Guatemaltekische Revolution - wohin?
Fijáte 243 vom 5. Sept. 2001, Artikel 3, Seite 3
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Guatemaltekische Revolution - wohin?
Demokratische und soziale Sektoren wie auch die revolutionären Kräfte sind sich darin einig, dass die Friedensabkommen im Dezember 1996 der Ausgangspunkt für die strukturellen Veränderungen waren, die aus dem bewaffneten Konflikt in die heutige guatemaltekische Realität führten. Dieser Prozess passt gleichzeitig bestens in die von den Vereinigten Staaten angetriebene "Befriedungspolitik" in Lateinamerika hinein, deren Ziel es ist, durch die Schaffung "politischer Stabilität" (andere nennen es auch "Demokratie") private Investitionen zu fördern. Die Wirtschaftsstruktur kann als "abhängiger Kapitalismus" bezeichnet werden, da die meisten (vor allem Landwirtschafts-) Produkte vom internationalen Markt abhängig sind. Auf diesen Grundpfeiler stützt sich die guatemaltekische Oligarchie, organisiert im CACIF, die es geschafft hat, sich als relativ kleine Gruppe unverhältnismässig zu bereichern. Dieses Wirtschaftssystem hat sich schon immer der politischen Instrumente und staatlicher verordneter Zwangsmassnahmen bedient, um die Bevölkerung zu unterdrücken. Interessant ist, dass seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen und speziell während der Regierungszeit der FRG, strukturelle Veränderungen auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene stattfinden. Doch basieren diese Veränderungen nicht auf den Grundsätzen der Friedensabkommen sondern gehorchen der brutalen Realität von politischer Stabilisierung und Strukturanpassungen im Rahmen der neoliberalen Globalisierung. Dies vermischt sich auf eigenartige Weise mit den Interessen der aufstandsbekämpfenden und mafiösen Kreise, die versuchen, sich mit Geld und Macht ins Spiel der freien Marktwirtschaft, der Privatisierungen und der Spekulation zu mischen. Die traditionelle Oligarchie sieht ihr Fundament, die Ausbeutungstradition, in Gefahr. Dies ist spürbar in den aktuellen politischen Kämpfen, die rund um die Themen Korruption, Steuerpolitik, Wahlgesetz, etc. ausgetragen werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der US-amerikanische Imperialismus in der FRG und in deren 'portillistischen' Flügel, in der guatemaltekischen Mafia und in den aufstandsbekämpfenden Sektoren einen 'neuen', aber altbekannten Alliierten gefunden hat, um ihre neoliberalen Interessen in Guatemala durchzusetzen. Dass diese Sektoren in voller Aktion sind, beweisen die Überfälle auf soziale Organisationen, die Ermordung von Campesin@-AktivistInnen und die soziale Säuberung, die nach dem Gefängnisausbruch von Escuintla stattgefunden hat. Die traditionelle Oligarchie, historische 'Besitzerin' des Landes, versucht ihre Macht einzusetzen, um für sich selber vorteilhafte Lösungen auszuhandeln: Sie führt direkte Gespräche mit Präsident Portillo, schliesst Allianzen mit dem Volkssektor (wann gab es schon so etwas?) und den Massenmedien, etc. Es ist eine komplexe Situation, in der sich eine Frage regelrecht aufdrängt: Wo in diesem Chaos bleibt das Volk? Dazu gibt es verschiedene Antworten: Nach oben |
Die traditionelle Oligarchie sagt: "Das Volk soll dort bleiben, wo es schon immer war, in der Ausbeutung". Der neoliberale Imperialismus sagt, bzw. fragt: "Wen interessiert das Volk? - Die Gesetze des freien Marktes haben für alles eine Lösung". Die guatemaltekische Demokratie sagt: "Das Volk soll sich von popu-listischen Diskursen blenden und von den Medien manipulieren lassen und wird auf subtile Art (und wenn es nicht anders, geht auch mit Gewalt) stillgehalten. Dafür darf es alle vier Jahre wählen". Aber auch die guatemaltekischen RevolutionärInnen bieten verschiedene Antworten an: Auf der einen Seite sagen sie: "Der Traum wurde vor Jahren ausgeträumt. Das Volk muss sich den neuen Bedingungen anpassen und die humanitären Seiten des Systems suchen". Was sie nicht sagen ist, dass sie in einer fragwürdigen Allianz mit der FRG stecken... Auf der andern Seite sagen sie: "Es lebe die Vision! Die ganze Welt gegen den strategischen Feind und seine Alliierten... für die Rückgewinnung der Revolution!" Hier zeigen sich klare Unterschiede in der Analyse der nationalen und internationalen Realität. Es zeigen sich auch die unterschiedlichen Alternativen, die vorgeschlagen werden, um den Geist der guatemaltekischen Revolution zu retten. Klar ist jedoch, dass diese Revolution von 'unten' kommen muss, unter Einbezug von Männern, Frauen, Kindern, alten Menschen, Indígenas, MestizInnen und deren spezifische Ausgangslagen, Bedürfnisse, Interessen und Anschauungen berücksichtigen muss. Klar ist auch, dass das neoliberale, kapitalistische System sehr vereinnehmend ist, den Einen verlockende Möglichkeiten anbietet und Konformität und politische Meinungen bestimmt. Ein Phänomen, auf das man in linken Kreisen immer wieder hereinfällt. Daran mitschuldig ist unter anderem auch der spanische Einfluss (sprich PSOE) auf die revolutionären Parteien Lateinamerikas. So sind denn die Diskurse linker PolitikerInnen oft nicht identisch mit ihrem Handeln, was schliesslich systemerhaltende Auswirkungen hat. Ihre Verhandlungspositionen sind geschwächt durch die politischen Kompromisse, auf die sie sich einlassen. Ein wichtiges Element, an dem aber noch gearbeitet werden muss, ist die interne Demokratie der URNG. Es müssen neue Kriterien bestimmt werden, auf denen die revolutionäre Einheit aufgebaut wird. Diese Kriterien sind: Ideologische, politische und programmatische Richtlinien, gleichberechtigte Vertretung der Indígenas, der Frauen und der verschiedenen Generationen, horizontale Organisationsstrukturen, die Erneuerung der Parteiführung, die Förderung eines kritischen und undogmatischen Denkens und die Verbindung zu den sozialen Kämpfen. Dies sind die Voraussetzungen für einen visionären revolutionären Prozess, auf demokratischen Grundlagen, hin zur sozialen Gerechtigkeit. Die Revolution lebt, aber die Menschen sind verantwortlich für ihre Entwicklung! Harald Waxenecker |
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