die bestehenden Differenzen folgende Gründe: die Vorherrschaft der Einen und der Ausschluss aus parteiinternen Instanzen der Andern, die Nicht-Respektierung unterschiedlicher Meinungen und der Mangel an Opposition gegenüber der Regierung Portillos. Dem widerspricht Nuila, der die Corriente als eine Abspaltung bezeichnet, "der jegliches ideologische und politische Fundament fehlt". Seiner Meinung nach sind es rein persönliche und Gruppeninteressen, die zu den internen Problemen geführt haben. In einem sind sich aber Sáenz und Nuila einig: Die internen Probleme bedeuten einen immensen Kräfteverschleiss und verunmöglichen es der URNG, sich im Hinblick auf die nächsten Wahlen als eine der führenden politischen Kräfte im Land zu profilieren. In diesem Zusammenhang gibt Nuila zu, dass es eines grossen Engagements bedarf, auf diesem Gebiet das verlorene Terrain wieder gut zu machen. Dazu gehört zum Beispiel auch der Vertrauensverlust der lateinamerikanischen Linken, die das für dieses Jahr in Guatemala geplante "Foro de Sao Paolo" absagte. Sáenz seinerseits weist auf die grosse Anzahl sozialer Organisationen hin, auf die die URNG zu früheren Zeiten Einfluss ausübte und die sich heute gänzlich von der Partei abgewandt haben. Einige politische AnalytikerInnen sehen die Probleme, mit denen die URNG zu kämpfen hat, in der Tradition eines Zerfalls, mit dem die politische Klasse fast aller lateinamerikanischer Länder zu kämpfen hat. Für Miguel Angel Sandoval, der als Mitglied der diplomatisch-politischen Kommission der URNG an den Friedensverhandlungen teilgenommen hatte, ist jede politische Partei, die mit internen Problemen zu kämpfen hat, unfähig, eigene Strategien zu entwickeln. Auch die Fortschritte im immer wieder geführten Geschlechterdiskurs sind minimal. Die Kongressabgeordnete Nineth Montenegro bezeichnet die Chancen der Frauen, am politischen Geschehen teilzunehmen, als sehr gering. Es fehle in sämtlichen Parteien an interner Demokratie und die Parteien würden von denjenigen angeführt, die schon seit Jahren das Sagen hätten, kritisiert Montenegro. Die linken Parteien seien diesbezüglich am Schlimmsten. Während die Frauen in den achtziger Jahren noch gross für die Demokratisierung innerhalb der linken Organisationen gekämpft haben, sollen sie heute in ihre traditionelle Rolle und an den Herd zurück gedrängt werden, kritisiert Nineth Montenegro. |
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