Notizen eines Beobachters
Fijáte 243 vom 5. Sept. 2001, Artikel 4, Seite 4
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Notizen eines Beobachters
Am 25. August fand der zweite Parteikongress der URNG statt. 250 Delegierte und über 1000 SympathisantInnen fanden sich im Versammlungssaal des Parque de la Industria ein. Erstere um den Parteivorstand neu zu wählen, die anderen um mitzufeiern. Generell ist zu bemerken, dass die Veranstaltung Ausdruck einer lebendigen und zukunftsgerichteten politischen Organisation war. Das Bild der Anwesenden liess keine Zweifel aufkommen: Es handelt sich um eine Volkspartei, grösstenteils einfache Leute, die von einem Teil der Mittelschicht unterstützt werden. Junge, Frauen und Indígenas mischten sich mit alten ergrauten KämpferInnen. Die Parolen riefen zur Einheit und einer offenen Partei ohne Hegemonie von Gruppen auf, erinnerten an die Gefallenen und verwarfen jegliche Annäherung an den General Rios Montt und die FRG. Unter den Anwesenden fiel eine Gruppe mit rot-schwarzen Halstüchern auf. Langsam wurde die real existierende Differenz zwischen zwei Strömungen (auch wenn inoffiziell gar von vier die Rede war) offensichtlich. Dies ist allerdings keine Überraschung. Verschiedene Gruppierungen gehören zum normalen Erscheinungsbild von politischen Gruppierungen, vor allem wenn demokratische Strukturen existieren und unterschiedliche Meinungen offen ausgesprochen werden können. Nur wenn diese Organisationen im Stil religiöser Sekten durch unbestrittene Führungspersonen im Caudillostil geführt werden, gibt es weder Differenzen noch Konflikte. Der ehemalige URNG-Generalsekretär Pablo Monsanto hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der interne Konflikt gleichzeitig zur Stärkung der Partei beigetragen hat. Von 96 Gemeindekomitees im Dezember ist die Partei auf aktuell 136 gewachsen, womit die These, dass der Kampf der Gegensätze die Entwicklung vorantreibt, bestätigt wurde. Auf zwei lange einleitende Reden folgten zwei Rechenschaftsberichte an den Parteikongress, eine vernachlässigbare Anomalie. Sowohl der Generalsekretär als auch das nationale Exekutivkomitee legten sehr kritische Berichte vor. Vielleicht war es die aktuelle Situation, die es erlaubte, den Problemen auf den Grund zu gehen und harsche Kritiken an der Parteileitung zu üben. Dies wurde von vielen als eine überfällige Notwendigkeit empfunden. Grosse Zustimmung ernteten die Feststellungen, dass die URNG den politischen Kampf für die Umsetzung der Friedensabkommen nicht geführt und bezüglich der wichtigsten nationalen Themen keine eigene Position entwickelt hat. Nach oben |
In einer politischen Organisation sind die politischen und ideologischen Differenzen lösbar, wenn die strategischen, gemeinsamen Interessen nicht aus den Augen verloren werden. Handeln die WahlgewinnerInnen in diesem Sinn und nutzen ihre Position dazu aus, mit der Minderheit zu verhandeln und diese einzubeziehen, so sind die internen Differenzen überwindbar. Die Hochrufe und Parolen erinnerten daran, dass diese politische Organisation eine Repression überlebt hat, die selbst für lateinamerikanische Verhältnisse besonders brutal war. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die URNG unter den gegenwärtigen Umständen fähig sein wird, sich den neuen Gegebenheiten und Herausforderungen anzupassen. Offen bleibt ebenfalls die Frage, ob der Politikstil der Vergangenheit, der zu falschen Bündnissen und auf Abwege führen kann, fortgeführt wird, oder ob eine interne Erneuerung Wege in die Zukunft weisen kann. Die URNG hat eine lange Geschichte. Daraus und aus der Ausdauer und Entschlossenheit im Kampf leitet sich ihre Legitimität ab, wie Rolando Morán vor einiger Zeit festhielt. Nicht die Existenz der Sowjetunion oder Cubas, sondern die Unterstützung in wichtigen Teilen der Bevölkerung haben es erlaubt, den Kampf in den vergangenen 36 Jahren zu führen. Dazu kamen die enormen Opfer der Militanten, wie zum Beispiel von Alba Estela Maldonado, die nun als Generalsekretärin eine neue grosse Verantwortung übernommen hat. Edmundo Urrutia |
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